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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1847 (Nr.25-36)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1498#0044
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Uch ist ss der germanische TUst, der all« diese einzelnen Slemente des ver-
schiedenartigen Schönen mit dem Hauche eines frischen Lrbens anweht und
st- mit der ganjen Jnniqkei't selner Liebe ;u harmonischem Eknklang und
künstlerischer Dollendung zu erhebm strebk- So mögen wir den romantischchi
Slyi die schönste Nachblüihe der gesammten classtschen Baukunst nenneq,
und «s deschleicht dm Betrachten.en fast eine Rührung, daß auch diese letztt,
schönste Kunstblüthe der alten Welt verwelken mußte. Aber eine neue Zejr
war angebrechen, ihr Aiel lag vor, nicht hinter ihr, unaufhaltsam, gewalttz
und vieifach gewaltthätig ging sie ihren Siegesschritt, und nur das noch konnse
fürdec gederhen und wachsen, was ganz und gar in den Gefühlen und Empfin-
dungen der neuen Zeit, in dem Herzen des germanischen Volkes wurzelkt.
Die Wurzeln des romanitchen Styls aber lagen nicht hier; sie lagen in den
vorchristlichcn Anschauungen der Griechen und Römer; und so wußte der
romanische Styl sterben, wie schön er gewesen und wie liebend er gepflegt
worden, eine fremde Pflanze in unserem heimischen Boden. Der Baustyj,
der sich üder dem Grabe des rvmanischen erhob, war der — deutsche.

