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Mus öern AukunftsstclUt.

ie socialdemokratische „Volksmacht" hat als wahrscheinlich hcrvor-
gehoben, „daß die körperliche Thäligkeit wohl ans nicht mehr
als vier Stunden täglich zu beschränken sein wird", sobald nämlich der
Zukuitttsstaat eingesühn ist. Das hat Bebel zwar schon längst gesagt,
aber Wahrheiten bleiben Wahrheiten, anch wenn sie wiederholt werden.
Indessen ist es nützlich, sich zn vergegenwärtigen, wie es möglich sein
wird, die menschliche Tbätigkeit aus das angegebene geringe Mas; herab-
znmindern, zumal auch die geistige Thätigkcit „aus nicht mehr als vier
Stunden für jeden Tag ausgedehnt werden dürste."
Wir müssen zu diesem Behuse die Darwinsche Entwicklungstheorie
hcranziehen. Die Zuchtwahl wird von staatlicher Seite geregelt.
Während früher im Kampfe nm das Dasein immer der Stärkere siegte
und demgemäß nur die stärksten Exemplare der (Haltung sich erhielten und
sortpflanzten, was die beklagenswerthen Unterschiede von Gescheit und
Dumm, vou Betrügern und Betrogenen, von Reich und Arm. von Gut
und Böse gezeitigt, hört dies alles mit einem Schlage im Znknnfts-
staate aus.
Man gelangt dahin, im Interesse der Allgemeinheit bestimmte
Typen zn züchten. Ta ist zunächst der Bersammlungsredner nöthig. Starke
Lungen, donnerndes Organ, großer Mund sind das Hauptenorderniß.
Gin solcher Mann mus; vier Stunden
hinter einander reden können.
Da sich auch Rednerinnen von
diesem Schlage finden, liegt es ans der
.Hand, das; man schließlich eine be-
stimmte Rednerrassc zur Verfügung
haben wird. Mittelst der Zuchtwahl
erzielt man Exemplare. bei denen der
Kopf — Gehirn ist ja nicht viel


nöthig zu drei Viertheileu aus dem Munde besteht und deren innere
Organe auf Kosten der Lunge fast verschwunden sind.
Man züchtet Schriftsteller — ein gewisser Stamm ist heute schon vor-
handen — die lediglich das schreiben, was Bebel gedacht hat. denkt oder
denken wird, man erzielt Menschen, die an der rechten Hand nur zwei
I-inger haben, also als Zuschneider oder Rcdacteure während vier Stunden
täglich beschäftigt werden können. Tie Hanptjorgc der Züchter wird aller-
dings darauf gerichtet sein müssen, in den verschiedenen Individuen den
Sinn für Faulheit und den Trieb
für Vergnügungen zn erwecken, da
eine freie Zeit von 20 Stunden täg-
lich allerlei Mißhclligkeitcn im Ver-
kehr herbciführen könnte.
Vorläufig haben die Partei-
häupier sich aber dem Problem
zugewandt, ein Pkenschengebildc
heranznziehen, das. mit riesigen
Händen zum Geldscharren ausgestatiei, jeder Bewegnngsfähigkeil ermangelt,
keine Beine besitzt und nicht riechen kann, mögen die entlaufenden Nickel-
stücke auch noch so sehr nach Arbeiter-
schweif; duften. Mau gedenkt dieses
Exemplar, das nicht weglaufen kann,
dm B^iner Genossen vorzustellen.
' >^. die auf dem Breslauer Parteitage
2000 Mark und mehr be-
zahlten Nedactenren und Partei-
^ beamten die Rcichstagsdiäteu ver-
weigern wollen. Ties Individuum hofft man bis zu dem angegebenen
Termine fertig zu kriegen und es als Parleikassirer allgemein einzuführen.

Uen Börlün üst eun Mann verklagt worden, wenl ör eunen andern
Mann „Antüsömüt" genannt hat. Wönn ör ühn aber „Lömül"
genannt holte, wöre ör wahrscheunlüch anch vörklagt tvorden. Daraus
örsüht man. wü schwör öS üst. öS dön Mönschen röcht s;n machen.
Dör aller Phnlosoplj.
Kohenpriesierlicher Stohseuf;er.
o j'NIIM. ch I um. jl'IIIIN.
'Run kommt anch P letten b e r g - M e h r n m:

