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Kladderadatsch: Humoristisch-satyrisches Wochenblatt — 21.1868

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Hefte 41-45, September 1868
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https://doi.org/10.11588/diglit.2250#0252
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162

Teufel auch! Wem soll mnit glauben?
Und was stellt m hoffe»? — Wie?

Lügen blas; die Friedenstanbcn?

Lügt das ganze Federvieh ?

Seelenangil, Ecdankenblässe
Fasst zur Stunde Jedermann,

Und die Hausse wie die Baisse
Schn stch, schrecklich schwankend, au.

Schien von goldnein Elan; doch eben
Hoch die iveitc Welt besonnt,

Und kein Wölkchen fdjicit m schweben
Am polit'schen Horizont!

Ha — wer sagt, wie ich's ergründe,

Und wer weist, wie das geschah? —
Landend taucht bei Travemünde
Ulölzlich aus Urin; Entoutcas.

„Uaht er uns als Sturmesbote»

Gleich der Möwe, übers Meer?

Bringt er eine Fricdcnsnotc
Uns vom fernen Westen her ?

Wer mag ihn nach Hamburg schicken?" —
Tönt's auf Jungfernstieg und Wall,

Und ihm folgt mit scheuen Blicken
Brchbahn und Bragoncrstall.

Bringt von IHM er heimlich Künde?
Ist von IHN er erpedirt?

Ach, man weist nicht, was zur Stunde
In dem Adlerhorst passirt!

Statt empor rum Licht der Sonnen,
Flog m Nest der alle Aar;

Was im Ga bin et begonnen,

Wird ststirt — im Boudoir.

Und wozu find wir erkoren ?

Und wo wendet er stch hin ?

Hamburgs weisen Senatoren
Schwindet schwindelnd Ohr und Sinn.
Kein Gedanke will verfangen,

Und das Angstgefchrci ist grost,

Und das Langen, Hangen, Bangen,
Kaum erstickt, bricht wieder los.

Kein, es ist doch gar ;u kläglich,

Was jeist in der Welt geschieht!

Und es ist nicht mehr erträglich —
Macht eilt Ende doch dem Lied!

Greift rur Feder, rieht vom Leder,
Stellt JHU vor das Weltgericht!
Sprecht ein männlich kühn „Entweder
Oder" — oder-na denn nicht!

LlcidderadaW.

05153 Feuilleton.

Äusgewählie Gedanken des Maraßoui in dem
zoologischen harten.

Ich bin feft basen überzeugt, baß eä einen
Weg gibt, binier die Quadratur des EirkelS zu
kommen; aber ich habe ihn noch nicht gesunden.

Heut passirte ein Mensch auS der Bürger-
käste mit seinen Jungen meinen Standort.
.Hört" — sagte er, auf mich zeigend — „die»
ist der Peliean, der berühmt ist wegen der Liebe
zu seinen Kindern. Er stürzt sich für dieselbe»
inS Feuer, auS dessen Asche er sich verjüngt und
verschönert wieder erhebt." — Mithin hat dieser
Elende mich in aller Geschwindigkeit über den
Peliean hinweg mit dem Phönix verwechselt.
Und doch fallen die Schuljahre dieses Mannes
in eine Zeit, da die Schulregulative noch
nicht aus seinen Bildungsgang einwirken konnten!
Wie wird es erst später kommen? Diese Frage
gab mir viel zu denken.

Freilich, freilich kann ich es mir auch nicht als möglich vorstellen, ohne
Schnabel nachzudenken.

Heut, als ich über den Urgrund des SeinS nachdachte, schallte mir plötz-
lich die Frage inSObr: ,,Wie denken Sie über Rußland?" DaSThema,
über welche» ich noch nicht nachgedacht batte, zog mich an, und ich verließe
mich sofort in dasielbe. Als ich aber nach achttägigem Ueberdenken der Ma-
terie Im Stande war, auf die Frage zu antworten, bemerkte ich mit relativem
Erstaunen — denn ich erstaune überhaupt nur verhältnißmäßig — daß sich
der Fragesteller unterdesien entsernt halte. So flatterhaft sind die Menschen!
Nicht einen Augenblick können sie warte»! Wie der Wind sind sie fert, riech
ehe man ihnen eine so eben gestellte Frage beantworten kann. Daß sie es bei
einem so gearteten Naturell zu einer gründlichen Belehrung nicht bringen
können, scheint auf der Hand zu liegen.

Gestern Hörle ich eine Bemerkung, über die ich in den nächsten Wochen
wiederholentlich Nachdenken werde. „Nichts" — sagte ein vorübergehender
alter Herr, der m i r etwas ähnlich sah — .nichts Brauchbares wird in unserer
Zeit bestätigt, weder ein tüchtiger Man» noch eine gute Nachricht. Wenn
»>an einmal von einer Bestätigung hört, so ist es die — eines Bocks -um
Gärtner."

Es ist leicht zu sage», waS ich häufig von Vorübergehenden höre, daß
Mühler und Eulenburg gehen müssen. Aber wenn man es ihnen sagt,
und sie gehe» doch nicht — waS dann? Dieser Frage widme ich schon seil
längerer Zeit mein Nachdenken.

ES ist eigenthümlich und kann einem Forscher zu ernsten Betrachtungen
Anlaß geben, daß die Menschen nur die Fehler, nicht aber die Vorzüge
der Thiere nachahmen. So haben sie vom Assen dar Läppische, vom
Llama daS Perfide, die Brutalität vom Tiger, den Leichtsinn von der
Fliege und die Unzufriedenheit vom Schwein angenommen. Mir dm
Ernst und das nachdenkliche Wesen abzulernen — daraus ist noch keiner von
Allen, die mich dm Tag üher anstarrm, gekommen!

Man macht mir häufig den Donvurf, den ich ruhig von meinem Schü-
bel abgleiten lasse, daß ich nichts aus das Aeußere gebe. Wenn dies
ein Fehler ist, so scheint mir, ist ein bedeutender Staatsmann des Jahrhun-
dert» in den enlgegeiigeseßtm Fehler verfallen, nicht» auf das Innere zu
geben. Daher stammt — wenn ich nickt irre — die Unzufriedenheit ber —
»Denn ich sie recht benrtheile — im Grunde gutmüthigm Bevölkerung dieses
Landes. Diesen Gedanken, aus den ich noch oft zurückkommen werde, will ich
hiermit der Erwägung maßgebender Kreise wiierbreitet haben.

Neueste Nachrichten aus Paris.

Die Aufführung von Lffenbachs „Hochzeit bei der Latcrilk" ist f»
eben auf Kaiserlichen Befehl verboten »vorbei».

S
 
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