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Der Convent im rothen Kaufe.
—-4S«4» —
-.^it Recht Hai die „Post" daraus hingcwiesen, das; sich die Berliner
Stadtverordneten-Vcrsammlung zu einem revolutionären Convent nach dem
Muster von 1792 ausbildel, und die„Kreuzzeitung" droht bereits damit,
die Stadtvertretung polizeilich auszulösen und unter das gewöhnliche Ver-
sammln,lgSrechl zu stellen.
Cs ist auch die höchste Zeit. Die Schreckensherrschaft hat schon
begonnen.
Täusche 'ich niemand darüber, was die Anträge, neue Straßenzüge
cinzurichtcn, zu bedeuten haben. Mau will bei diesen Neupflasterungen
nur Material zu Barrikaden gewinnen. Schon ist Danton Heutig
gestürzt, und die Iacobiner von Berlin X und 0 halten bereits geheime
Zusammenkünfte in den Landen ab. die sic auf dem vom Magistrat ver-
pachteten Kartoffellande erbaut haben. Mit Schaudern bemerkt der
Ordnungssreund ihre unheimliche Thätigkeit; mit Hacken und Spaten
bewaffnet treten sic allabendlich dort an. und Robespicrre LangerhanS
läßt sie gewähren.
Schon ist ein städtisches Schlachthaus eingerichtet, wo das Blut in
Strömen sticht. Vorläufig übt man sich an harmlosen Vierfüßlern, aber
wie lange noch? Bald wird man die Geheimräthe in Wagenladungen
dorthin schaffen, und die allgemeine Abschlachtnng beginnt unter Leitung
des Stadtverordneten Fouguier Tinville Mayer.
Wimmeln nicht jetzt schon gewisse städtische, an der Spree gelegene
Institute von Sansculotten? Sieht man nicht dort einen schamlosen Cultus
des Nackten sich breit machen? Trinkt nicht jetzt schon der anscheinend so
gemüthlichc Weißbierphilister sein (Getränk mit roll,cm Himbeersaft gefärbt,
eine symbolische Handlungsweise, bezeichnend genug für den Blutdurst der
Massen! Und die Polizei, sonst so empfindlich gegen die rotyc Farbe. duldet
dies! Selbst der Magistrat läßt bereits seine Bekanntmachungen ans rothcs
Papier drucken. Wahrlich, cs ist weit gekommen mit uns! Victoant ooiwaler,'.
H u st a rr K r e y t a g. s-
Dir ist, o Vaterland, gestorben
(sin alter Meister hoher .sinnst,
Der um der Musen Gunst geworben.
Nie buhlend um der Großen Gunst;
Der als Gelehrter und als Dichter
Sich manchen Lorbeerkranz gewann,
Gin liebenswerther, wackrer, schlichter,
Fürwahr, ein echter deutscher Mann.
Der Socialdemokrat Molkenbuhr hat sich im Neichstag bei Gelegenheit
der Debatte über die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt
lebhaft dafür ins Zeug gelegt, daß es den Schiffsleuten ermöglicht werde,
am Sonntag den kirchlichen Gottesdienst zu besuchen.
Am Tage daraus erschien bei Molkenbuhr ein seiner schwarzgekleideter
Herr, der auf dem einen Fuß hinkte, und dankte ihm herzlich dafür, daß er
sich so besorgt um das Seelenheil der Schiffer gezeigt habe. „Wie sehr er-
freulich ist das in unserer Zeit, da die wahrhaft Frommen so selten sind!"
sagte der Fremde, indem er die Ofenthüre öffnete, um sich zu empfehlen.
Hüter Math.
-2KO-
Willst als Oberpräsident
Tüchtig du amtiren,
Darfst vor allen Dingen du
Niemals Zeit verlieren.
Alle Stadtbehörden mußt
Schars du überwachen.
Ist die Kap den Baum hinauf,
Ist nichts mehr zu machen.
Seufzend sprichst du dann: „Hier ist
Meine Macht zu Ende.
Selbst der alte Langerhans
Ist mir zu behende!"
Der Inder verbotener Bücher wird demnächst von der Jndercongregation
einer .Nevision unterzogen werden.
In Deutschland ist das Centrum bis jetzt mit löblichem Cifer in
derselben Richtung vorangegangen und hat das Strafgesetzbuch so revidirt,
daß seiner Einführung als ultramontaneS Erbauungsbüchlein nichts mehr
im Wege stehen dürste.

Die Zlmsturjvorlage.
Melodie der Nrenjpollia.
--


Seht einmal, da steht sie!
Seht, ich bitte, seht sie!
Ist es nicht ein wahrer Graus?
Sieht sie nicht abscheulich ans?
Garstig und voll Tücken,
Mit dem Kleid voll Flicken.
Die das Centrum draus gesetzt,
Sagt doch, wem gefällt sie setzt?
Nationalliberalc
Sind mit einem Male
Umgewandelt o wie sehr,
Wolln von ihr nichts wissen mehr.
Selbst Coi-servative
Sind zur Offensive
Halb und halb entschlossen schon
Gegen diese Schandpersou.
Und vielleicht am Ende
Selbst das Centrum fände,
Selbst das liebe Centruin gar
Hier und dort in ihr ein Haar.
Löbliche Negierung,
Uebernimm die Führung,
Schaff' an einen sichern Ort
Das bewußte Scheusal fort!
Zwei Schutzlcut' genügen.
Um sie wegzukriegen.
Was noch länger soll sie hier?
Packt die Trulle! Fort mit ihr!


Dem Staatsseeretär Or. von Stephan, der sich nach Eichenwald bei
Zittau aus die Auerhahnjagd begeben hatte, gelang es am 26. April, wie
die Zeitungen berichten, einen sehr starken Hahn zu erbeuten. In der
Begleitung des Herrn Reichspostmeisters befand sich, wie der Bericht hin-
zufügt, der Geheime Oberpostrath Henne. Da konnte es dem Jäger
natürlich an Glück nicht fehlen.
Als Keil zwischen Rußland und Frankreich soll Deutschlands Vorgehen
— nach der Ansicht gewisser diplomatischer Kreise — in Ostasien dienen.
Hat es nicht dort schon genug Keile gegeben?

Lin Pvivalpoliliker.
 
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