Aus der „Zlebersicht der Kimmekserscheinungen
im Monat Hctover."
.... Gin Stern erster Größe am conservativen Himmel, der allgemein
für einen Fixstern galt, ist jetzt mit Sicherheit als Komet erkannt worden.
Gr hat sich mit rasender Schnelligkeit von uns entfernt und ist im Norden
überhaupt nicht mehr sichtbar. Vielleicht gelingt es aus der Sternwarte
zn Athen, den Flüchtling noch einmal zn erblicken. An der Stelle, wo der Stern
gestanden hat. erblickt man jetzt verschiedene Große Bären. Mit ihm ist die
zierliche Flora verschwunden, die bisher unter Nr. 8 in der Liste der Asteroiden
geführt wurde, und die trotz ihrer Kleinheit immer eine starke Anziehungs-
kraft auf den Entflohenen äußerte. An verschiedenen Stellen des conservativen
Himmels bemerkt man gewaltige Nebelflecke, die offenbar durch deu
Zusammenstoß von Gestirnen entstanden sind, lieber die Neubildungen, die
aus diesem Proccß hervorgehen werden, läßt sich noch nichts Bestimmtes
sagen. Verschiedene andere Sterne, die bisher weiß geleuchtet haben, zeigen
jetzt ein trübes röthliches Licht, ein sicheres Zeichen, daß sie in das Stadium
der Verschlackung eingetrctcn sind.
Rildliches.
Die „Krcnzzeilnng" meint: „Der Fortschritt der Menschheit ist eine
Leiter, deren Stufen durch schwere Kämpfe gekennzeichnet sind."
Das ist doch kein sehr glückliches Bild. Auf einer Leiter können sich
ja wohl ein paar Leute balgen, aber große Massenkämpfe lassen sich daraus
nicht ausnihren. Und wie werden die Stufen der Leiter durch die Kämpfe
gekennzeichnet? Mit viel größerem Recht könnte man sagen: „Der
Rückschritt in Preußen ist eine Hühnerleiter, deren Stufen durch den
vor kurzem flüchtig gewordenen Haupthahn der Gonscrvalivcn in bedenk-
licher Weise gekennzeichnet sind."

Paul Majunke, von dem man viele Jahre laug nichts gehört hatte,
tritt neuerdings als Politiker ans und beschäftigt sich mit der Zukunft des
GentrumS.
Pan! ist ans falschem Wege. Sein Fach ist nicht die Politik, sondern
das blaue Wunder, das stigmaiisirle Mädchen, die Grjcheinung ans dem
Pflanmenbaum und die Teufelsbannerei. Dieser Branche möge er sich
wieder zuwenden, dann wird er nützlich und erheiternd wirken, während er-
setzt nur anödet und Langeweile hervorrnft.

Director Genöe hat. wie die Zeitungen mitthcilen. das von Rich.
Anger und Leopold Gly verfaßte zweiactige Zeitbild „Vorwärts",
das am Vorabende und am Tage von Sedan spielt, zur Ausführung für
das Theater der Reichshallen angenommen.
Gigentlich war es doch nicht nöthig. den „Vorwärts" anch noch ans
die Bühne zn bringen.
Aus dem Luktu s Ministerium.
Der Gnltusminister l)r. Bosse wollte ursprünglich der Ginweihnng
des eben eröffneten Meteorologischen Instituts ans dem Brocken beiwohnen,
er hat dann aber, da seine Zeit sehr in Anspruch genommen ist, die Be-
sichtigung der Anstalt bis znm letzten April des nächsten Jahres verschoben,
wo ihn eine andere Angelegenheit ans den höchsten Berg des Harzes
^ führen wird.
I)r. Bosse hat ja immer an die Existenz des persönlichen Gottseibeiuns
geglaubt, aber er möchte sich doch einmal mit eigenen Angen von seinem
Vorhandensein überzeugen, und dazu bietet die Feier der Walpurgisnacht
auf dem Brocken die passendste Gelegenheit. t)r. Bosse wird sich allerdings
dem Höllenfürsten nicht persönlich vorstellen, denn die Gesellschaft, in der
er ihn dort oben trifft, ist doch gar zu gemischt. Gr wird, wie cs die
meisten Hotelgäste zu thnn pflegen, sich von dem Portier oder dem Haus-
knecht nach einem gedeckten Plätzchen führen lassen, von wo ans man das
interessante, wenn auch etwas wüste Treiben der höllischen Genossenschaft
unbemerkt beobachten kann.
Verschiedene Geheimräthe des Ministeriums werden ihren Ghef begleiten.
Einer von ihnen, der sonst in seinem Amte wie im bürgerlichen Leben ein
ganz ordentlicher Mensch ist. will noch immer nicht recht an den persönlichen
Teufel glauben, und seine Gollegen fxeuen sich wie die Kinder auf den
Augenblick, wo er starr vor Staunen erklären wird: „Ich habe mich geirrt,
er eristirt doch!"
 
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