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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1847 (Nr.25-36)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1498#0045
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Verbmdung mit der zu gleicher Zeit beliebten schneeweiffen Uebertünchung,
einen wahrhaft blendenden Effect zu-vege brachlen. Den gemallen Fenstern
des Chores, welche, nach den in den Kcönungen dcrsclden hiec und da noch
zurückgebliebenen Fragmenten zu urtheilen, elwas aller gewesen waren, hatten
bcreitS die Aufklärer des !8. Jahchundert« den Garaus gemachk und zum
Ersatze ein halbes Dutzend Rococo-Alläre allsgeßaxelt.

Meisterhaft ausgeschnitzte Chorstühle und ein mit einem durchbrochenen
Baldachin überdachtfc Dreisitz rechls vom Hochaltace, dir zu dem Aierlichsten,
Rcichsten und Edclsten gehören, was das in solchen Arbeilen so überaus pro.
ductive 1g. Zahrhmrdert uns hinterlassen hat, sind nebcn manchem anderen
Merkwürdigen an Grabmälern, Basrelifs, ir.sbesondere einer recht schönen
gothischen Orgelbühne, Kanzel u. s. w., wchrscheinlich au« Mangel an kauf-
lustigen Liebh bern, der Kirche bis heran erhalten geblieben. Daß übrigens
AUes durch Sorglosigkeit und Ungeschick vielsach gelitten hat, draucht wvhl
nicht erst bemerkt zu werden.

Bei solcher AuSstaltung versteht «s stch s« zu sagen schon von selbst, daß
auch Lie Malerkunst nicht zurückgebliebm war, zumal die großen Wanoffä-
chen ihr einen so bedeutenden Spielraum darbolen. Di« jüngst im Jnnern
der Kirche begonuenen Restaurations-Arbeitm haben dmn auch in der Tbat
diese Vermuthung zur G-wißheit erhoden. Wo nur immer die Tänchkruste,
welche die letzten Jahrhundette auf die Wände abgekagerl haben, sich ablös't,
treten Farben, Formen, Sprüche hervor. Grvßentheils sind es leider nur
Fragment«, deren Sinn, Dank der Eilfertigkeit, womit daS Kratzeisen odee
die Kelle dieSmal oder ftüher schon darüber hinfuhr, für immec vielleichk
ein Räthsel bleibt; nichtWeniges dagegen «acht noch, «mngteich es aus dem
großen Zusammenhange herausgerissen ist, den Eindruck «ines Kunstwerke«
und bietet ni l t blvß ein historisches, sondern auch «in ästhetisches Jnteresse
dar. So sah ich hinter «inem der gedachlen Rococo-Altär» noch einm bedeu-
tenden Theil der Jagd des h. Hudertus, an einem der Pfeiler, welch« die
Hauptkirche von dem Seilenschiffe trennm, einen knieenden Donator in
schwarzcc rittcrlichcr Trachk dcs 13. Jahrhundtrks, ü'er dcmftlben dos schwa-z
und weiß geschachte sponheim'sche Wappm, links vow Hochaltar«, um das
alS Nische in d!e Wand gelegte Sacrammtshäuschen herum, Engel m!t
Spruckbändern, TeppichgrLndc, Bmchstücke vvn Gliedern, Gewändern u. dgl.
mehr, welches alles durch ein sorgfälligeS Abl-ftn der Tünche noch bedeutmd
niehr ins Klare gestellt werden zu kinnen scheint.

