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Zentral-Dombauverein <Köln> [Editor]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1866 (Nr. 251-261)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1825#0008
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Münster, 20. Februar 1866.

Heutc fand die ordentliche General-Bersammlung des akadennjchen Dombau-
Dercin- Statt, an welcher fich eine große Anzahl von Studirenden bethcillgte.
Die Leitung hatte Hcrr Dom-Capitular Professor vr. Reinke gesälligst über-
nommen, da ver zeitige Dorstand, Prosessor vr. Deycks gerade verhindert war.
Zuerst wurde über den crsreulichen Zustand des Bereins in gewohnter Weise
oerichtet und die Wahl deS neuen Dorstandes eingeleitet. Darauf solgte die
Verlesung des 55. Bau-Berichtes über den Fortbau des Domcs zu lkölii, aus
dem Dvmblatte Rr. 251 vom 31. Januar, welcher die Vcrsammlung mit dcr
frohen Hoffnung baldiger Dollendung des erhabensten Werkes ersüllte, dem
auch ihre Wirksamkeit gcwidmet ist, das, seit Iahrhundcrten begonnen, in
unscrer Zeit endlich dcm Abschluß fich naht, well Eintracht und Ausdauer Hoher
und Niedriger alles Ernstes ihm fich weihte.

Äcr StuLtbeol.Stanislaus Aenstoots au-Ruhrort hielt darauf einen
längcren Vorttag über die verschiedenen Bauarten, welche von den ersten Zeiten
an in der Kirche üblich waren. Nachdem er auf die merkwürdige Erscheinung
aufmerksam gemachl hatte, daß die schönen Künste im Dienste der Kirch« erst
dazu gelangien, ihre Herrlichkeit zu zeigen und alle auf kirchlichem Gebiete mehr
oder wcniger zur höchsien Blüthe kamen, erwähnte er aus der ersten Zeit den
chrfftlichen Ursprung der Katakomben. Unter Konstantin wurde die Kirche frei.
Die Christen mußten fich, da noch kein eigentlicher Kirchenstyl ausgebildet war,
aus den vorhandenen Gebüuden die geeignetsten für ihre Gotteshäuser aus-
wählen. Der heidnische Tcmpel war wegcn seines beschräntten Raumes nicht
brauchbar, wohl aber die Bafilika, welche den Römern als Versammlungsort
und Gerichtshalle diente. Hieran knüpste der Staä. Aenstoots die Bejchreibung
der Kirchen im Basilikenstyl: Langhaus mit Säulenreihen und Galerieen dar-
über, und Apfis mit dem Bff'chofsfitze an der Stelle des Tribunals, umgeben
von den Sitzen sür die Priester, vor dem Bijchofssitze der Altar. Doch die
Bafilika blieo nicht lange in ihrer antiken Weise im Gebrauch. Man sührte
statt der Galerieen einsache Wände auf, derm Schwere dann verlangte, daß dic
Zäulen durch Bogen verbunden würden, staü, wie srüher, durch einfache Balken.
Bald brachte man, besonders in Deutfchland, statt der Säulen, Pfellerstellungen
an, um die Tragsähigkeit ;u erhöhen. So entstand nach und nach der roma-
nische Styl. Nachdem kurz der glückliche Umschwung, den die Kirchenbaukunst
durch die Erfindung deS Kreuzgewölbes gcnommen, geschildert worden, kam er
zur Gothik und hob besonders den kölner Dom in seinem Vortrage dadurch
hervor, daß er dessen Geschichte von seiner Gründung bis zur Gegenwart er-
zählte. Er zeigte das Verdienst des hochseligcn Königs Friedrich Wilhelm IV.
um den Weiterban des Domes und lobte den Eiser, der, wie überhaupt das
ganze dcutsche Volk, so besonders die Studirenden der Akademiecn beseele, zur
Vollenvung dieses National-Dcnkmals, das eine Ehrensache sür das deutsche
Vaterland sei, beizutragen: bci diesem Eifer würde das Ziel bald erreicht sein.
Den Schluß machten Freiligrath's Verse:

„Germania ist des Westens Königin,

Der kölner Tom auf ihrem Haupt die Krone".

Ein Dlick in die Ztadt Dresden.

