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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — 3.1909

DOI Artikel:
Schmid, H. A.: Die oberdeutsche Kunst im Zeitalter Maximilians
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https://doi.org/10.11588/diglit.25487#0013
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H. A. Schmid Die oberdeutsche Kunst im Zeitalter Maximilians

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Fig- 3

Martin Schongauer: Madonna (Stich)

Kunst der sechziger, siebziger und achtziger Jahre ist eine der unerfreulicheren in der
ganzen Geschichte der deutschen Kunst. In dieser Zeit vermißt man ganz besonders die
Größe in der Auffassung der menschlichen Persönlichkeit und in der Auffassung der
menschlichen Tragödien. Am besten gelingen noch die idyllischen Szenen und die Darstel-
lung schüchterner, jugendlicher Gestalten. In den Schilderungen des Leidens Christi aber
fühlt man den Kleinbürger, der die Energie nur als Ausdruck von Bosheit und unflätiger
Gesinnung kennt und sein Leben lang zittert vor den Strafen der irdischen und himm-
lischen Gerechtigkeit. Die Landschaft ist dürftig, zusammengestellt aus unnatürlichen Felsen
und Hügeln, die wie Sandhaufen aussehen. Es ist die Landschaft des Kleinbürgers, der
sich nur hinter den Toren seines Städtchens sicher fühlt; die Bilder scheinen trotzdem
meist überfüllt.

In den neunziger Jahren erwacht plötzlich der Sinn für das Pathetische, das Drama-
tische, für selbstbewußte Männercharaktere, für die Darstellung energischer Bewegung. Ferner
für die Poesie des Lichtes, des Raumes, für den Stimmungswert der Farben und, was das
auffallendste ist, für das Wildromantische in der Landschaft. Der Sinn für die Alpen ist
nicht nur unmittelbar vor der französischen Revolution, sondern schon früher einmal kurz
vor der Reformation erwacht. Es ändern sich auch die Ideale. Die Mutter Gottes und ihr
Sohn werden anders gebildet. Die Kunst lernt ferner innerhalb weniger Jahrzehnte den
Raum perspektivisch richtig darstellen, mit perspektivisch dargestellten Räumen künst-
lerische Wirkungen erzielen und die menschliche Gestalt in jeder Verkürzung und Bewegung

Fig. 4 Martin Schongauer: Madonna (Stich)
 
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