Bei Weitem oer vollständiast« und merkwürdiKst« Rest d«r alten Gemäld»,
womid vffmbac sämmtliche Wände bedeckt »aren, befindet sich aber an der
nördiichen Wand des Hauptschiffes. Oderhalb und zur Seile der hier befind-
lichen gothischm, gleichfalls bemaltm Kanzel rollt stch eine Reihe von Dar-
stellungen auf, welche mir berechkigt zu sein scheinen, einen Ehrenplatz in un-
serer rheinischen Kunstgeschichte in Bnspruch zu nehmm. Obechalb der Kanzel,
etwa in der HListe der Wandhöhe, ziehen sich, auf Horizontal-Linim aufge-
reiht, zwei von der Linken zur Rechten laufmde Serien durch brrite Striche
eingerahmter Bilder von ungleicher Größe hin, auf wslchen die Figuren die
ungsfähre Größe von zwci Fuß haben mözen. Dcr vbeistcn Seri« geht nock,
folgende Darstellung voran, dereu dedeurmde Diminsivnen mik dmen der dei-
den Bilderreihen in keinem Verhältnisse stehm, «i» denn überhaupt Ler
Künstler hinsichtlich der Raumvertheilung sich an keinerlei Rücksicht auf Sym
metrie gebundm zu haben scheint. Ein Rirter, der «in Panier in der Rechren
hält, kniet vsr einer Madonna mrr dem Jesuskinde, welche in der Luft zu
schwebm scheint und mindestens Lebmsgröße hak. Hintcr dem Ritter find
sechs große Wappen in zwei Reihm von je drei mit Helmschmuck aufgc-
reiht. Jrre ich nicht, so flnd auf dem Paniere »och Spuren eines Löwen
sichtbar, «as deffen Trägec als ein Glied der mLchtigen bopparder Ritter-
familie, der Bayrr, bezcichnm würde. Die Wappm hinter dem kniemden
Ritter (zweifelsohnc der Donatvr dieser Gemälde) beziehen sich wohl auf
dessen Ahnen und flnd drei derselben als die Wappen der Mohr (Moir),
der Vinclin und dec Eich (H-rrm zu Olbrück rc.) ganz woh! erkennbar.
Gleich untcrhalb dec Fahne sieht wan eine Jnschcift, von welcher ich die
Wvtte kesen kcnnter <Iit cvnrl ^eiiinelit <!<>.... Loli>iiA i). >>.

«6006VII. (l tU7 ) Demnächst degjnnl, wie schon gejagl, die erste Reihe
dcr fortlaufenden, paralellogrammacisch cingerahmtcn Bilder, rvelche sich so,
fort sämmtlich, mit alleiniger Ausnahme des Schlußbildcs, durch die dacüber
befindliche Ueberschrift: 8. Llexius, als Darstellungen aus der Geschichte
diefts Heiligcn ;u erkmnen gebm. Jn jeber Reihe sind 6 bis 7 Scenen
abgebildet, von denen einige noch nichr ganz unter der Tünche hervorgetreim,
andere sv beschädigt sind, daß ich sie nicht sofort zu deulen vermochie. Die
meist-n jedoch sind nöch ganz nohl «rhalten. So si>hr man u. A. in drr
ersten Reihe auf Tcppichgrund dm Hciligen mit einem Stabe in der Hand,
einem Armcn Almosen spsndend. Vor ihm stehen zwei ^igurm in langen
Prachkgewändern mil Schnabelschuhen. Dann weiler ein Wchiff, durch hoch
gehende Wogen hinsegelnd: der h. Alexius sitzr neben drm Segel und scheint
dic Wcllm zu beschwichligen, währmd einc zweice Figur das Simecruder
führt. Jn vem darauf folgenden Bildc sehen «ir deu Heiligen aus sinem
zinnengikrönten Thurme hervorragen, an «elchen sich der Chor einec golhr-
sch n Capelle anschließt. Demnächst ist derfelbe unter cinem Baume sttznid
dargestcllt, eine Brt von Schale vor stch Hinhaltend, in welche «ine mann-
liche Figur etwas hinein zu legen scheint; endlich als Schlußbild der erstcn
Reihe wiedrr Alcxius auf dcm Mcrre, genau so dargestellt, wie auf dem
zuvor beschciebmen Bilde. D s eine dieftr Bildec stellt den Heiligm aus
ftinem Vaterlande we.ziehend dar, das zweire, wie cr in dasftlbe zurück
reisst*). Man sieht, der Künstlcr hat seine Producrionskrast nichi in unnö-

