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Kuchen (G 9; M I. 2; Taf. 42c; ma. c) zustecken. Für
sie gerät sogar die ansonsten peinlich eingehaltene
strenge Symmetrie durcheinander und die Erwachse-
nen geben ihre steifleinene Haltung auf. Trotz aller
Schwierigkeiten des Bildhauers, mit solch einem un-
gewohnten Auftrag zurecht zu kommen, empfindet
man plötzlich ein Gefühl von menschlicher Wärme
und Zuneigung (M I. 2; Taf. ma. c). Die zweite Fas-
sung von M 1 (Taf. ma) zeigt im Vergleich zur ersten
(Taf. mb) auch ganz deutlich das zunehmende Bemü-
hen, für Herzlichkeit und Intimität neue Bildformen
zu finden. Wir wissen nicht, ob in diesen Fällen die
Kinder bereits vor ihren Eltern gestorben waren, viel-
leicht sogar die Trauer über ihren Tod den Bau des
Familiengrabmals veranlaßte465. Eine neue szenische
Ikonographie für die Darstellungen von familiärer
Vertrautheit hat sich aber auf jeden Fall nicht durch-
setzen können. Diese >bewegten< Reliefs bilden das
Ende der Gattung, die, durch ihren Entstehungspro-
zeß bedingt, geeignet war, Status und Repräsentation
in Bilder zu übersetzen, nicht aber menschlichen Be-
ziehungen und Gefühlen den angemessenen Rahmen
zu bieten.

Abschließend sollen noch andere dekorative Elemente
erwähnt werden, die die üblichen Aussagen der Reliefs
in anderer Weise erweitern466. Dazu gehören bei den
Tondi die Muschel- (K 4. 5; L 4. 21; O 72; Taf. 81b;
85a; 90b; 106a; i38d) oder Blattkelchform (L 21; Taf.
107a. b), der Kranz aus Lorbeer- (J 14; K 4. 5; L 4.
21 [?]; O 5. 39; Taf. 77a; 81b; 85a; 90b; 106a; i28d; 133c)
oder Eichenblättern (M 9), und schließlich zusätzliche

Figuren wie Eroten (K 4; Taf. 81b) und Viktorien, aber
auch Adler (M 7; Taf. 118c). Sie führen in die sonst aus-
schließlich auf das Diesseits bezogene Ikonographie
neue Elemente ein, die den Toten über die Sphäre sei-
ner bürgerlichen Repräsentation erheben sollen. Die
meisten Symbole können noch als einfache Bedeu-
tungssteigerungen gedeutet werden, ohne daß bereits
an Apotheose- oder Jenseitsvorstellungen gedacht
werden müßte. Nur Bennia Musa (L 21; Taf. 107a. b)
ist offenbar mit Früchten als Opfergaben dargestellt,
so daß auf diese Weise ein Bezug zum Totenkult her-
gestellt wird. Diese Zusätze gehören jedoch alle in die
Endphase der Reliefproduktion und werden z.T.
schon aus dem Dekorationsrepertoire der Urnen und
Altäre übernommen, die die Reliefs als Grabmonu-
mente ablösen sollten. Bezeichnenderweise finden sich
diese Gestaltungselemente ausnahmslos auf Reliefs,
bei denen die ursprüngliche Kastenform durch den
Tondo und der Körperausschnitt durch die >wirkliche<
Büste ersetzt wurden. Beide Darstellungsmittel ver-
ändern bereits den ursprünglichen Charakter des hier
behandelten Materials und weisen damit auch selbst
schon über die eigentliche Konzeption deutlich hin-
aus.

465 Vgl. auch hier wieder die bei Fahre 199h zusammengestelhen
Inschriften, in denen der Tod der geliebten Kinder betrauert wird.

466 Zum Folgenden ausführlich im Katalog bei den einzelnen
Reliefs.

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