Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 4.1906

DOI Artikel:
Aus der elften Ausstellung der Berliner Secession
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4390#0393
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
AUS DER ELFTEN AUSSTELLUNG
DER BERLINER SECESSION

Uese Ausstellung steht ganz unter
dem Zeichen Liebermanns, sogar
zweifach. Er hat auch in seiner
Eröffnungsrede sich so ausge-
zeichnet, so konzentriert über
seine Auffassung von der Kunst
geäussert, wie er es nach meiner
1 Meinung nur selten that. Sein
Triumph war also doppelt.

Sätze wie: „Das wirksamste Mittel zur För-
derung der Kunst beruht darin, dem Künstler die
Möglichkeit zu geben, sein Ideal zu verwirklichen.
Es giebt kein Ideal an sich; es giebt der Ideale so
viele, als es echte Künstler giebt, denn was kann
Ideal anderes bedeuten als der jedesmal erneute Ver-
such des Schaffenden, nach dem Höchsten zu stre-
ben. Daraus folgt, dass jeder Künstler sein Ideal
und nur das seine in sich trägt"; oder: „Was in
der Wissenschaft der Inhalt, ist in der Kunst die
Form: der Inhalt ist die Form!" bleiben aus seiner
Rede in der Erinnerung. Man hat ähnliche öfter
von ihm gehört, sie waren aber noch kaum so kurz
gefasst, noch kaum so essentiell gewesen. Auf dieses
Extraktartige, geistreich aus den Dingen das Wesen
Ziehende, scheint der Präsident der Secession mit
zunehmenden Jahren nur stürmischer zuzugehen.
Sein Elan hat noch zugenommen. Von seinen drei
Porträts in der Ausstellung wirken zwei ebenfalls

gleich Aphorismen, die den Herrn v. Berger und den
Fürsten Lichnowsky darstellen. Das Paradoxale eines
starken Griffs packt in ihnen. Sie gefallen oder sie
gefallen nicht. Das dritte, das sachliche Abbild eines
bescheideneren Menschen zeigend, muss jedem zu-
sagen, es ist einfach meisterlich in dem Sinne, dass
nur ein Meister des Berufes, nur ein ausgezeichneter
Künstler im Malen, es hatte schaffen können. Aber
hinreissend oder zur Negation Veranlassend ist es
nicht, das sind nur die beiden andern — die übri-
gens, das muss als ein Fortschritt der Zeit angesehen
werden, auf einen Negierenden nicht gestossen zu
sein scheinen, denn alles ist von den beiden Por-
träts, dem Bergerschen freilich noch mehr als dem
Lichnowskyschen — das liegt am Typus — ganz
entzückt, sogar die in ihrem Urteil am weitesten
rechts Stehenden.

Das alte Thema kann vor diesen Bildnissen
wieder angeschnitten werden: kommt es auf das
Sujet an? Nach meiner, allerdings altmodischen,
Meinung kommt es unter Umständen sehr darauf
an; und ich glaube, vieles, wenn nicht alles, in den
Unterscheidungen, die man zwischen dem Porträt
von Dr. Strebel, der, wie es scheint, keine präpon-
derante Person ist, einerseits, und den Porträts des
Herrn von Berger und des Fürsten Lichnowsky
andererseits macht, beruht auf der verschiedenen
Fascination, die mit dem Sujet zusammenhängt,

3«5
 
Annotationen