) Die Geschichte dcs h AleriuS ist lur- folgende: Tein Aaker war ein rcicher
Senator rn Rom; früh schon suchte er fich durch Almoftngcben einen Schatz
zu büden für die Twigleit. Tetnedcn von der -chnsucht nach Höhcrem, ver-
ließ er ftine Reichthümer, die ihm eben augetraute Braut und seine Heimat,
und zog über Meer in ein fernes Land, wo er fich in einer Hütte, nahe bei
einer der heiligen Jungftau geweihten Kirche, niederließ. Als er fich hier ei-

thige Äosten versetzen wollm. Die erstm Bilder der zwei'ten Reihe gehö-
rm zu den stark beschädigten, so daß ich dieftiben in drr Entfernung, aus
welcher ich sie nur fthen konnte, nichk zu enlziffern vermochle. Ein folgen-
bes Bild zeigt den Heiligen mit dem Pilgecstade in der Küche feines elter -
lichen HauseS, voc ikm am Kamine ein Koch mit aufgehobenem Löffek.
Demnächst folgt der Tod des aus eiuer Stcohmatk unter einer Treppe hin-
qestreckkm H.iligen. Ein Engel führt seine Seele (in Gestalt eines nackken
Kindes) nach oben. Vor dem Sterbrndm steht ein Papst mit der Tiare,
nebst vi'er Pecsonm, zwei weiblichen und zwei männlichen, von welchm letz ,
lecen ein« das Papstkceuz HLlt. Dis übrigen stellen zweifrlsohne die Eltern
und die Braut des h. Alexius dar. Das nächstc Bild ist das Begräbniß
des Heiligm. Sechs Männer tragm die mit einem rothm Teppich über»
dcckte Bahre, «elche der Papst vom vorherigen Bilde nebst zwei Begleitern
vor einer Kirchenthür in Empfang nehmm; d«i Leidtragend« folgen ke»
Sarge: ein Mann in reicher Lracht und zwei Frauen, wieder die Elter»
uad di» Braut des h. Alexius. Das nächste Feld zeigt »inm golhischen
Reliqumkastm, auf eknem Lische stehmd; mehrece unverhLltnißmäßig kleine
Perssne» knieen um denftlbm herum. Jn dcm Schlußftlde endlich sind
zwei aufrecht stehende Heilige, von welchm der eine in bischöflicher Tracht,
abgebildet, und liefft man darüber die Aufschlift: 8. rdobnlsu^ 8. l-eonsr-
<ttz«. Unterhald dieftr Bilderreihm, links von der Kanzel, ist noch eine sehr
fijuemrei'ch« Composiiion, unter golhischm Accadm cmf blauem Grunde ge-
malt, hervorgetretm. Man sieht ein Drustbild der allerseligstm Jungftau
«ic d«m Kinde, in der Luft schwebend; damnter sitzt auf einem Throne ein
Heiliger, vor welchem sieben Fiquren, gleichfalls mit Heiligmscheinen, theils
kniem, theil« aufrecht stehen. (Vietteicht die Crnonrfation' des h. Llexius ver-
stnnlichend?) Links von dieftm Gemälde sind Wappen in grpßer Zahl zum
Bo«sche!n gekommm, »elche auf concmtkisch läufen:e BZnder sich ausgetra-
gm finden. Etwa die Hälfte derseldm ist zur Zelt sichibar, und bcfinden
sich dsmnter die Wappm der Schonenberg, der Brömser, Löwenstein, Cle-
bs,.-, Reas, OlrSperg, Strrnberg. Falkensteln, Langenau, Waldeck, Schcncck
Lahrstein, de Ryme, Reiffmberg u. s. w. Bekanntlich war die Stadt Bop
pard sehr reich an adeligm Geschlechtern, welche ursprünglich als Ministe-
riälm zu dem dortigen Königshoft gehört hatten.

Leider war mir eine nähere Untersuchung der angeführken Kunstwerke,
»elche in technischer Beziehung eine Meisterhand beküridm, nicht möglich.
Die vorffehmdm Lndeuiungen »erden indeß bei aller Lückmhastigkert doch
schon gmügen, um den Wunsch zu rechiftttigen, daß man mit der größten
Sorgfalt über dirft Entdeckungm wachen und so viel nur immer thunlich,
dävon erhallen mög«. Hältm wlr den Boppardern einrn Rath zu ertheilm,
so «äre «s der, den Conftrvator des kölnischen MuftumS, Herrn Ram-
bdux, um den ftim'gen anzugehen und ihm die Anvrdnung und Leitung der
Restauration jener Wandgemälde zu übertragen. Eine competcntere Stclle,
in theoretischer wie auch in praktischer Beziehung, dürfte wohl schwcrlich
susfindig zu mackm seln.

