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Aus dem Tagebuche eines Charakterfesten.

In welchen Zeiten leben wir? Fast ist eS nicht mehr möglich, sei» Auge
vor der nabenden Sündflut zu verschließen. Wer doch ein Noah sein und
sich in die stille Arche der Zurückgezogenheit retten könnte! Da» heißt, die
Vossischc Zeitung müßte Einem, von Zeit zu Zeit wenigsten», oben hin-
eingcworsen werden. Ganz ohne Nachrichten von Außen wäre e» doch nicht
auSzuhalten.

Am 13 tcn. Waö mich am meisten anwidert ist das Treiben der Börse.
Alle» reißt sie mit sich fort, Alles speculirt, Alle» wird sich — ruiniren. AIS
ich mir heut bei meinem Schneider einen Anzug bestellen wollte, ließ er mich
eine Viertelstunde antichanibrircn. Bei meinem Eintritt war sein Courtier
noch da, mit dem er, während er mir Maß nahm, das Gespräch sehr un-
gcnirt forlsctztc.

Sie vergessen doch nicht, daß ich an der linken Seite etwa» eingefallen
bin? — bemerkte ich ihm.

Nein — erwiderte er kurz — Magdcburg-Halberstädtcr werden sich wohl
nicht halten? Was meinen Sic? — fragte er den Courticr.

Machen Sie mir die Aermel nicht zu weit. Ich liebe diese Mode nicht!
— sagte ich.

von! Ich bi» ganz Ihrer Ansicht. Oberschlestsche Litera B. müssen
einen bedeutenden Aufschwung nehmen.

Was für Knöpfe nehmen Sie, und wie viel an jeder Seite? — fragte
ich schon ziemlich erbittert.

Zehntausend werde ich nehmen, wenn mit 88 noch zu kaufen ist. No-
tircn Sic eS gefälligst! — ersuchte der Schneider den Courtier, ohne weiter
von mir Notiz zu nehmen.

Empört über diese Ungezogenheit des Kleiderfabrikanten rannte ich fort
und eilte in das Magazin seine» Concurrenten, ineine Garderobe zu be-

Wenn Sie die Güte haben wollten, sich in einem Stündchen wieder
her zu bemühen — bemerkte mir der Cvmmi» — so können Sie Herrn N.
selbst sprechen. Gegenwärtig ist er an der Börse.

Und der Wcrksührcr? — fragte ich.

Er Ist nur einen Augenblick zu dem Banquier nebenan gegangen, sich
den Wiener CourSzcttcl zu leihen.

Aergerlich verließ ich den Lade».

Unter den Linden traf ich den alten, bicdem v. Z.

WaS sagen Sic zu den Ereignissen, Baron?

Traurig, sehr traurig! — erwiderte er achsclzuckcnd.

Die Verkommenheit ist gränzenloS! — fuhr ich fort.

Allerdings — meinte der Baron — indcß hat die Gegenwart doch auch
ihre Lichtseiten. Die Noth nimmt mit jedem Tage mehr ab, Handel und
Gewerbe blühen, der Grundbesitz steigt, die Capitalien werden flüssig, Alles
verdient, gewinnt und gibt mit leichter Hand, wo Hilfe nothwcndig ist.
Nie sind in Berlin die Ansprüche an die Wohlthätigkeit glänzender und be-
reitwilliger erfüllt worden.

Und wem verdanken wir das? — fragte ich etwas ängstlich.

Wenn man der Wahrheit die Ehre geben will, lediglich der Börse.

Sie speculircn, Baron?

Bewahre! Ich habe nur ein wenig genascht, mich mit einem kleinen
Gewinn von 2 bis 3000 Thalcrn zurückgezogen, für welche ich mir diesen
Sommer Italien und das südliche Frankreich anzusehen gedenke. Aber da»
Geld liegt heut noch aus der Straße.

Sie meinen also, die Zeit der Hausse wäre noch nicht vorüber?

Noch lange nicht. Es sind noch Millionen zu gewinnen. BeNmkcn
Sie doch nur: die Abreise des Herrn von Manteuffel, die Entbindung der
Kaiserin, der Schluß der Conserenzen —

Guten Morgen, Baron! — ries ich und eilte spornstreichs zu meinem Vetter

Am 14 ten. Vetter Julius hat mir 10,000 Thalcr Depot» geliehen, die

ich meinem Banquier übergeben habe um doch einmal einen kleinen Coup «»
der Börse zu wagen. Man wird geradezu lächerlich, wenn man die Mode
nicht mitmacht. Fast alle mein« Freunde spcculiren, gewinnen große Summen
und geben täglich die ausgesuchteste» Diner» und Soupers. Es wird zu,
letzt langweilig, sich fortwährend einladen lassen zu müssen und sich »ich,
revanchirc» zu können.

