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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1865 (Nr. 239-250)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1815#0003
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unverhalt««en Bewunderung PlaH, und für echteS Deutschthum wahrhaft
begcisterte Männer sahen etn, daß ihre Bäter fich mtt Schmach dedeckten,
als fie dte herrltche staunenswerthe Äunst der Vorzeit, an welche diese ihr
Höchstes und Bestes gesetzt hatten, dieies Wunder aller Zeiten an GrLße,
. Echönheit und Ttesfinn, seit dem Ende deS l5.Jahrhunderts der Bergeffen-
heit und BeraLtung Preis gaden. Diese Makel aus der Eeschichte wo mög-
lich zu tilgen, sollten die Denlmäler jener edlen äkunst, die der Zerstörung
entgangen waren, erhalten, und die noch unvollendeteu im Sinne ihrer alten
Meister der Vollendung entgegengesührt werden. Da sprach deun auch unser
altehrwsrdtger kölner Dom, dieser kkanon deutscher Kunst, nicht mehr zu
tauben Ohren. Edelfühlende Männer traten zusammen und nahmen die ge-
waltige Jdee des Meisters de« unvollendeten RiesenwerkeS als eiu teiltgeS
Bermächtniß einer großen Vorzeit wteder auf, den hohen Beruf in fich füh-
kend, dtese großartigste Jdee deutscher Kunst zu verwirklichen- So ward denu
vor 22 Jahren unter der Protection deS hochseltgeu Königs Friedrich Wil-
helm IV. feierlich der Grundstein zu dtesem Werke gelegt. Fsrt und fort
wuchs die Begeisterung für das grsße Werk, und wie öberhaupt dte akade-
mische Jugend fich schnell für das wshrhaft Große und Schöne entflammt, s»
trat auch fie alSbald ein in die Reihen derer, die den Ausdau dcS DomeS
im Jntereffe der Religion, der Kunst und deS BaterlandeS fich als hehreS
Ziel gesteckt haben. Seit jenen Jahren haben die akademischen Dombau-
Bereine mit stetS gleichem lkifer die Sache des DombaueS fördern belfen,
uud sollte auch dte materielle Seite dieser Hülfe nicht so hoch anzuschlagen
sein, so haben fie doch g«nz gewiß darin ein ehrendeS Berdienst, daß in der
vrust mancheS JunglingeS der Stnn für wahrhaft schöne und crhabene Jdee»
mächtig angeregt wurde.

Und tndem dte «kademische» Dombau-Bereine mitthätig «areu für die
Dombaufeste, habeu fie zugleich auch beigetragen zur Anregung de« mäch-
tigen JmpulseS für Deutschland, daß «S endlich einmal zurückkomme vo»
der getstlosen Geringschätzung der mittelalterlicten Kunst und erkenne, daß
ihre wahrhafte Wiederbelebong »ur durch die Rückkehr zur echt christlicheu
Kunst moglich sei.

Aber, wendet man ein, sollen wir denn wieder zurückgreifen i»S Rittel-
alter? werden wir nicht beffer die Bergangenheit ruheu laffe« und un« dem
neuen FortfchrittSgeiste der Gegenwart aovertrauen? Warum solcher Röck-
schritt? Statt einer Antwort kelle ich die Frage, ob eS ein Rückschrttt sei,
«enn ma» zur Wahrheit fich bekehrt. Jst e« denn nicht der große Röck-
schritt, den die letztverfloffenen Jahrhundert« begingen, daß man die alt-
heidnischen Jdee» mit den christlichen zu verschmelzen suchte, daß man hetd-
uische Baukunft in die christliche hiueintragen wollte? Rte und »immer ver-
tragen fich diese beiden Elemente mit ei«ander, daher auch dte christliche Bau-
kunst durch jene Bestrebungen verdräsgt wurde. Jener Rückschritt führte dte
Baukunst zu anarchistischer Verwirrung, die chriftltche Kunst wird unS Wahr-
haftigkeit und Gesetzmäßigkett wiederbringen. Der Schritt zur alten, christ-
lichen. deutschen Kunst ist also nicht ein Rückschritt, sondern ein wirklicher
Fortschritt vom Schlechten zum Guten, vom Jrrtbum zur Wahrheit.