Sind wir auf diesem Wege der Andeutung über den vordeutschen Kij-
chen-Baustyl bis ;u dem deutschen Skyle selbst gelangt, so werden wir da»
eigentliche Wesen dieses Styls am leichtesten und sichersten begreifen, »enn
wir der Quelle näher treken, welchec der deutfcke Styl entflvssen ist. Als diest
Quelle haben wir den GermaniSmus zu bezeichnen, d. h. diejenige Orga-
nisation de« menschlichen Geistes und Gemüthes, die den germanijchen Stäm-
men «igenthümlich ist und die, unter dem Einflusse deS Ehristenthums, jenes
Bildungs-Element in die Welt brachte, welches wir das christiich-germaniM
nennen. Wir sind nicht blind gegen ben Mißbcauch, der besondcrs in der
letzteren Zeil mit dicsem Christlich-Germanischen getrieben worden !st, und eincki
heilig-bedeutungsvollen Namen durch Unverstand und Affectationen mancher Arf
fast biS zum Lächerlichen enlweiht hat. Ader es würde der Unbilde eine Un-
bilde zufügen heißen, wenn wir, um dieses Mißbrauches willen, wenigei
dankbar und bereitwillig das große Geschenk verehren wollten, das in deni
chiistlich-g'rmanischen Bilduvgs-Ekemente, 'n ber Derenrigurg des Eb,'st-ni
thums mil dem Germanismus, der Menschheit gemacbt worden. ,,Die chriB
liche Relegien", sagt A. W. von Schlegel, „hat die erschöpfte und veft
sunkene alte Welt wiedergeboren; sir ist das lenkende Prineip in der Geschichlf
der neueren Bölker geworden, und ncch jetzt, da viele ihrer Erziehung cnt-
wachsen zu ftin wähnen, werden sie in dec Ansicht aller menschlichen Dingf
weir mehr durch drren Einfluß bestimmt, als sie felbst wissen. Nächst denj
Ehristenthume ist di« Bildung Europa'S seit dem Anfang des Miktelalte-s
durch die germanische Stammesart der nordischen Eroberer, welche in eis
ausgearteteS Menschrngeschlecht neue Lebensregung brachien, entschieden wor?
den^ Die strenge Natur des Nordens dranqt den Menschen mehr in sich
selbst zurück, und was dec spielenden, freirn Entfaltung der Sinne entzogeij
wird, muß bei sdeln Anlagen dem Ernst des Gemüihes zu Gute kommen
Daher die biedere Herzlichkeit, womil di« altdeucschen Bölkerschaften daS Ehri
stenthum aufnahmen, so, daß es nirgends so tief ins Jnnere gedrungen ist
sich so kräftig, wirksam bewährt, unb mit allen menschlichm Gefühlen vecj
webt hat." Ünd in der That, es gehört nicht pcsttiver Glaubc, e« gehört
nur Aufrichtigkeit und Gefühl und Empsindung für daS Wahre und Gutr
dazu, um cinzugestehen, daß der Himmel in dem Christenihamc ftinen «Lchco i
öffnete und ftine Segnungen über di'e ermaltete Ecde ausgoß. Die Mensch-
heit aber, die dieftr Scgnungcn zuerst inne ward, kranktr zu fthr, um sich
ihnen mit ganzer Seelenfreudigkeit zuzuwenden. Alle Organe waren abgei
schwächk, so daß nur unker den vielfachstm Stockungen und Erschwerungen
das n ue flktlicke Leben seine Pulft schlagen konnte. Sollte das Chn'stenlhum
entschieden, vcllkommen regenirrn, und die Welk in der qanzen Bedeutunz
des Wortes neu geboren wcrden, so mußte die alte Menschheit mit allen
ihren beflrckten Einrichtungen und Verhältniffen schwinden, und eine neue,
reiner«, weniger entweihte an ihre Stelle trcten. Das bewirkten die Germaj
n e n. Dieftlbe unerforschliche Macht, die in drm Christenthume die sittliche Wiej
dergeburt der Welt beschloß, beschloß in dcr Mrssion, die sie den germanischen
Stämmcn übcrtrug, dcs Christenthums kräftigste Fcstigung unh ftine schönstft
mensckheiilich? Entfalwng. Sie erwecklr jencWellbewegung, vieunter dcmNamen
derVölkerwanderungalle bestehendennakivnalen und giftllschaftlichrn Zuständc er-
schüiterte; sie ftihrle die starken, unverdorbenen Söhne der Nalur bis in das Herz
«iner hohen, aber innerlich angefaulren Civilisation, und als die germanischcrj
Stämme über den Trümmern unendlichecZerstörung endlich flegrcich da standen;
da machre sie die siegreichen Germancn zu Christen. Aus der Taufe deß
Christen aber gingen die edeln Anlagcn, die dem germanischen Geiste und
Gemiiihe eingipflanzr sind, die riefe Ehrfurcht vor dem Göttlichen, die inj
nlge Anhänglichkeit an die Natuc, di'e schwärmcrisch; Liebe ftir Ruhm und
Ehre, mit allem Schönen und Herrlichen, was stch ihnen anschließk, geläu-
tert und verrdelt hervor. Milder und gcrechter blickte der starke Sieger jetzt
auf die eroberte Welt, und mit sanfterem, thellnehmendsm Auge konnte er
bri ihren letzten, glücklich geretteten Ce ilden vecweilen. Cs drängte ihn aift
mählich ftlbst, d.n reicken G halt ftines Buftns in Form und Gestaliung
auszuprägen, und er suchke lange dieftm Drange zu gcnügen, indem cr bq
der Schönbeit der alten Well borgte. Aber diese Schönheit reichie sür iha
nicht mehr aus. Sie war die Schönbeit des zeitlichen Behagens, der irdi-
schen Beftiedi'gung, währcnd ftin Fühlen und Empsinden, Lieben und Ah-
ncn, sein« Hvffnung und ftine Sehnsucht in dem Glauben an eine befferz
Welt, an ein rwig unverqänglichcs Jenftis rubte. Für den reinen, vollende-
ten künsilerischen AuSdruck ftiner ei-ensten Empftntung blieb ihm zuietzt nur
der eigme Buftn übrig, mid hier ftchie er denn mit eimm so kindlich rcft
nen Sinne und m'nnlichem Emstc und m!t so viel Demuth und Auver,
sicht so lange und unverdrossen, dis er endlicb jene Kunst fand, deren Ge-
bilde nickr rnehr Gegrnstände sinnlichen Genüqens, sondern verkörprrte Ge-
b.'te des Künstlcrs sind'; ia d«rrn Anschauen sich die Scele den Schauern
I,nd den Wcnnen des Kwigen näher fühlt. So, in dem Herzen un-
ftres Volkes tief und ftst gegründet, und von dem lebendigen Glauben des
Christcn genährt, echob sich und stand einst die Eiche deuischrr Kunst. Eis

nen stolzeren Sproß aber als bie deutfthe Kirchen-Baukunst hat di«s« Siche
nicht getrieken. D>e altergrauen Aeste ragen noch jetzt hjmmelhoch über al-
les hinaus, wäs die Baukunst der nachfolgenden JahrhUnderte ftikdem ge-
pfianzt und gezogen hat.

