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Vorschläge zur Verwendung der Rismarckl'iicnde.

12. Der Dorfschnllehrer Krawutschke schlägt Folgendes vor. Das
ganze Kapital soll für die Zeit von 500 Jahren zinstragend angelegt
werde». Nach 500 Jahren, hat er sich ausgerechnet, ist es durch Zins und
Zinseszins zu einer solchen Unsumme angewachsen, daß bei der alsdann zu
veranstaltenden Vertheilung aus jeden Deutschen eine Million kommt. Dann
ist daS goldene Zeitalter wieder da. Niemand braucht mehr zu arbeiten,
niemand etwas zu lernen oder zu lehren. Die sociale Frage ist endgiltig
gelöst, ein Most oder Bebel ist nicht mehr denkbar. Auch der Kulturkampf
muß aufhören, weil jeder viel zu viel mit der Berwaltung seiner Million
zu thun hat, als datz er auf solche Dinge sich einlassen könnte. Durch daö
ganze Land tönt das Sausen der Danipfmaschinen, welche unablässig mit
dem Abschneiden von Coupons beschäftigt sind. Leider, sagt Krawutschke,
werden wir selbst diese goldene Zeit nicht erleben, eS wird aber für unS ein
Trost sein, zu wissen, datz unsere Nachkommen sich ihrer erfreue» werden, und
die frohe Aussicht in die Zukunft wird uns leichter die Drangsale der Gegen-
wart ertragen lassen.

13. Vom Bey von Tunis ist die vertrauliche Anfrage gestellt worden,
ob er das Geld auf unbestimmte Zeit zu einem beliebig hohen Zinsfuß er-
halten könne. Beabsichtigte Meliorationen im Balletwcscn ließen es ihm
wünschenswerth erscheinen, eine größere Summe in die Hand zu bekommen.
Für seine Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit in Geldsachen beruft er sich auf
ein vom Sultan ihm ausgestelltes Attest.

14. Zwei Herren, die noch nicht genannt sein wollen, wie es heißt, dem
studirten oder studircndcn, Stande angchörcnd, sind der Meinung, daß das
ganze Geld auf einmal in Form eines Riesenfn'lhschoppenS mit Riesen-
salamandern ausuirehren sc,. Daß Gelder nützlich angewendct werden, kommt
alle Tage vor, der Gedanke aber, eine so große Summe an einem einzigen
Tage dem Vergnüge» der Nation zu opfern, ist ungewöhnlich und originell.
Au dem Frühschoppen soll jeder Deutsche theilnehmen dürfen, der über
16 Jahr alt und im Besitz der Ehrenrechte ist. Den Frühschoppen selbst
sollen alle in Deutschland erzeugten Getränke, mit Ausnahme von Kunst-
wcinen und llnbieren, bilden. In die Commission für die Vorbereitungen
können auch OvpositionSniänner, sofern sie von Getränken etwas verstehen,
gewählt werden, wie z. B. Meyer-Halle »nd Windthorst, doch müssen
sie der Vorsicht halber vereidigt werden. Als Local des Frühschoppens eni-
pfiehlt sich ein gesund gelegenes Hochplateau, welches indesieu vorher an
seinen Rändern mit einem starken und feste» Geländer zu versehen ist. Ein
geräumiger Thalkesscl scheint weniger praktisch, weil es nach genoffenein
Frühschoppen nicht so leicht sein dürfte, aus einen, solchen herauSzukomnien,
als von einer Hochfläche herunter.

15. Alwin v. Z. bittet, ihm für kurze Zeit die gcsammte Bismarck-
spende zu überlasten. Er will den Versuch machen, ob es möglich ist, sie in
acht Tagen todtzuschlagen. Es handelt sich »m eine Wette, deren Ausgang
für alle Betheiligten wie für daS Ganze des SportwescnS von hohem In-
tcreste ist. Große Summen sind bereits gesetzt.

Zlriegsaussichien.

Wenn ei» Raufbold und ein friedlicher Manu an einander gerathen, so
ist zehn gegen einS zu wetten, daß eS zu nichts kommt. Dciui der Fried-
liche wird so lange nachgebeu, bis der Raufbold endlich ansängt sich seiner
Unverschämtheit zu schäme».

Selbst wenn zwei anerkannte Krakchler und Häudelsucher in Streit ge-
rathcn, braucht man nicht gleich das Schlimmste zu befürchten. Denn jeder
wird die Kraft deS anderen nach seinem herausfordernde» Auftreten beniesten
und schließlich Mißtrauen in seine eigene setzen.

Wenn aber zwei durchaus friedliebende Leute in eine schiefe Lage ge-
drängt werde», steht alles zu erwarten. Denn jeder von ihnen wird um des
lieben Friedens willen vor dem blutigsten Kriege nicht zurückfchreckcn.

Ach, warum mußten auch gerade die beiden »nkriegerischtcn Männer
uuferer Zeit, warum mußten der Kaiser von Rußland und Mr. Gladstone
in der Ilmgegend von Herat auf einander stoßen.

Nun ist der Krieg auf die Dauer unvermeidlich!

Dem Baron Alphons von Rothschild ist in Paris ein kleines
Unglück begegnet. Er ist bei der französischen Akademie der Künste in der
Wahl durchgefallen gegen Leon Henzy.

„O bejammernswert he Zeit" — rief er aus — „in welcher der wahre
Verdienst so wenig geschäht wird!

