Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
den Statuen und ganzfigurigen Reliefs oft deutlich
sichtbaren Merkmale (runder Saum, lacinia) hingewie-
sen, die diese Gewänder als gerundete Stoffbahnen
eindeutig von den eckig geschnittenen griechischen
Himatia unterscheiden138. Darin ist ihr die jüngere
Literatur allgemein gefolgt, auch wenn die Monu-
mente selbst die Unterscheidung nicht immer zwei-
felsfrei erlauben. Man wird sich außerdem fragen müs-
sen, warum zunächst die Eigenart der Toga - ihr
runder Schnitt - nicht so deutlich wie später hervor-
gehoben wurde. Es scheint ja kaum denkbar, daß die
gerade zu Bürgern aufgestiegenen Liberti, die viel-
leicht sogar selbst aus dem griechisch sprechenden und
sich griechisch kleidenden Osten kamen, sich bewußt
als graeculi darstellten. Dies mag an den statuarischen
Vorbildern gelegen haben, die tatsächlich wie die
Frauenstatuen auf hellenistische Vorbilder zurück-
gegangen sein könnten (s. u.)139.

Bereits im i. Jh. n. Chr. hat die in der späten Republik
noch übliche, eng um beide Schultern gelegte Toga
Befremden hervorgerufen. An Äußerungen antiker
Autoren läßt sich zeigen, wie diese Art der Bekleidung
allmählich aus der Mode kam. Um die Mitte des i. Jhs.
v. Chr. erwähnt Cicero die bracbio cohibito getragene
Toga noch als eine selbstverständliche Tracht140. In
augusteischer Zeit muß sich dagegen Seneca schon aus-
drücklich daran erinnern, daß es in der Generation
vor ihm noch üblich gewesen sei, als junger Mann den
Arm in der Toga zu tragen141, man zu seiner Zeit also
den Arm offenbar frei trug. Quintilian schließlich
kann am Ende des i. Jhs. n. Chr. die ihm nun schon
völlig fremd gewordene Anordnung der Toga nur
noch im Vergleich mit griechischer Tracht verste-
hen142. Diese Assoziation hat unter den Archäologen
M. Bieber aufgenommen. Im Gegensatz zu ihr hat-
ten die antiken Autoren jedoch keinen Zweifel
daran, daß es sich trotz des ungewöhnlichen Aus-
sehens um die Toga - wenn auch in altertümlicher
Form - gehandelt haben müsse. Erstaunt waren sie nur
darüber, wie ein Redner in dieser Tracht die von der
Rhetorik empfohlenen Gesten mit der Rechten aus-
führen sollte. Est aliquid in amictu, quod ipsum aliqua-
tenus tempore condicione mutatum est. Nam veteribus
nulli sinus, perquam breves post illos fuerunt. Itaque
etiam gestu necesse est usos esse in principiis eos alio,
quorum bracchium, sicut Graecorum, veste contine-
batur143.

Die Denkmäler zeigen aber neben der Toga bracbio
cohibito auch eine andere Form, die den rechten Arm
und die rechte Schulter frei läßt und mit schrägem
balteus über der Brust ansteigt. Schon G. Hafner144
hat gesehen, daß es sich dabei nicht um eine spätere
Variante mit größerer Stoffülle, sondern nur um eine
andere Drapierung der Toga handelt, die durch die
Handlung bedingt wird. Am deutlichsten wird das

zeitliche Nebeneinander dieser unterschiedlichen Tra-
geweisen am Beispiel von zwei Friesen, auf denen
beide Möglichkeiten dargestellt sind. So zeigt ein um
50 v. Chr. entstandener Fries vom Forum Boarium145
mehrere Tibicen, die die Toga in der offenen Form tra-
gen, während daneben einige Togati stehen, die den
Arm in die Schlinge gelegt haben. Von den vier noch
erhaltenen Liktoren tragen schließlich zwei oder drei
die geschlossene, einer gewiß die offene Toga. Das
gleiche gilt für die Ara Pacis. Auch auf ihren Friesen
sind Träger der offenen und der geschlossenen Toga
nebeneinander zu sehen146. Die offene Form wird
dabei jeweils durch eine Geste des rechten Armes
begründet, und in einem Fall scheint sogar wieder-
gegeben zu sein, wie sich das Gewand gerade
öffnet147.

Auf Reliefs, auf denen meist szenische Zusammen-
hänge dargestellt sind (z. B. Opfer oder Gespräch),
sind deshalb auch die meisten Beispiele für die offen
getragene Toga zu finden. Für die repräsentative Sta-
tue, wie sie auf einem öffentlichen Platz oder an einer
Gräberstraße stehen sollte, eignete sich dagegen mehr
die möglicherweise als würdevoller verstandene Form
bracbio cohibitom. Die wichtigste Ausnahme bildet

138 Bei folgenden hier behandelten frühen Reliefs ist die lacinia
gut sichtbar: B 1; O 25. 30. 48. 57. 59-61; Taf. 10a; 128b; 132b;
136a. d-f.

139 In einer Art Kompromiß schlägt Goette 24 als Deutung vor,
daß »durch die einem griechischen Mantel ähnelnde besondere
Drapierung der Toga zugleich auch die Teilhabe an der Welt der
griechischen Kultur« demonstriert worden sei. Anders Hafner
a. O., der die griechisch beeinflußte etruskische Tradition betont.

140 Cic., Cael. 5, 11 (56 v. Chr.).

141 Sen., Contr. 5. 6. - Seneca (55 V.-40 n. Chr.) muß sich auf
früh- und voraugusteische Zeit beziehen.

142 Quint., Inst. XI 3, 138.

143 Ebenda.

144 a.O. 41. - Ebenso Goette, bes. 25.

145 H. Fuhrmann, MdI 2, 1949, 27 Taf. 9; I. Scott Ryberg,
MemAmAc 22,1955,36h Taf. 9 Abb. 19a; B. M. Felletti Maj, La tra-
dizione italica nell’arte romana (1977) i8jf. Abb. 63a. b (mit älterer
Lit.); T. Hölscher, Gnomon 53, 1981, 68 (zur Deutung als Pompa
Circensis).

146 E. Simon, Ara Pacis Augustae (o. J. [1967]) Taf. 13. 16. 17. 19.
Simon 21 erklärt diese Unterschiede mit dem Streben des Künstlers
nach varietas. - Vgl. Goette 25.

147 Ebenda Taf. 16, 2.

148 Vgl. dazu die von Goette 22ff. io7ff. aufgelisteten Beispiele
einschließlich frühaugusteischer Zeit mit schrägem Balteus (offene
Form; Liste A a): 23, davon 7 Statuen, 4 erst augusteisch; >brachio
cohibito< (= Pallium- oder Manteltypus; Liste A b): 119. - Diese
Zahlen sind gewiß repräsentativ, auch wenn die Listen z.T. ergänzt
werden könnten und manche Datierung zu diskutieren bleibt. In
diesen Listen sind außerdem die hier behandelten halbfigurigen
Reliefs nicht enthalten, die die Gewichtung noch einmal sehr
zugunsten der geschlossenen Form verschieben.

16
 
Annotationen