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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — 3.1909

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Schmid, H. A.: Die oberdeutsche Kunst im Zeitalter Maximilians
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https://doi.org/10.11588/diglit.25487#0012
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H. A. Schmtd Die oberdeutsche Kunst im Zeitalter Maximilians

nung der Wände ist fast nichts in den siebziger Jahren des XIX. Jhs. möglich, das übrige
doch nicht üblich gewesen. Aber der Umschwung zwischen dem Jahre 1490 und 1510 ist
in Deutschland und in Italien doch noch größer und erstaunlicher gewesen, und der Unter-
schied zwischen der Kunst von 1510 und 1530 ist im Grunde nicht viel geringer, wenn
auch weniger auffallend.

Sobald man sich einmal Rechenschaft darüber gibt, welche Künstler Altersgenossen
gewesen, welche Werke gleichzeitig entstanden sind, so erscheint fast alles, was man als

Ausdruck einer Persönlichkeit oder als Eigenart eines be-
stimmten Werkes ansieht, nur noch als die persönliche
Nuancierung einer Zeitströmung. Viel von dem, was wir
gewohnt sind, als individuelle Unterschiede zwischen
Rafael und Leonardo, Tintoretto und Tizian, Holbein und
Dürer anzusehen, ist der Unterschied der Zeit, der Gene-
ration oder des Lebensalters und das Staunen über die
Macht der Persönlichkeit schlägt oft um in die Bewunde-
rung einer Woge, welche auch die mittlere Begabung zu
großen Taten hinreißt.

Einige dieser Beobachtungen sollen hier vorgeführt
werden. Ich bin genötigt, nur um verstanden zu werden,
die frappantesten Beispiele herauszusuchen, die Auswahl
gibt ein falsches Bild im Sinne der Statistik, wie ich mir
wohl bewußt bin; aber da in der bildenden Kunst das
Mutige, das Gewagte, ja, selbst das, was den entschie-
densten Bruch mit den Traditionen bedeutete, auch in
früherer Zeit vielfach das Wertvollste war, so rechtfertigt
sich das Verfahren nicht nur durch die Kürze der Zeit,
die einem Vortrage bemessen war.1)

Im Zeitalter Maximilians hat die niederländische Kunst
in Quinten Massys einen Meister gehabt, dessen Werke
fast alles in den Schatten stellten, was eine hundertjährige
Blütezeit im XV. Jh. hervorgebracht hat.

Auffallender aber ist noch, was wir in Oberdeutsch-
land sehen.

Die oberdeutsche Kunst war bisher hinter den Nieder-
landen, Florenz und Venedig zurückgeblieben. Zwar ist,
wie wir seit einigen Jahren wissen, auch in Oberdeutschland
gleichzeitig mit Masaccio und den Brüdern van Eyck der moderne Naturalismus und eine
neue Darstellung von Raum und Körper zum Durchbruche gekommen. Auch ist in den
achtziger Jahren der gewaltige Altar zu St. Wolfgang von dem Tiroler Michel Pacher ge-
schaffen worden; aber im allgemeinen fehlt der oberdeutschen Kunst in jener Zeit eben-
sowohl der große Zug, den eine Schöpfung wie der Colleoni und die Kultur, die die Marmor-
büsten eines Desiderio voraussetzen, wie die Feinheit im Kolorit und die Intimität der
gleichzeitigen Niederländer. Pacher war doch eine vereinzelte Erscheinung. Gerade die

*) Der Artikel gibt den Inhalt zweier Vorträge wieder, die im Österreichischen Museum Winter 1906/07 gehalten
worden sind.
 
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