DIE MARMOR GALERIE
DASWIENER BAROCKMUSEUM
VON
HANS TIETZE
Wieder ist für unsere Generation die Frage
nach Sinn und Berechtigung des Kunst-
museums gestellt. Vielen scheint in diesem Be-
griffe eine unnatürliche Verbindung eingegangen;
sie lehnen sich gegen eine Einrichtung auf, die
aus seinen natürlichen Lebensgründen reißen muß,
was dargestellt werden soll, die also tötet, um
lebendig zu machen. Es sind harte Worte über das
Museum gefallen, das man bestenfalls als notwen-
diges Übel gelten läßt, als Materialsammlung, aus
der sich jeder an wissenschaftlicher oder künst-
Anmerkung der Redaktion: Alle Abbildungen sind
mit Erlaubnis des Kunstverlags Anton Schroll & Co., A.-G.,
Wien, reproduziert worden.
lerischer Anregung holt, was er braucht. Diese
negative Auswirkung des Museums hängt mit der
Einstellung des neunzehnten Jahrhunderts zusam-
men, das unseren Museumstyp geschaffen und, wie
es scheint, in allen Möglichkeiten erschöpft hat.
Das Verhältnis zwischen Kunst und Wissenschaft,
dessen wechselnde Spannung seit den Wunder-
kammern der Renaissance und den Schloßgalerien
des Barock den Musealbegriff beherrschte, hat sich
stark zugunsten der Wissenschaft verschoben; für
die Kunst hat dieser Typus — wie die gleich-
zeitige Denkmalpflege — hauptsächlich mittelbar
gewirkt. Das Museum des neunzehnten Jahrhun-
derts hat in einer bewunderungswürdigen Weise
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DASWIENER BAROCKMUSEUM
VON
HANS TIETZE
Wieder ist für unsere Generation die Frage
nach Sinn und Berechtigung des Kunst-
museums gestellt. Vielen scheint in diesem Be-
griffe eine unnatürliche Verbindung eingegangen;
sie lehnen sich gegen eine Einrichtung auf, die
aus seinen natürlichen Lebensgründen reißen muß,
was dargestellt werden soll, die also tötet, um
lebendig zu machen. Es sind harte Worte über das
Museum gefallen, das man bestenfalls als notwen-
diges Übel gelten läßt, als Materialsammlung, aus
der sich jeder an wissenschaftlicher oder künst-
Anmerkung der Redaktion: Alle Abbildungen sind
mit Erlaubnis des Kunstverlags Anton Schroll & Co., A.-G.,
Wien, reproduziert worden.
lerischer Anregung holt, was er braucht. Diese
negative Auswirkung des Museums hängt mit der
Einstellung des neunzehnten Jahrhunderts zusam-
men, das unseren Museumstyp geschaffen und, wie
es scheint, in allen Möglichkeiten erschöpft hat.
Das Verhältnis zwischen Kunst und Wissenschaft,
dessen wechselnde Spannung seit den Wunder-
kammern der Renaissance und den Schloßgalerien
des Barock den Musealbegriff beherrschte, hat sich
stark zugunsten der Wissenschaft verschoben; für
die Kunst hat dieser Typus — wie die gleich-
zeitige Denkmalpflege — hauptsächlich mittelbar
gewirkt. Das Museum des neunzehnten Jahrhun-
derts hat in einer bewunderungswürdigen Weise
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