Am 13 ten. Mein Banquier hat äußerst glücklich für mich operirt.
Ich gewinne seit gestern bereits 800 Thalcr. Wenn die Tausend voll
sind, schnappe ich ab!

Am 10 ten. Mein Kopf ist so schwer, als wären mir zwei Centner
Blei hincingcgossen worden. Wir haben heut Nacht eine fürchterliche Sitzung
gehalten. Die Depesche von den ersten Wehen der Kaiserin hatte eine
colossale Heiterkeit hervorgebracht. Wenn c» ein Prinz ist, so gehen Fran-
zosen beut sürchtcrlich hoch, und ich habe meine 3000 Thalcr in der Tasche.

Siebcrt hat mir sagen lassen, daß er einen neuen Brougham fertig Hai.
Mit der großen Fuchsstutc von Meier und dem neuen Englischen Paienl-
Gcschirr wäre das eine ganz famose Equipage. DaS Wetter läßt sich gut
an, und ich fahre vielleicht schon heut Nachmittag mit Jda und dem neuen
Gespann nach Charlottcnburg. DaS Mädchen wird übrigens mit jedem
Tage kecker. Gestern hat sic sich bei F. einen Rubinschmuck für 15 Louiü
gekauft und — auf mein Conto schreiben lassen. Man geht jetzt wirklich
mit den Goldstücken um, als wären c» Spielmarken. So warf ich gestern
Abend in momentaner Wcinlaune einem alten Manne, der mich anjprach
und der sich vor Kälte kaum aufrecht zu halten wußte, einen ganzen
Champagnerthaler in de» Hut. Der Mensch faßte nach meinem Rockzipfel
um ihn zu küssen, glitt dabei au» und stürzte zu Boden.

Ich machte daß ich fortkam, konnte aber den ganzen Abend das fatale
Bild nicht lo» werden!

Am 17 ten. Vire I'ewpereur! Vivo l'impöralriee! Vire Io je»»»
princc! So eben ist die Depesche cingctroffen! Die Börse wird heut groß
werden! Ich habe noch gestern Abend Credit mobilicr kaufen lassen, bloß

des BroughamS wegen.-Auch mit Meier bin ich einig geworden,

und um 2 Uhr nach der Börse geht'S mit Jda und der großen Fuchsstute
nach dem Türkischen Zelt. Famose» Zeitalter, das muß man sagen!

Am 18 ten. Pfui Spinne! Was soll da» heißen? Die Börse war
heut ganz flau. Und nicht die geringste politische Veranlassung vorhanden,
die da» Fallen der Course rechtfertigen könnte! Mein Banquier meint, eS
hätten sich zu viel VerkaufSordrcS für auswärtige Rechnung gezeigt. Ist
übrigens merkwürdig, wie rasch man sich von einem kleinen Verlust verstim-
men laßt! Habe heut keinen Tropfen Sect heruntcrbringcn können! Wider-

Am 19 ten. Der Teufel hole alle Aktien! Heut wieder um 1500 Thal»
ärmer! Und wie rasch daö geht! Jda fängt an, mir sehr lästig zu werben.

Abe»dS7 Uhr. Diese Börsenmcnschen sind entweder alle Republikaner
oder — die ärgsten Pessimisten. Der Friede ist gesichert, Preußen zugelassen,
und alle Papiere — falle».

Am 2» ten. DaS fehlte noch! Mein Vetter verlangt feine Depo»
zurück, und Oesterreichischc Credit stehen 175. Wen» ich jetzt verkaufe, geht mein
ganzer Gewinn flöten. Jda welche auch speculirt, meint, e» wäre jetzt Zeit
auf die Baisse zu gehen. Sie hat gestern 5000 Mecklenburger gefixt mil
54 ^ per ultimo, und will sich morgen erst decken.

Am 21 ten. Gott sei Lob und Dank, ich bin heraus! Die Börse war
heut famos, ich bin Alles lo« und habe noch eine Kleinigkeit gewonnen.
Aber an schlaflosen Nächten habe ich doch Einige» geleistet. Meier war eben
da und fragte mich, wie e« mit der Fuchsstutc wäre. Ich erzählte ihm mein
Mißgeschick. Er rieth mir Weimar'sche Bank zu kaufen., Ich weiß no-b
nicht, was ich thun werde. Jda verlangt, daß ich ihre Differenz bezahle-
Vorläufig Hab» ich sie 'rauSgcfchmissen!

Kladderadatsch.

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