Jn der ersten Hälste des December, um welche Zeit ich in Dresden ver-
wellte, wanderten dort viele Leute den Zwingerwall hmauf, um den in einem
der Zwinger-Pavillons ausgestellten gothischen Altarschrein, welcher aus AUer-
höchste Auordnung für die iutherisch« Kirche der kgl. sächsischen Enclave Niebra
bei Gera vom Historienmaler Earl Andreä restaurirt worden war, in Augen-
schein zu nehmen. Jch schloß mich den Besuchern an und berichte.

Wer diesen Zwingerwall mit seinem Btick auf die ihn umgebendenGebäude-
gruppen kennk, wird zugeben, auch wenn er der sattelfesteste Gothiker ist, daß
er cin überaus reizvolles Architekturbild vor fich hat.

Wenn irgendwo, so bietet hier urächtester Zopf und sogenannte Renaffsance
der Neuzeit (wohl Semper's beste Bauten) Alles auf, Einen bewundernd zu um-
stricken.

Der dresdener Zwingerbau ist eine so prächtige Anlage, so phantastisch ge-
dacht, in so edlen Verhältnffsen ausgestihrt und so verschwenderisch ausgeftattet!
— Äls sein Ntaterial noch zur Wirkung kam, die grüne Patina seiner Kupfer-
dächer im Gegensatz zum grauen L-andstein so vornehm lustig wirkte, malerisch
zusammenstießend mit der landschaftlichen Umge'oung von Baumgruppcn, den
Gebäudemaffen der Stadt, von Waffer und Lust, da war das einzig in seiner
Art; seitdem aber ein — Oelsarbenanstrich (!) die Kupferdächer und die
ganzcn Außenseiten übcrdeckt und, statt das echte Material zu zeigen, Einen
glauben macht, das unter der ölglänzenden Hülle Steinpappe, Holz u. dgl. sich
zu verbergen suchen, ist der Zauber bedeutend geschwunden.

Jn geräumigem Aufftellungsort stand nun schmuck- unb lebensvoll das
sormen- und farbenreiche Altar-Werk von 1428. Gut baut fich der Schrein mit
seinem Aussatz aus. Vier Bilder deckcn die Außcnwände des Schreins, die
Compofiüonen gut in die Räume vertheilt, uud, wenn auch nicht überall mit
akademischer Correctheit gezeichnet, doch voll Anmuth und innerer 3kaioetät,
Einen nie in Unficherheit lassend üder das solide Fundament einer bewährten
Tradition.

Auf den Bildern geht vor, was die Mutter Gottes in Beziehimg auf ihren
göttlichen Sohn hienieden erlebt, Vermählung, Verkündigung, Geburt
und die heiligen drei Könige: in der Predella Anna, Maria und das
Christkind so wie der Kindermord.

Die ziemlich dunkcl gehaltenen Taseln und Temperabilder (sämmtlich in
Wachstempera erneuert, wegen ;u vorgeschrittenen Ruins der alten) drücken
frappant das irdische Hienieden aus, im Gegensatz zum himmlischen Ienseits,
wclches fich beim Oeffnen des Schreins uns erschließt. Da sttahlt Älkes in
Gold, welches reich die plaftijchen Gewande, Kronen und Teppiche bedeckt.
Die KrsnungMaria's als Mittelgruppe, acht Hellige rechts und links,
alles unter reichen Baldachinen.

Wenn auch überall Derhältnmfehler nachweislich — und wie sehr hütet
fich die gebildete Wclt jetzt vor allen Formfehlern! — so that das durchaus
nickt „ausgezeichnete" (im modernen Sinne des Wortes) gothische Werk in der
Residenz des Zopses doch eine nicht zu läugnende Wirkung.

Der Bcsuch war, ttotz der kalten Tage, trotz der mangelnden Heizung deS
AussteUungsrauines, ein überaus zahtteichcr; die Ausstellung mußte verlängert
werden und man zollle diesem Stück „finstern Mittelalters" unverhohlen Beifatl.