Blickeu wir nach Frankreich, England und Jtalien, ss seben wir, wie
diese Lsnder dem Rufe nach der alten germanischen Kunst bereitwilligeS Ge-
hör gegeben haben, wie fich dort allenthalben wieder große gothische Bas-
werke erheben. Jch brauche nur an daS großartige englische PsrlamentSge«
bäude zu erinnern und an die große Zahl der herrlichen Gottestempel im
gothischen Stple.

Nur Deutschland, die Wiege der goihischen Baukunfi, zögert noch, diesem
Rufe einen allgemeinen und ungetheilten Beifall zu zollen und ihm aus allen
Kräften nachzukommen. Nur allmählich werden die Stimmen seltener. die
dieseS Eigentbum der deutschen Nation der Derachtung PreiS gaben. Von
Fremden müffen die Deutschen wohl erst über die Größe ihrer etgenen Er-
zeugniffe belehrt werden, bis fie dieselben als ihr kostbares Eigenthum
schätzen und lieben lersen. Wenn also för irgend ein Land, s» ist für Deutsch-
land der Wunsch berechtigt und dringlicher Art, daß man mebr und mehr
zu der Ueberzeugung kommen möge, daß nur in der Wtederaufnahme der
altdeutschen Kunst der recht« Weg für eine große Zukunft derselben zu finden
sei. Jst einmal die Rückkehr zum Tuten und Wahren kräftig angebahnt, so
werden aus den alten Wurzeln bald wieder srische, lebenSkräftige Keime
ausschlagen.

DaS ficherfie Zeichen aber dafür, daß dke Aufnabme der vaterländischen
Kunst eine allgemeine und rückhaltlose setn wird, kann erst derjenige Augen-
blick set», wo ihr wieder von allen deutschen Hochschulen daS Wort geredet
wird, wo die deutsche Wiffenschaft fich ihrer wieder mit warmer Liebe an-
niinmt. Dann wird die deutsche Jugend neben der alten Sprache und dem
alte» Recht kbrer Lorfahren auch wieder die langverstoßene, alte deutsche
Kunst mit ihren Tradittonen, Regeln und Formen in fich aufnehmen, «nd damit
den alten, echten deutschen Seist wahrhaft in fich nähren.

Commilitonen! wir stehen jetzt am AuSbau der Thnrine des DomeS
und damit a» der letzten Hauptaufgabe deS Baue«. Jn Allen regt fich der
Wunsch, recht bald den Dom sertig vor fich zu seben. Dteser Wunsch wird
erfüllt, wenn dte msteriellen Mittel reichlicher fließen. Wohlan deon, unsere
Begetsterung für die schöne Jdee gehe zur That über; fie trage mit dazu
bei, daß die ewig denkwürdigen Worte des hochseligen ProtectorS erfüllt
werden, die er bel'der Grundsteiuleguug sprach: „Hier, wo der Grundstein
liegt, dort, mkt jenen Thürmen zugleich, sollen fich die schönsten Tbore der
ganzen Welt erhebe». Deutschland baut fie, so mögen fie für Deutschlaud,
durch GottcS Eaade, Thore einer neue», großen, guten Zeit werden".

