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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1865 (Nr. 239-250)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1815#0022
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EinunddreiKigste General-Versammlring

dc»

afademischen Tombau-Bereins zu Boun,

gehaltcn in der Aula der Uuiversitst em 29. Mai 1865,
NachmittagS 2 Uhr.

Anwesend wareu vom Borstande der Ebren-Präffdent, Herr Dowcapitular
Profeffrr vr- Diertnger, der Shren-Secretär Herr Profeffor Or. Hloß
und Herr Professor vr. Schaaffhansen; ferner die Herren Studirenden
Fischbach, Herwea, Hoestermann, Jüngling, Necom, Srumschetd,
Reichensperger, Schulz.

Außerdem hatten die Berssmmlung mit ihrer Lnweseuheit beehrt die
Herren Profefforen vr. Langen und vr. Reuhäuser.

Lon dem Borstande de« Central-Dombau-Bereins wohnie der Ver-
sammlung Herr LppellationSgerichtsrath vr. Sugust ReichenSperger bei-

Der Ehren-Prästdent Herr Domcapitular vr. Dieringer eröffnete die
Versemw.lung, invem ec besonderS bervorhob, wie ffch in den letzten Jahren
dte The>loahme und daS Jntereffe für den Dombau-Verein s» außerordent-
lich gesteigert habe. Zugleich theilte er den Plao der akademischen Dombau-
Lcreiue mit, von jetzt ab die gesammelten Beiträge zur Stiftung eineS
großen FensterS tm Mittelschiffe deS DomeS zu verwenden.

Hierauf verla« der Thrcn-Secretär Herr Profeffor vr. Floß deu Re-
chenschaftSdericht, wie folgt:

Die Briträge der ordentliche» «nd der außerordentlichen Mitglteder deS
-testgen BecetnS während des Winter-SemesterS betrugen Tblr.Sgr.Pf.

178 20 —

Der Caffenbestand vom vorhergegangenen Semester war 21 15 6

Die AuSlagen beliefea sich auf.8 18 8

Mithin befitzt die Caffe 191 16 10

Bon den übrigen Deretnen sandtea: Tblr. Sgr.

HildeSheim.. . 79 26

Freiburg.25 —

BraunSderg.22 —

Freiburg ueuerdingS.25 —

Tübingen.21 —

Luremdurg.10 —

Summa 182 26

Mi'thin beträgt die Gesammt-Etnnahme während de- vcrfloffenen Se-
mcsterS 374 Thlr. 12 Sgr. 10 Pf.

AuS dem Borstande scheiden ouf Grund der Statute» dte Herren Fisch-
bach und Herweg. Die Herren Strauven, Causemann »nd HermkeS
treten auS. Mitbin ffnd fünf nese Borstands-Mttglieder zu wäblen. Wtr
erlauben unS die Herren Fischbach «nd Herweg für die Neuwahl zu
empsehlen, «nd außerdem deu Herru 8tuä. Temxel, den wir währeud deS
W:nterS au die Stelle deS austreteuden Herru Strauven cooptirten.

Darauf hielt 6tuä. Herweg folgeude Rede:

Comwilitonea!

