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Kohle, Hubertus; Menzel, Adolph von [Ill.]
Adolph Menzels Friedrich-Bilder: Theorie und Praxis der Geschichtsmalerei im Berlin der 1850er Jahre — München, Berlin, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.17442#0197
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Von der Zeichnung zum Bild —
Menzels Entwurfspraxis in den Friedrich-Bildern

Als Künstler, der nie eine auch nur annähernd vollständige akademische Ausbildung
erhalten hatte, konnte Menzel auch in der Entwurfspraxis ungewohnte Wege be-
schreiten. Denn gerade im Hinblick auf die Durchführung eines künstlerischen Ge-
dankens von der ersten Idee bis zum fertigen Bild entwickelte die Akademie sehr genaue
Vorstellungen, die sie ihren Schülern zu vermitteln suchte. Ganz allgemein gesagt, lehrte
sie den schrittweisen Aufbau einer Komposition vom Einfachen zum Komplexen, vom
Einzelgegenstand zur Konstellation von Interaktionen. Dabei spiegelte der Ausbildungs-
verlauf mit seinem Beginn bei unbelebten Gegenständen in abstrahierender Zeichentech-
nik - Niedlichs Gipsklasse — und dem weiteren Fortschreiten im Rahmen einer jahrelan-
gen Erziehung bis hin zu farbig gestalteten Kompositionen belebter Wesen die geläufige
Entstehung des Einzelwerkes. Im Anschluß an das, was wir über die Rolle der Farbe in
der gängigen deutschen Malerei der ersten Jahrhunderthälfte gehört haben, ist allerdings
daran zu erinnern, daß der Umgang mit der Farbe in der Akademie generell ver-
nachlässigt wurde, künstlerische Komplexität war im wesentlichen auf den abstrakten
Aufbau, nicht auf dessen sinnliche Ausgestaltung gemünzt.

Im Primat der Zeichnung - und damit der vor aller malerischen Umsetzung ge-
fundenen und entwickelten Bildidee - hatte die klassische Kunstlehre ihre Erfüllung
gefunden und war auch zur Grundlage des akademischen Gedankens geworden. Ausge-
hend von den idealistischen Kunsttheorien der (Spät) Renaissance wurde in ihr der utpic-
tura /wettV-Gedanke formuliert, der in der, jenseits unterschiedlicher medialer Ausfor-
mungen vorhandenen, geistigen Vorstellung vom Thema den Kern des Werkes erblickte.1
Problematisierungen dieser letztlich auf platonisches Gedankengut zurückgehenden
Theorie, wie sie sich erstmals tiefgreifender im Streit zwischen Poussinisten und Rubeni-
sten in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, dann verstärkt in der sensualistisch inspi-
rierten Ästhetik der Aufklärung eingestellt hatten,2 zeitigten ihre Auswirkungen zwar
dort, wo der Farbe in den Reformakademien des 19. Jahrhunderts mehr Aufmerksamkeit
gewidmet wurde, oder wo am gleichen Ort auch die niederen, also weniger ideenhaltigen
Gattungen die Zulassung erhielten. Im Grundsatz änderte sich aber innerhalb der Insti-
tution wenig, und künstlerische Innovation mußte sich außerhalb der Akademie oder
gegen diese gerichtet etablieren.3

Den Primat der Zeichnung, der auch noch zur Jahrhundertmitte die gängige akade-
mische Praxis bestimmte, beschrieb sehr anschaulich u.a. noch der erwähnte Völker in
seinem Traktat über Die Kunst der Malerei. Enthaltend das Landschafts-, Porträt-, Genre-
und Historien-Fach nach rein künstlerischer, leichtfaßlicher Methode. Er legte dem ange-
henden Maler darin dringend ans Herz, auch für unscheinbare Bilder »eine fleißig
ausgeführte, richtige Zeichnung zu erstellen, um sich dabei im Voraus schon mit allen
Einzelheiten vertraut zu machen«.4 Bereits die Formulierung war aufschlußreich, kam in
 
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