Haben wir dieftmnach in der deutschen Kirchen-Baukunst vor Allem eine
christlich-germanische Kunst ;u erkennen, so bleibt unS für d!e Feststellung
ihres sprciellen Begriffs nur nvch die nähere Andeutung ihrer Differenz mit
allec anderen Kirchen-Baukunst übrig. Jn dieftrBezichung wiedcrholen wir,
wie der Basilikenstyl nur der Styl des ersten praktischen Bidürfnisses war,
wie später der byzantinische Styl mit römischem Kunstgefühl und mit dem
Bestrrben christlichen Symbolisirens hinzutrat, w!e dieft Zuthaten im roma-
nischrn Siyle vermehrt und potenzirk wurden. Gemeinsam und übereinstim-
mend bleibt bei den Unterschieden diesec Styl-Arten immec das, daß man
in und mit dem Kirchengedäude ftlbst höchstens ekwas andeuten, nicht
aber auch elwas aussprechen will, daß der Stein, aus dem daS Gebäude
sich gestaltek, bei allcm Schmuck der Form forlwährmd in den Banden der
Maten'e, d. h. Skein bleibt, daß er nie Organ für eincn bestimmten,
geistigen Ausdruck wird. Dem Kirchengebäude, als solchem, eine Sprache
einzuhauchen, i>en Stein in dcr Hand des Baumeisters zu dem zu
wandeln, was dem Componisten die Töne, dem Malcr Zeichnung und
Farben sind, die todte Masse nicht bloß äußeclich zu gestallen, sondem
innerlichst;u beleben und zu durchgcistigen, mit Einem Worte, die Archi-
teklur dcS Kicchcnbaues von der stoffiichen Schwere zu erlösen und zu
«iner neum, freim Kunst im Dienste Goltes zu erheben, — das wär eS,
was die deutsche Kirchenbaukunst von dem Auqmblicke an, wo sie mit der
romanlschen in Concurrenz trat, als ihr Eigenstes erkannte und erstrebl«,
wonach sie mit mehr vder minder ungenügendem Erfolge lange rang, und
was sie mdlich znm ersten und letzken Male vollkommen ecreichte, als in der
heiligstmund reichsten deutschen Künstlerdrust der Plan zum kölner Dome
emvftmqen ward. Jn der fraamentariscken Ausfühmnq diefts Planes ftebt
e.ii Giilr v.r unft.m Aagtti, et!chüt.e:i.0 UuS i-i eie Wo.c.n priirgulS,
wie es einer solchen Brust in ftinm ftligsten Augenblicken entsteiqm konnte;
hier tönen die Hqrmvniem, wovon dieft Brust zum Preift des Welten-
lchöpfers überfloß. Wec abec will die technischen Mittel angeben, die, um
ein solches Gedet zu sprechen, sick d«m Genius zum Dienste darlegen muß-
ken? Man kann an die Beftitigung allcs eigentlichm Mauerwerkes, an den
rcinm Pftilerbau, an den Spitzbogm, an die pymmidalm Auswipfelungen,
an die Bermeidung der horizontalen Linien und dergleichm mehc erinnern
und das Eharakkeristische dieftr äußeren Kennzeichen der deutschen Kicchen-
Baukunst im Verhältnisse und Gegensatze zu den anderen Siyl-Arken welter
ausführm. Aber waS ist für daS geistige Verständniß der demschen Kirchen-
Baukuast damit gewonnen? Begreift, ahnet man «in« Brtthovm'sche Sym-
phoaie, indem man von den tcchnischm Eigenthümlichkeiten dcrftlben unter-
ricktet wird? Genug, daß sick die Schwingunqen soicher Geister vernehmen
!affm,.daß wir uns v»n ihrem Hauchc berührt fühlen und daß die Tokakität des
Eindcuckes hinreichend bestimmt und tief ist, um Lie Gefahr deS Mißvriständ-
nisseS und der Verwechftlunq fern zu halten. Fügen wir das so fthr bezeichnende
Wort noch hinzu, womit Kugler in ftinem Handbuche der Kunstgeschichte
die Charakleristik der deutschen Kirchen-Baukunst beschließt: „Ws mdlich
di« acht Rippen — des Thurmes — zur Lußersten Spi'tze zusammenlaufen,
athmet die rastloft Bewegung, die in sich keinen Abschluß findet, aus, und
eine majcstätische Blume, in heüiger Kreuzesform ihre Blätter gegen den
Himmel emporbcei'teizd, deukct auf das Aiel, welches mensckliche Sehnsucht
nicht zu erreichen vermochle^; und rufen wir uns zurück, was wir bei dem
Feste der Grundstcinlegung zum Forlbaue des kölner Domes, am 4. Sep-
rember 1842, aus dem Munde des damaliqen CoadjutorS und jetzigm Erz-
bischofes von Geissel unter so vielem anderen Schönen und Ergreifendm
vrrnahmm: „Gleich himmelansteigmden Palmen führte die Zeil der deut-
schen Kirchen.Bauwerk« die Saulen stark und schlank empor, legte darüber
die weiten Kreuzgewölbr und Kuppeln, der Decke des Himmels verglerchbar,
goß das Licht, wie aus höhrren Räumen, verklärmö t,i' bir Schiffe unü
Hallen, pflanzte die strahlende Roft, wie cine Sonne dcr Ewigkeit, in die
Chö-.e und trug die Firsten und Lhürme boch in die Luft, als wvllte sie
an ihnen emporsteigen, um mit ihren Hoffnungen und Wünschen, ihrm
Freuden und Leiden, ihren Gefühlm und Geberen dem Himmel näher zu
ftin": — so wcrden wir für den Zweck der gegenwärti'gen Mitthcilung die
deutschc Kirchen-Baukunst genugsam dezeichnct haben. indem wir sie als die
höchste Vcrgeistigung hinstellcn, deren das Makerial derBaukunt überhaupt
fähig rst, als den erhabmsten und. gewaltigsteu-Ausdruck, dm ein religiös
erregtes und durchglühtes künstlerisches Vermögen dieftm Material zu geben
vecmag. (Forlfttzung folgt.)