Die Ausstellung vertaffend, fielen meine Augen aus die sast zu ihrer ganzen
Höhe emporgewachsenen Thürme der im Umbau begriffenen sophienkirche. Wemr
hier ost bemertt worden, es sei Eklccticismus, gothisch in Dresden zu bauen,
dessen ganzer Habitus der Renaissance angehöre, so muß ich das entschieden be-
streittn. Die Spuren des Mittelalters find zwar bedeutend verwischt, die
Thürme zerschoffen, dann abgetragen uud durch Zopfthürme ersetzt — in den
schönen langen Straßen der Altstadt aber sast nur erkergeschmückte Giebel-
bäuser einer Renaffsance, welche noch oollkommene Familien-Aehnlichkeit mit
ihren gothischen Vorsahrcn hat, hier und da auch noch ganz respectable gothische
lleberbleibscl. Gerade die oben erwähnte Sophienkirche, ein spätgothisches
Monunrrnt, ehemalige Minoritenttrche, hätte, gezchickt restaurirt, dem ganzen
Stadttheile seinen Charakter wiedergeben können. So aber gewähren ihre After-
gothik. die Unwahrheit der neu vorgesetzten Fayade, deren Mittelrose auf ein
Mittelschifi schließen läßt, während die Kirche zweischiffig ist, die zwei ganz un-
mottvirten Thürme, ins Kleine übertragene Kachedralthürme, deren Formen und
Ornamentation, ihre durchbrochenen Helme u. s. w. viel früheren Epochen ent-
lehnt sind, als fie die ursprünglich ganz einsache Kirche, mit großem zweige-
theiltem Giebel, ohne Thurm — allen Feinden der Gothik das Recht, hier zu
verdammen und von störenden, sich breit machenden verkehrten Elcmenten,
die durch diese Fayade mit all ihrer Prütention in das harmonische Bild ge-
, tragen jeien, zu reden. Aber daß diese kostspielige gothische Faoade der Kirche
! vorgebaut worden, daß ein großes neues Gymnasium gothisch ausgeführt ist und
daß eine der reichsten, jchloßarkigen Ville» in Dresdens Rähe, die mehrere klei-
nere Rachahmungen gesunden, ebensalls ini gothischen Styl erbaut, oder doch
intendirt ist, leinem Liebhaber dcs Spitzbogenstyls blutet freilich das Herz
übcr die so schlimnie Lösung dieser Aufgaben!) schon das hat seine ttese Bedru-
tung: es ist immerhin ein charakteristisches Zeichen unserer Zeit! — unjerem Volke
wohnt allüberall die Sehnsucht nach dem Echten und Rechten inne. Heraus also
aus Zopf und Classicismus in das lärigst verlaffene — lang vergeffene Vater-
haus!

Rächstens vielleicht über das gothische Prachtschloß Meißen, welches ich
während meines Aufenthaltes in Dresden nicht unbesucht laffen konnte. Vor-
läufig uur jo viel, daß der kunstfiiinige König sich pcrsönlich aus das ledhafteste
sür die Rrstauratton dieses herrlichen Baudenkmales interesfirt und dab diejelhe,
dem Vernehmen nach, unter der Oberleitung eines der bewährtesten Meffter des
gothischen Baustyles, F. Schmidt in Wien, ausgesührt werden wird. A. P.


Zweite

Dombau-Prämien-Colleete.

Wir haben den hiesigen Herren Albert Heimaun und D. Löweu-
wartcr die

General-Agentur

für den Vertrieb der sämmtlichen Loose der zweiten zum Ausban
der Domthürme bestimmten, durch Allerhöchste Cabinets-Ordre vom
30. December 1865 unter Zugrundelegung des in Nr. 251 d. Bl.
veröffentlichten Planes genehmigten Collecte übertragen, und die-
selben als die

einzigen General-Agenten

des Central-Dombau-Vereins bestellt.

Jndem wir dies hiedurch bekannt machen, ersuchen wir die
Dombaufreunde und alle, die stch an der Collecte betheiligen wollen,
sich wegen Beziehunq der Loose an einen der genannten Herren
Albert Heimann oder D. Löwenwarter
zu wenden, und bemerken, daß den General-Agenten die Errichtung
von Agenkuren überlaffen ist.

Köln, den 20. Februar 1866.

DerVerwaltungS-Ausschuß desCentral Dombau-Vereins:
Effer H — v. Wittgeoftcin. — F. Hcuscr. — F. Aldrnhoven.
— vr. A. Reichensperger. — Lswald Schmitz. — Voigtel.
— Seydlitz. — Effer II- zan. — Barth. Haailen. — C.
v. Wittgenstein. — Haass. — Gaul. — Ed. Lpprnhrim.

Verantworllicher Herausgeber: I. I. Rell^s in Köln.
Commisfions-Verlag und Druck von M. DuMont-schauberg in Köln.
(Ekpedition der Külnijchen Zeittmg.)
 
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