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Die Vielfalt der Möglichkeiten erweist, daß keine ein-
heitliche Ikonographie entwickelt wurde. Selbst für
die Verbindung von übergiebelter und verschließbarer
Aedicula mit der Andeutung einer ganzen Statue las-
sen sich offenbar Parallelen finden. Wie die anderen
Beispiele jedoch zeigen, konnte offenbar eine ganze
Palette unterschiedlicher, in verschiedenen Bereichen
wurzelnder Bildformeln (Halbfigur; Büste; Giebel;
Klappladen; Pilaster; Pulvini) wechselweise mitein-
ander verbunden werden, ohne daß wir die jeweilige
Bedeutungsnuance - wenn sie überhaupt so differen-
ziert wahrgenommen wurde - immer genau verste-
hen. Auch für das Relief des Septumius C i (Taf. 17a),
bei dem drei Halbfiguren nebeneinander in drei über-
giebelte Aediculen gereiht sind, stellt sich jetzt die
Frage, ob damit nicht doch mehr als eine Reihe von
Fenstern gemeint ist. Dabei könnten diese Aediculen
aber sowohl für einzelne Grabbauten als auch für drei
kleine Schreine stehen.

In gleicher Weise bereichern die elf Tondoreliefs die
üblichen Aussagen formal und wohl auch inhaltlich.
Sie erinnern an clipei127, sind aber stets eingetieft und
oft als muschel- (K 4. 5; L 21; O 72; Taf. 81b; 85a; 106a;
i33d. e) oder blattgeschmückte (L 21; Taf. 106a) Nische
ausgearbeitet128. Für die Tondi sind gleichfalls sowohl
>wirkliche< Büsten (J 16; K 4; L 4. 21; M 7. 9; O 5. 39;
Taf. 78a; 81b; 90b; 106a; 118c. d; i28d; I33e), wie auch
wenig glücklich eingepaßte Halbfiguren verwendet
worden, ohne daß sich diese Varianten nach chronolo-
gischen Gesichtspunkten ordneten. Die Rahmung
durch Lorbeerkränze (K 4. 5; L 4; O 5; Taf. 81b; 85a;
90b; i28d), ein Blattkymation (O 39; Taf. 133c)
oder einen Eichenkranz (M 9; Taf. n8d) heben den
Tondo noch einmal heraus129. Die vielfach durch die
Muschel ausgeschmückte Bildnisform wird vornehm-
lich seit der 2. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. auch auf
Grabaltären130 und Urnen131 verwendet. Mehr als
eine allgemeine Bedeutungssteigerung des Dargestell-
ten wird man diesen neuen Bildformeln jedoch kaum
zumessen wollen.

Zusammenfassung

Der zunächst formal und damit auch inhaltlich so ein-
heitlich wirkende Komplex der Reliefs wird also
durch unterschiedliche Motive variiert und offenbar
mit weiterführenden Konnotationen verbunden. Die
als Kürzel ganzfiguriger Statuengruppen angelegten
Bildfelder können als Fenster, aber auch als Aediculen
oder Schränke verstanden werden. Vor allem die in
Mode kommende >wirkliche< Büste verändert den
Charakter der Darstellungen. Gerade die clipei ma-
chen dabei deutlich, daß mit dieser Form die einzelnen
Bildnisse vollends voneinander isoliert werden, wäh-

rend sie vorher noch durch die dextrarum iunctio eine
Verbindung miteinander aufnehmen konnten. Ande-
rerseits erlaubt die >wirkliche< Büste - wenigstens für
uns - Assoziationen mit der Tradition der imagines
maiorum, die durch eine rahmende Architektur unter-
strichen werden. Aber auch die Halbfigurendarstel-
lung kann sich diesem neuen Rahmen anpassen. So
erschwert ungefähr ab mittelaugusteischer Zeit die
Vielfalt der möglichen Bezüge und Verbindungen oft
eine konkrete Deutung der einen oder anderen Bild-
form. Man muß sich auch rückschauend fragen, wel-
che der inhaltlichen Verständnismöglichkeiten schon
in der ursprünglichen Form enthalten waren, für uns
aber nicht zu entschlüsseln sind und erst mit den ver-
änderten ikonographischen Mitteln sichtbar werden.
Aussagen wie >Statuenersatz<, >Fenster-Gucker<, Bü-
stengalerie, imago clipeata und >erstes Bildnis einer
Ahnenreihe< konnten offenbar mit unterschiedlichen
Mitteln, zu unterschiedlichen Zeiten und vor allem
auch in sehr unterschiedlicher Häufigkeit und Ge-
wichtung durch die Reliefs vermittelt werden.

127 R. Winkes, Clipeata imago (1969). Der griechische Ursprung
des Clipeus-Bildnisses wurde zu Recht wieder von G. Neumann
betont. AM 103, 1988, 22iff. bes. 2joff.

128 Glatt: J 16; M 7. 9; O 4. 37.

129 Zu diesen und weiteren Motiven auf den Reliefs s. auch die
Katalogtexte.

130 D. Böschung, Antike Grabaltäre aus den Nekropolen Roms
(1987) 34. 48 mit Beispielen ab flavischer Zeit. Vgl. aber besonders
den augusteischen, sehr ungewöhnlichen Altar des P. Cordius
Cissus 112 Nr. 938 Taf. 54, den Böschung auch mit unseren Reliefs
verbindet. - D. E. E. Kleiner, Roman Imperial Funerary Altars
with Portraits (1987) 37h und passim. Zum Altar des Cissus ioif.
Nr. 4 Taf. 3, 2-4 (datiert 2. Viertel des 1. Jhs. n.Chr.). Dort auch
der frühkaiserzeitliche Altar des Ti. Iulius Primus in der Villa
Caelimontana 98h Nr. 2 Taf. 2. - Für Oberitalien vgl. Pflug a.O.
(s. Anm. 101) 6jf.

131 F. Sinn, Stadtrömische Marmorurnen (1987) 65F mit Beispie-
len ab der 2. Hälfte des 1. Jhs. n.Chr. Die von Sinn festgestellte
Bevorzugung des Muschelmotivs für Frauen trifft für die Reliefs
nicht zu: K 4; L 4 (Mann und Frau); K 5 (Mann); L 21 (zwei Män-
ner); auf L 21 eine Frau im Blattkelch.

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