GleiSwie es keine Kunst gibt, ohne eine wabre, ihr zu Grunde liegende
Jdee, so kann avch kei» Kunkwerk ein Recht suf dtesen Namen ansxrechen,
wenn in ihm nicht die dem Gonzen z« Grunde liegende Jdee zur Erschei-
nung kommt und fich consequent und vollkowmen auch im Einzeluen dar-
stellt. Senstschöpfunge» fiad n»r die realen Darstellungen deS Unfichtbaren,
deS Geistigen. Feblt diefis, so können fie zwar ein Lußerlich gefälligeS, prun-
kende« Lnsehen haben, allein fie find dann wie Körper ohne Leben; fie ver-
mögen nicht den lebendigen Geist zu feffeln, welcher uur durch daS thm gleich-
artige Ledendige belebt und erwärmt werden konn. ES mag sein, daß man
die Reime wancher Poeten in Rhytdmus und Sprache schön, gefüllig, kunst-
voll stndet. Aber der Jnbalt befrieoigt nicht; eS fchlt die Jdee. Wir wollen
zugeben, daß viele unserer rioderren Opern mtt allen Regeln der Tonsstz-
kunst harwoniren und im ersten Lugenbltcks vielleicht überraschen Allein ver-
räth thre baldige Bergefsenheit nicht allzusebr, ein wte geringer Gehalt un-
ter dem äußeren GeprSnge verborgen tst? Eine mahomedanische Moschee
mit ihrcn phantastischen Constructionen und duntscheckigen Berzierungen kann
allerdingS nnsere Sufmerksamkeit aus sich ziehen. Sllein halten wir ffe ueben
eine gut fiplifirte christlich» Lirche, so glaube ich nicht, daß wir unS lange
bedenken werden, welcher vou beiden der Borzug gebübre.

Wir pflegen, hochgeehrte Sersammlung! den kölner Dom, in deffen Zn-
tercsse wir versommelt stnd, als ein Meisterwerk gothischer Baukunst anzu-
sehen. Wenn er da« wirklich ist, dan» muß er anch nothwcndig nach einer
wahr-n Jdec tm Plane erfaßt,ge;sichnet, grundgelegt, erbaut und in seinen
einzelnen Tbeilen streng dnrchgeführt sei». Wir wollen eS versuchen, dieS
in kurzen Zögen darzuthrm.

Der Dom ,u <öln ist ein GotteShau«, eine Kirche, er rcpräsentirt sei-
rem eigenstrn Zwecke n«ch in todter Steivmaffe die lebendtge Sirche Christi.
Dr : ua ''iese Kirche durch da« Kreuz gegründet tst und auf ihm bastrt, da
ferner daS Kreoz eS tst, durch welcheS wtr uach dem Borbilde unsereS Herrn
zum Rn^me «nd zur Herrlichkeit de« ewigen Ledens eingehen sollen, so ist
dis Grundform deS Dome« dte KrcuzeSform, welche auch in den meisten Sirchen
bpzanttnischen oder romanischsn Siplcs vorherrscht. Wir können diese Form
in vielen Einzelheiten nachweisen. Bltcken wir zu dcn Tewölben empor, so
feben wtr üderall da« Kreuz. Jn sedem Sewölbe, daS voa den Gurt- uud
Scheidebogeu getragen und abgcschloffcn wird, laufen die Kreuzrippen in
der M'.tte zu einem Puncte zusammen uud bieten so wieder daS Kreuz dem
Aublicke dar. Seldst die Pkeiler mit ihren Hohlkehlen und Cplindern als
Einleitern zu den Gvrt-, Echcide- und Kreuzbogen stellen in ihrem Durch-
schnitt ein gletchbalkiges griechischcS Kreuz dar, und zwar nicht nur in der
unteren Kirchc, sondcr» s-lLß biS öber das Dach hinauS, wo fie endrgen,
um die Fialen mit der Kreuzblume zu tragen.

Die chrisiliche Küche ist ferner der Ort, wo die Eläubigen stch zum
Sebet und zum Lobe Gottes versammeln sollen. Daher ist der kölner Dom
iu dre! Ldtheilungen geschieden: die erste umfaßt dcu Lltarraum, auf den der
Herr seldst tn der heiligen Meffe herabstergt, und ist am reichstea durch Ber-
zierunge« nnd Malereien geschmückk, um ihm einc würdige Wohastätte zu
bereiicn. Dieser Raum hat die Ecstalt der HListe eine« regukärcu Zwölf-
ccks, ist aber a»S eiuem Dreicck entstandeü, welches man an die Form dcS
KreuzcS ansetzte, um desto mehr zu verfinnlichen, daß dieser Ort zur Woha-
stätte des dreietuigen Gottes ausschllcßlich bestimmt sei.

