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Kissling, Hermann
Unsere Kirche, Gegenstand einer Kunstkunde — Stuttgart, 1967

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https://doi.org/10.11588/diglit.15010#0116
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Worin äußert sich das Sakrale eines Raumes2?

Ein sakraler Raum führt zur inneren Sammlung. Er ist abge-
schirmt gegen Umtrieb und Lärm. Seine Maße sind harmonisch
gestimmt. In einem solchen Raum kann im Menschen das Gefühl
des Geborgenseins aufsteigen. Seine Gedanken sollen dort gesam-
melt und hingelenkt werden zu einer Begegnung mit Gott. Das
sichtbarste Bild der Gegenwart Gottes im Kirchenraum ist der
Altar. Darauf sollen die Augen und ihnen folgend die Gedanken
der Gläubigen gerichtet werden. Hierin tut sich das Kernproblem
jedes Kirchenentwurfes auf. Im Laufe der Geschichte der Kirche
und der Kunst wurde dies in vielfältigen Formen gelöst; sei es mit
Hilfe der Architekturlinien, der Lage der Raumkompartimente,
der Anordnung des Gestühls, oder über die Lichtführung, die Far-
ben, gewisse »Formreize« und vor allem durch die Heraushebung
und Ausgestaltung des Altares.

Es bleibt: der Kirchenraum hat ein Raum zu sein, der durch die
Sprache seiner Architektur und Ausstattung nichts anderes sein
kann als Kirche, nicht Halle oder Versammlungsraum, sondern
Stätte der Andacht, der Verkündigung und des Lobpreises Gottes.

3 SYMBOLE

Jede Kunst ist Gleichnis. Damit entfernt sie sich nicht von der
Wirklichkeit, sondern stellt die Wahrheit in anderem Gewand vor.
Symbole reichen diese Wahrheiten in verschlüsselter Form. Lipffert
(siehe Literaturverzeichnis) sagt: »Ein Symbol ist ein Zeichen, das
stellvertretend ein Anderes repräsentiert.« Kunstschöpfungen, die
auch Uberwirkliches anschaulich machen wollen, gebrauchen Sym-

2 Otto Bartning, der wegweisende Architekt des evangelischen Kirchen-
baues, hat in Zweifel gezogen, ob man beim Kirchenraum der Gegenwart
überhaupt noch von einem sakralen Raum sprechen könne. Hierin weiß
er sich mit manchen evangelischen Theologen im Bunde (s. Die Religion
in Geschichte und Gegenwart, Tübingen 1959, Band III, Seite 1396)

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