O»gl«ich kein Grnnd vorhandm ist, zu bezveiftlch daß die Restaurakivtt
der Carmelit«rkirche in archik«ktonischer B-ziehung zweckmtsprechmdaus-
fallen und das Lehrgeld, welches an der bopparder Pfankirche und der Licb-
frdusnkirche ju Oberwcftl b-zahlt worden ist, nicht verlvren sein wird, so
kann Einftnder es stch koch nicht versagen, selbst auf die Gefahr hi», ekwas
gänz UeberflüssigeS zu ihun, noch einig« kurze Bemerkuugm in jenec Be
jfthmig hier folgm zu lasftn. Die Altaraufsätze zu beidm Seitm des
Choreinganges stnd zugleich so flylwidrig und so störend, daß ihrc Beftiti-
gunq nuc gewünscht »erden kann. Statt derftlben könnte man elwa Taftln
mjt gvthilcher Holzschnitzerei, nach Art der in dem Heiligenhäuschen an der
Nprdftile des Chores befindlichen, anbringen, falls man es nichr eiwa vor-
zichm ftllt», Lie hier «inen Winkel bildmdm Cho-stühle in geradrr Richtung
aiifjustellm. Auch dis beidm Hochaltäre im Haupt- und im S-itmschiffe
wrrkm mit ihrer Rococo-Prachr nichks weniqcr alS wohlthätig. Der im Ne-
beyschiff aufgestellre, aus der Pfarrkirche hieher transporkirte, wäre wob! am
zweckmäßigsten derftlbm zn retra-ircn, d,r eigmrliche Hauptaktar dagegin nkcht
chec zu beseitigm, als bis die Mikkel vorhanden sind, das tahinter befindliche,
zügemauette Chorfmster wieder zu öffnen und dasselbe mit stylge-
mäßen Glasmalereicn zu verschen, welche auch dm beiden Fen-
st-cn jur Seire sehr n»th thäten. Auch in dieftr Beziehung könnte Herr
Ramboux am besten Rarh ertheilm. Dit Glasmalcreien müffen keineswegs
kostbar sein, wenn sie schön sein sollen; im Gegenlheile isi hiec zu qcoßrr
Fvrmen- und Farbmrcichthum noch mehr zu vermeidcn, als das Gegenkherl.
Man nchme sich darum aber ja riichk di- dunten Fenster im Chote der Äar-
tinskirche zu Bingen zum Muster, wo großr, sünfftitige Scheiben von wahr-
häft giftig qefärbten Hüttengläftrn alle Harmome zerschreicn und platterdings
njckr anzusehen flnd.

Die innere Färdung der Kirch: möge so gedämpft alS möglich, etwa
unter B-nutzuug der untcr der Tüncke wieder 'hervocqetriehmkN Motive ge-
halten werdm. Wmn. was gewiß zu wänschen kst, dre Wandgemäld«'in der
N>ihe der Kanzel restaurirt wirden sollten, so muß natürlich der Ton der
Wände danach sich rickten. All-s frührr polychromatisch vehand.lke Ge-
räthe, wie z. B. die Orqelbühne, die Kanzel, ein schönes Muttecqvtttsbild
aus dcm 16, Jalirhunoert an einem Pftilcr in der Nähr d>r Orgel u. s. w.,
müißte wieder ganz ebm so hrcqeffll! werdm, aber ja nicht mit O<I-, son-

karmt sah, zog er wieder zurück in seine Heimat und kam alS Pilger verklei-
det in sein elterliches SauS, wo er unerkarmt als Bettler die Unbilven des
Gefindes und jede Enibehmng ertrug. E,st bei ftinem Tode gab er fich sei-
nem Vater zu erkennen. Aus dem aoentinischen Berge bci Rom wurde cr ber-

i gesetzt (im Zahre 4,7» und später heklig qesprochen Jm Zahre 1216 wmde

, der Korper des Hetligm dort wiever ausgefnnden und mit allen Ehrcn umge-

^ bcn Der h. Alerius gilt als ei» scitcnes Muster der Demuth imd Welt-

verachtung, und war sein? Geschichte qewiß ein übcraus paffendcr Gegenfland
znr Ausschmuckmg einer Klosteikirche.
 
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