Die zweite Abtheilung bildet das Chor, d. i. der obere Theil deS Kreu-
zes b:S zum Querbalken. Cr ist bcstiwmt, den bervorragenden Theil der
Gläubigen, die lehrende Kirche airstunehmen, welche wegen der Würde ihreS
LmreS und der Reinbeit ihreS WandelS dem Hsrr» am nächfie« zu sel» ver-
dient. Jbr Sitz ist etwas döher als der übrige Thcil der Kirche, wetl daS
Bolk, auf ihren Wandel schauend, Aneiferung zum sittlich.frommen LebenS»
wandel erhalten soll.

Das Volk nnn versammelt fich in dem noch Lbrigen Theile dcS DomeS,
tn dem Lang- und Querschiffe, wclche die Form eincs länglichen BiercckS
haben. ES bezeichnet daSselbr nach alter Anschamrng d!e Weii in rhren Ge-
gensätzen und In ihrer »ierfach elementarsschen Zusammer.setzung; eS sollen
ffch daher alle Menschen obne Untcrschicd in ihm einfinden, um dem Herrn
der Heerscharen — seder auf seiue Weise — die gebührende Vershrung zu
zollen.

Llle diese Abstusungen find durch die an den Capitälen der Pfeiler
und an den Schlußsteiiie» der Gewölbe anzedrachten Berzierungen deutlich
au-geprägt. Gehen wir von dem westlichen Portale auf daS Chor zu, so
finden wir, daß, se weiter wir kommen, desio reicher die LuSschmückmigen
werden im Verhältniß zu dcr zunehmendcn Heiligkeit dsS OrteS, wonach
also tm Chore die größte Zierde herrscht. Wir werden somit angeregt, unS
von der äußeren Welt immer mchr zu entfernen und nur auf Gott, als die
höchste Schönheit unserer Gedanken, zu richten. Sehr schön tritt diese An-
regung auch durch die Anlage der Pseiler bervor. Sie fiud alle wie die
Kirche selbst orientirt, d. h. nach Ostea gerichret, urid leuke« notbweodig
den Blick weiterhin bts zum Altac, wo derselde durch die Auudung deS
Chore« serne Eränze findct. — Da die Gothik daraus auSgcht, das ganze
Gewicht lhrer Bautei! auf die Pfeiler zu legen, so wäre eS wohl Lberslüsfig,
Wäade zwtschen die Pfeiler zu bauen, und es ist auch nur dem Linfriedi-
gungSdedürsaiffe zuzuschreiben, daß man die äußeren Pfeiler durch Wände
verbunden hat. Alleia die daS Ganze leitende und dildende Zdee hat auch
bier ihren Einfluß gewahrt. Sie benutzt die Wände nur zur befferen und
ficheren Construction dcr Fenster, wclKc, iir Ler richtigen Höhe angebracht,
fast den ganzen Raum zwtichen den Pfeilern ausfüllen. Sre haben in ihrem
Umrtffe sowohl als auch in ihren Theilen die Gestalt dcS ChoreS, nämlich
die deS länglichen ViereckS mit der Dreispitze, welche auS ästhetischeu und
bsulichen Rückfichten sich zum Spitzbsgeu g>staltet, und sind alio daS loth-
rccht, waS der Chor wagerccht ist. Ste find tn Farden gebrannt, theils um
-eiltge Geschichten und Personen durch düseldev darzustellen, theil- anch um
daS helle Licht von außen zu dämpfen. Deuu derjeaiffe, welcher alS da»
wahre Licht diesen Tempel bewohnt, dedarf nicht dcS LichteS, welches er zur
Beleuchtimg der Welt geschaffen hat.

