Kissling, Hermann: Unsere Kirche, Gegenstand einer Kunstkunde (Stuttgart, 1967)

III. Über die Gestalt und Ausstattung der
Dorfkirche

i DAS KIRCHENGEBÄUDE

Der Begriff Kirche hat verschiedene Inhalte. Er bezeichnet die
kirchliche Glaubensgemeinschaft, den kirchlichen Raum und die
darin versammelte Gemeinde und ihren Gottesdienst.

Der kirchliche Raum, das Kirchengebäude, ist in seiner inneren
und äußeren Gestalt vielen Bedingungen unterworfen gewesen und
noch heute unterworfen. Nennen wir vorweg das Verständnis für
Liturgie und kirchliche Gemeinschaft. Letzteres weist hin auf hier-
archische und soziologische Gegebenheiten. Das Kirchengebäude ist
meist auch kirchliche Heimat einer ganz bestimmten Menschen-
gruppe oder eines Bevölkerungsteiles, einer Gemeinde. Daß die
Gestalt des sakralen Baues den Forderungen der Zeit, des Standorts,
des heimatlichen Baumaterials unterworfen war, sollte man bei
allen Überlegungen zur Gestalt der Kirche zuerst bedenken. Den-
noch sind diese Tatsachen aber gegenüber den kirchlichen und sozio-
logischen Kräften sekundär.

Selten stellt sich das Kirchengebäude als eine einmal gebaute und
damit abgeschlossene Architektur dar. Dem Erstzustand gesellten
sich An- und Einbauten späterer Zeit zu. Änderungen bautech-
nischer und künstlerischer Art hat die Kirche erlebt und auch hin-
nehmen müssen. Wie Jahresringe lassen sie sich zählen und greifen.
Letztlich zeugen diese Veränderungen von einem innigen Verhält-
nis zwischen Mensch und Kirche.

Die Kirchengebäude sind mit besonderen Bezeichnungen bedacht
worden. Sie kennzeichnen ein Gotteshaus nach der
kirchlich-hierarchischen Stellung: Basilika (nicht zu verwechseln mit
der Baugestalt Basilika), Domkirche, Kathedrale, Stifts- oder
Kollegiatkirche, Abteikirche, Pfarrkirche, Filialkirche, Kapelle;

110