Sodann »ahm Herr vr. Aug. Reich enSperger daS Wort und machte
zunächst einige Mittheilungen in Betreff deS Fortaange« uud der nächften
Äusfichte» deS DombaueS. Aber nicht bloß durch Bauen, fuhr Herr R. fort,
sondern auch durch Niederreißen werde die Domsache in erfreulicher Weise
gefördert. Wte bedenklich eS «uch inr Allgemeinen sein möge, durch Nieber-
retßen eine Jde« zu verwirklichen, so könne man doch im vorliegenden Falle
stch der freudigste» Zuverficht hingeben. Dank tnSbesondere der so oft fcho»
bewährten Freigebigkcit der in Köln etabltrten aroßen Jndustrie-Gesellschaf-
te», die am Dome dartbuo, wie der moderne JndustrialiSmuS ganz süglich
mit der hohen, idealen Kunst Hand tn Ha«d geheu kan», sei e« endltch dazu
grk»mme», daß dte Schmarotzergewächse, w»m!t namentlich daS vorige Zahr-
hu,dert den Dom rtngs umsponnen, bis auf dte letzte Spur verschwinden,
und dcssen harmonische« Gltederwerk allerwärt« fich dem Bltcke darbirteu
werde. Diese llm- und Anbauten, durch «elche der vs« so laugr »erun-

ziert gewesen sei, erschienen so recht geeignet, um zu beweise», wte sehr c<
Noth thut, daß das Leben fich »icht von den Deukmälern der Vorzeit zu-
rückzieht. Der Redner knüpste daran die Aufforderung, »icht bloß daS Große,
sondern auch daS Kletnere und Kleinste, was in künstlerischer Fsrm Zeugniß
von der Vergangenheit ablege, inS Auge zu faffen und zu dcffen Erhaltung
nach Kräften mttzuwirken. Mit dem bloße» Schreiben und Drucken sei eS
nicht genug; es müff« gehandelt werden, wenn nicht allmählich die schätz-
barsten gebauten, gemalten und gemeißelten Urkunden zu Ärunde gehen
sollten. Ramentlich aber sei den anwesendeu Theologeu nicht genug zn em-
pfehlen, daß fie demnächst al« Priester ein wachsames Auge auf die ihnen
anvcrtrauten oder in threm Bereiche befindlichen religiösen Kunstwerke ha-
be», dieseiben vor Berderben oder Verunstaltung bewahren wöchten. ES sei
das ein schöner, edler Rebenberuf. Auch daS dem Anscheine uach Unbedeu-
tende habe nicht selten einen erheblicheu künstlerischen »dcr historischcn Werth;
»ur allzuviel derarttgcs sei bereitS durch Sorglofigkeit spurloS verschwun-
de», währeud eS oft durch geringsügige Opfer hätte gerettet werden könne».
ES handle fich überhaupt wesentlich darum, daS Bolk wieder für seine ge-
schichtliche monumentale Kunst zu interesfireu; vou der „Wissenschaft" allein
könne dteselbe unmöglich leben oder wahrhsft gedeihliche Nahrung ziehen.

Jm Berfolg seiner Rede haite Herr ReichenSperger noch Lulaß gt-
nommen, auf die Wichtigkeit deS Termanischen Museums zu NLrnberg,
so wi« der vom Borstande desselben herauSgegebencn MonatSschrist*) hin-
zuweisen und zu lebhafter Betheiltgung a» dcm wahrhaft »ationalen Unter-
nehmeu aufzuforder«.

Herr Prof. vr. Floß theilte hierauf daS Ergebniß der inzwischen vor«
genommenen ErgänzungSwahl deS BorstandeS mit. Sie stel auf den Herru
Recom, stnä. tiieoi., HermkeS, stuä. meä., Schulz, stuä. tdeol., Ear»
daunS, stuä. xdil., Causemann, stuä. tdeol., Höstermaun, otuä. meä.,
Jüngling, stuä. tkevl., Krumscheid, atuä. tdeol. und ReichenSperger,
»tuä. iur. .

Danu wurde die zahlreich besuchte Versawmlung durch deu Ehreu-Prä-
fideuteu kurj nach 4 Lhr geschloffen.

Akademischer Dombau-Berein.

Münster, den 27. Januar 1868.