DtCeincc D3rtefRaflcn.

Rentier 11. in S. Sie gehen mit dem Gedanke» um, sich zum vierten
Mal zu vermählen, und dabei ist in Ihnen die Besorgniß aufgesticgcn, daß
der Staatsanwalt eine Anklage wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels gegen
Sie erheben könnte.

Wir haben das Gutachten eines hervorragenden Juristen eingefordert
und können Ihnen mittheilen, daß Ihre Befürchtung unbegründet ist.

Industrieller in Potsdam. Gerade jetzt nach der Erhöhung des Honig-
zolls dürfte die Errichtung von Fabriken für die Herstellung von künstlichem
Honig in den Grenzen des deutschen Reichs eine vorzügliche Capitalanlage
bieten.

Wir machen Sie noch darauf aufmerksam, daß die besten amerikanische»
Fabriken seit einiger Zeit eine genügende Menge von echten Bienenflügclu
und -Beinen in den Traubenzuckcr-Syrup streuen. Sehr gut macht cs sich
auch, wenn hier und da in einer Parafsinwachs-Wabe eine ganze Biene an-
gebracht wird.

Aeugstlicher in |t. Ihre Absicht, unserer Stadt einen Besuch abzu-
statten, brauchen Sie nicht aufzugebcn, wenn auch auf unseren Bahnhöfen
zuweilen das clectrische Licht plötzlich erlischt und die Züge dann in voll-
ständiger Dunkelheit ankommcn.

Jeder Berliner, der die Bahn benutzt, führt eine kleine Taschenlaterne
bei sich, die sofort in Gebrauch genommen wird, wenn die elektrische Leitung
versagt. Das Gewimmel der Hunderte von Lichtern auf den Perrons und
Treppen bietet einen reizenden Anblick.

Nichtcheniiiicr in S. Die Anfrage, was unter „Strontian-Verbindungcu"
und „Stronlian-Präparaten" zu verstehen sei, ist von vielen Seiten an uns
gerichtet worden.

Nach zuverlässigen Millhcilunge» a»S Abgeordnetenkrcisen ist eine
„Strontian-Verbindung" eine Vereinigung von Grundbesitzern, welche in,
Jntercste ihrer Gruben den ausländischen Strontia» mit einem höhere» Zoll
belegt wissen wollen. An der Spitze der bedeutendsten dieser Verbindungen
steht augenblicklich der Frhr. von Landsberg. Unter einem „Strontian-
Präparat" versteht man einen Antrag, de» eine solche Vereinigung im
Reichstage einbringt.

Rosamundr W. in T. Sic scheuen sich, in Ihre» diesjährigen Früh-
lingsliedern von der Nachtigall zu singen, ehe Sic selbst eine gehört habe» V

Die Gewissenhaftigkeit geht denn doch zu weit. Wie mancher Dichter
hat begeistert den Wein gepriesen, während er außer seiner Tinte nichts
Feuchtes auf dem Tische hatte!

Wenn Sie in dem glücklichen Zufall, der Sie in der letzten große»
Lotterie deS Charlottenburger Neun-Vereius einen Damensattel gewinnen
ließ, einen Wink des Schicksals sehen, sich auch ferner getrost auf den
PegasuS zu schwingen, so haben Sic bei unserer ritterlichen Gesinnung keinen
Widerspruch von unserer Seite zu befürchte».

Etil neuer lLoloinsalioils-Verci».

In der NeichShauptstadt hat sich ein neuer Verein für Colonisatio» ge.
bildet, dessen Mitglieder sich aus älteren Herren aller Facnltäten zusammen-
setzen. Er verfolgt das Ziel, akademisch gebildete Männer, welche wegen
der in allen Fächern herrschenden llebeifüllung keinen pastenden Wirkuugs-
kreis in der Heimath finden können, zur llebersiedelung nach Lüderitzlaud
vorzubereiten.

Bekanntlich wird der Aufenthalt in jener Gegend besonders durch den
daselbst herrschende» Wastermangel erschwert. Der Ncisendc muß oft viele
Tagemärschc znrücklegc», che er eine Quelle findet. Die Fähigkeit, längere
Zeit hindurch jedes Getränk zu entbehren, ist also eine unentbehrliche Eigen-
schaft für alle, welche sich in diesem Lande niederlaste» wollen.

Wistenschast und Erfahrung lehren, daß der menschliche Organismus
um so länger ohne Feuchtigkeit auszukommen vermag, je gründlicher vorher
der Durst gelöscht ist, und so suchen die Mitglieder deö Vereins sich an die
.Aufiiahiuc möglichst großer Quanta von Flüssigkeiten zu gewöhnen, um
nachher das Dürsten um so besser auShaltcn zu können. Für diese Hebungen,
die jeden Abend augestellt werden, hat man vorläufig ein leichteres Bier
gewählt, da der plötzliche Uebergaug zum Wasterconsum die schlimmsten
Folgen für die Gesundheit der Betheiligten hätte haben können. Dieser
liebergang bleibt einem späteren Beschluß Vorbehalte», doch ist dazu »ach
§11 der Statuten Einstimmigkeit aller zur Generalversammlung Erschienenen
erforderlich.

Wer dem Verein, der schon über eine Menge tüchtiger Kräfte gebietet,
beitreten will, wird gut thun, sich niit seiner Meldung zu beeilen, da schon
nach Ablauf weniger Wochen die Durst-Proben energisch begonnen werden
 
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