Während so im Jnneren fich AllcS der einsn Zdee, zum Lobe GotteS
beizutragen und aufzvsordern, unterordnet, vsrhätt e« fich ntcht anders mit
dem Seußern. Schauen wir den kölner Dom von außen an, so springt u»S
ein förmltcher Wald von Fialen tn die Augen. ES sind die AuSläufer der
Pfeiler, welche. wie in ihrem Durchschnitie üderall, so auch an ihrem Ende
in der Schlußblume dsS Spmbol dcS Kreuzes zur Schau tragen. Sie ma-
chen das Wort deS 148. Psalms zur Wahr-eit, welchcS lautet: „Lodet
den Herrn, ihr fruchtbaren Bäume und alle Cedern!^ Sie «eisen, wte die
Thürme, zum Himmel empor nnd mahnen, unsere ewige Heimat nicht zu
vergeffen. Selbst die Thierwelt darf fich dem Lobc deS Herrn nicht entziehen,
nach den Worten desselben Pialms. Darum siuden wir fie an dcn Gürteln
alS Wafferspeter verwendct, wo fie al« Fratzen. Mißgestalten, Ungethüme
gegen ihren Willen zum Dieofie GotteS gczwungen werden. Dteie wenigen
Andeutungen, aus der uncrmeßlichen Maffe d-s StoffeS berausgegriffe»,
mögen geoügen, unsere Anficht über den kölner Dom als durchaus gerecht-
fertigt ericheinen zu laffen. Der kölner Dom tst cin Aimßwerk und zeigt unS
dis Erhabenheit und Größe deS Geiße« jenes Manne«, welckcr zuerst die
Jdee zum Baue dcSselben concipirt hat. Uuserer Zeit war es vorbehalten,
von dem noch lebenden Geiste dteseS ManneS erfaßt rmd zur Vollendung
seineS WerkeS angespornt zu werden. ES rst schon viel gelcheben und wird
noch mehr geschchea, wenn derselbe Geist in uns foriledt und fortwirkt, biS
wir dann cndlich die ganze großarttge Jdee deS MeistcrS tn Wtrklichkett
vor uoS schauen. DaS walte Gott!

Anknüpfend an dassenige, waS eben zur Verherrlichung des Domes ge-
sagt worden war, bcmerkte Herr vr. Reichensperger, daß, wte slleS
Hochstehende, so auch der Dom setne Berkleinerer sder dcch Krttrker habs, daß
namentlich im Auslande seine Mustergöltigkeit viclfach bestrttien werde. Und
möge auch mancher dcmselben gemachte Vorwnrf unbegründet sein, gassz Nu-
recht hättea die Kritiker jedenfalls nicht; vielmehr Nege eS gerade in dem
echtgermanischen Wesen der Gothik, daß jedes Erzcngmß dersclben ein Zn-
divtduum sei, einen ganz besouderen Charakte- an fich tragen müsse,
weßhalb denn kein Baudenkmal alle denkbaren Lorzöge in fich verernigen
könae. Nlle kleinen PetsrSkirchen seien, was ihre» ästhetischcn Werth be»
treffe, unbedtngt dem großen PeterSdome zu Rom untergeordnet, allcS, was
der moderne, prtnciplose EklekticiSmuS uach setnen Schablonen anfrichte, lasse
fiL, wcil eS fich auf glekcher Lini« halte, gegen etnander adwägen; für die
gotbrschen Werke ader gebe eS keine Scsla, noch welcher ihr grvßerer oder
geringerer Werth sofort za firiren sei, wie etwa der CourS der Papiere in
den Börien. So könne man z. B. keineswegS sagen, daß dte Capclle deS
heiligen Ludwtg zu PartS schlechthtn ver den Kathedralen die Seget stretchen
müffe, vielmehr sei ein jedes solcheS Werk alS ein selbfiändigcr OrganiS-
muS zu benrtheilen, dessen Bollkommeuheit durch dke Tniwicklung der ihm
eigenthümlichen Grundidee bcdingt, daher stetS relativ erschetne. — Einen
Ueberbltck öber die hervorragendsten gothischen Baudenkmale der verschitldcnen
Länder gewährend, suchte Herr R. auS BeUvlelen darzuthun, wie fich ein
jedcS durch einen besondereu Vorzug charakterifire in der Lrt, daß keiness
 
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