Heute fand unter zahlreicher Beiheiligung von Studirenden dec König-
lichen Akademie eine Versammlung deS akadcmischen Dombau-VereinSStait.
Der Vorfitzende, Professor vr. DeyckS, d. z. Rector dec Akademie, ersiatlete
Bericht über die nach dem 83. Baubericht deS Herrn DombaumeisterS Voigtel
(s. Domblatt Nr. 237) zunächst in AuSficht stehende Vollendung dec Thürme
und deS Westportalö, indem er eine kräfiige Aufforderung zu unauSgesetzter
Wirksamkeit der akademischen Dombau Vereine hinzusügte. Nachdem dann
über die im vorigen Halbiahre gesammelten und bereiiS eingesandten Bei-
träge ss. Domblatt Nr. 23S) die übliche Mittheilung gemacht und für das
laufende Jahc ein neuer Vorstand gewählt worden. ward demnächst die Ein-
samwlung derBeiträge angekündigt Hierauf hielt dersluä. tbeol. ClemenS
Lüdtke auS Klein-Nackel, Mitglied deS Vorstandes, einen inhaltceichenVor-
trag über den Geist und Lharakier der echten Gothik, wie fie in dem
Dome zu Köln am glänzeNdsten sich offenbart. Nachdem der Redner unser
Zahrhundert alS ein Zeitalter der Vereine und Versammlungen mit einigen
Worten gezeichnet hatte, ging er zu seinem eigentlichen Thema, der Bedeu-
tung deS kölner DomeS für oie Kunst und für den Studenten, über. Er führte
zuerst die begeisterten Worte an, mit denen Männer, wie AörreS, Friedrich
von Schlegel, die Bcüdcr Boifferäe, ReichenSperger, von Geissel, die Bedeu-
tung deS kölner DomeS hervorhoben, und schloß daran eine Abhandlung über
die Bedeutung der gothischen odec besser germanischen Baukunst, und über
die Stellung, welche der kölner Dom in dieser Kunst einnehme. Wie in der
germanischen Baukunst der christliche Geist und die Zdee deS wahrhast
Schönen sich zur großartigsten Vollendung enifaltet habe, so sei in der ger-
manischen Baukunst selbst der kölner Dom das herrlichste Gebilde, daS vom
menschlichen Geiste je ersonnen und durch menschliche Kraft je verwirklicht
sei. Jm kölner Dome feiere die christiiche, und voc Allem die germanische
Baukunst, ihren höchsten Triumph.

Um diesen Dom der Dome seiner Vollendung entgegen zu führen, be-
geisterte fich seii dem Jahre 1842, nach dem erhebenden Vorgange des un-
vergeßlichen KönigS Friedrich Wilhelm IV., fast ganz Deutschland, und eS
sei AuSstcht vorhanden, daß endlich die Zeit herannabe, wo der kölner Dom
nicht mehr alS niederschlagender Vorwurf vor den Augen der deutschen BolkS-
stämme dastehen würde. Wenn eS nun schon Aufgabe aller Deuischen sei, an
diesem echt deutschenWerke zu arbeiten, so liege diese Pflicht doch vorzüglich den
katholischen Studirenden der deutschen Hochschulen ob. Man spende durch den
Beitrag zum Dvmbau kein Almosen gewöhnlicher Art, sondern man kämpfe
für eine allgewaltige, großartige Jdee. Als Student müßte sich Jeder sür
alleS Große, Echöne, Erhabene begeistern; al« katholischer Siudent müßte
man kirchliche Kunst hochschätzen und so einen Tribut deS DankeS derKirche
zollen, auS deren Geist die Univerfitäten enistanden seien; alS deutscher Stu-
dent müßte man an dem größten Werke deutscher Kunst, daS zugleich ein
Lompendium der deutschen Geschichte sei, mitarbeitcn.

*) ver „Anzeiger für Kunde der deutschen Borzeit" kostet »cbst deu
Betlagen jährlich 2 Tßaler. «« muß auffallen, daß dtese so luhaltSreiche
Zeitschrift verhältnißmäßig noch s» wentg Berbreitung gefunden -at, wäh-
rend eS de» nutzloseste» UuterhaltuugSlectüren fast nie an Abnehmeru fehlt.
Der „Anjtiger' sollte mindestenS in allen Lesejirkeln Zutritt finden.
 
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