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Koch, Alexander [Editor]; Fuchs, Georg [Editor]
Grossherzog Ernst Ludwig und die Ausstellung der Künstler-Kolonie in Darmstadt von Mai bis Oktober 1901: [ein Dokument deutscher Kunst] — Darmstadt, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.3770#0123
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120

Georg Fuchs—Darmstadt:

Tummelplatz der Jugend, eine Zufluchts-
Stätte liebender Pärchen. — Da, eines
Tages wurden die Thore ausgehoben,
Breschen gerissen in die alten Mauern,
unter Hü und Hott knarrten kotige
Wagen hinein, hochbeladen mit Steinen
und Hölzern — das zweite Idyll der
Mathilden - Höhe war vorbei. — Was
war geschehen? — Ein junger Fürst
hatte den Thron seiner Väter bestiegen,
ein Fürst, der »seine Zeit erkannt«
hatte und der wusste, dass die etwas
ärmlichen Tage der Romantik vorüber
waren, der wusste, dass wir nicht mehr
nötig hätten, die Schönheit nur in
unseren Träumen und in den träume-
rischen Erinnerungen und Denkzeichen
aus der Vergangenheit empfindsam zu
suchen, sondern dass wir selbst sie
schaffen könnten. Er selbst wollte
Werte schaffen, dieser junge Fürst,
und die Mathilden-Höhe war die Stätte,
wogenden Getreide-Felder und der im grellen welche er Denen als Ort der beginnenden
Gelb flammenden Raps - Pflanzungen; sie Wirksamkeit anwies, die Er sich als selb-
schlingen sich zwischen umhegten Landsitzen ständige, schöpferische Helfer an Seine Seite

PAUL BURCK—DARMSTADT.

Bildnis-Studie.

herab: Kleine Garten - Häuser lugen aus
den Bäumen und unten liegt die getreue
Residenz; die Essen dampfen, der Lärm der
Werkstätten tönt dumpf herauf, und vom
Turm der alten Kirche braust ein Abend-
läuten. So war es einmal dort oben in der
schönen »Biedermeier-Zeit«. Als aber die
»neue Zeit« kam, als die Eisenbahn - Züge
um den zauberischen Park rollten, als die
Stadt ihre Mauer-Fesseln sprengte und die
Schlag-Bäume und die Thor-Wachen ver-
schwanden, als sich die Strassen-Züge bis
auf die Höhe hinauf erstreckten, grosse
Fabriken in der Nähe zu qualmen anfingen,
da war es mit den lustigen Tagen vorbei.
Der Flof musste weiter hinaus gehn in die
Wälder, um Ruhe und Einsamkeit zu finden,
nach dem entzückenden Schlösschen Kranich-
stein, das zwischen See und Eichen-Wipfeln
an den Rand der unermesslichen oberrhein-
ischen Tief-Ebene hingelagert ist, oder ganz
hinaus in die weltvergessene, heimliche, kühle
Einsamkeit von Wolfsgarten.

So lag denn die Mathilden - Höhe: ein
Plätzchen für Philosophen und Dichter, ein

berief: den Künstlern vom neuen Geiste.

So kam es, dass die Mathilden-Höhe
ihren ursprünglichen Karakter und ihre alten
Garten-Gebäude verlieren musste, während

PAUL BURCK—DARMSTADT.

Bildnis-Zeichnung-

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