Handmalrreirn in drr Larmelitrr-Lirche ;u Loppard.

Die vorstehend b-zeichnete Kirche, ein ursprünglich einschiffiger Bau mit
einem auf der Nordftile angefttzten Seilenschiffe, ist ein demeckmswertyes
Exemplir dec mitllerm Peri'ode des gvlhiscken Slylcs, gleichsam ftines stl-
bernm Zeinlters, wo das architeklvnische Moment mehr und mchr durch das
ornammiale zurückgedrängt und absorbirt zu wcrden beginnt. Die innere
rkusfchmückung dec boppardec Carmeliler-Kirche mochle in der Thal einstmals
>.m Rheine unter den Kirchen zweiter Größe kaum ihres Gleiche» finden.

Bis zum Jahre t8l6 noch war die Nordseite mit einer Reihe der präch-
tigsten Farbenftnster von koloffalen Dimenfionm ausgestattet, welche nvch jetzl
ia meine Erinnerung hereinlmchien. Um jene Zeit besckloß ein hochweiftr
Stadl-Magistrat, naturlich unter Genehmigung der vorgefttzl-n Behörde, dieft
Fenster elner crlauchten Dame um die Summe von 1600 Gulden käuflick
zu überlaffen, und siatt ihrec wurden, zu nicht geringer Freude von Alt und
Iung, viereckige Scheiben vo» grünlichem Fmsterglas eingefttzt, die dann, in
 
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