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Von der Zeichnung zum Bild - Menzels Entwurfspraxis

ihr doch geradezu die Furcht vor der auf das Bild selbst beschränkten künstlerischen
Entäußerung zum Ausdruck. Die fleißig ausgeführte Zeichnung aber galt bei weitem
nicht als einzige Vorbereitungsleistung, die zu erbringen war, bevor der Künstler sich
dem eigentlichen Ölbild widmete. Dessen Studium wurde in den traditionellen Akade-
mien typischerweise als eher zweitrangig angesehen, wenn es hier überhaupt gepflegt
wurde. Neben den Einzelstudien für wichtige Schauplätze und vor allem menschliche
Handlungsträger der Historienkomposition galt es, nach der ersten Studie eine oder
mehrere weitere Gesamtentwürfe zu fertigen.5 Diese sollten in der Größe gesteigert, in
der bildmäßigen Durchführung weitergetrieben und in der Genauigkeit der ange-
strebten Wirkung möglichst weit angenähert sein. Normalerweise mußte am Schluß der
Vorbereitungsphase dann ein Karton in Originalgröße entstehen, der »mit allem Fleiße
und der ganzen Liebe für den gewählten dargestellten Gegenstand zu vollenden« war
und sich zur direkten, mit technischen Hilfsmitteln zu bewerkstelligenden Übertragung
auf die Leinwand eignete.6

Wie gesagt, Völkers Anweisungen entsprachen akademischer Praxis und prägten die
ldassizistisch und nazarenisch orientierte Kunst der ersten Jahrhunderthälfte. Hier fand
die eigentliche künstlerische Arbeit in den verschiedenen angesprochenen Entwurfspha-
sen statt. In der schließlich farbigen Ausführung auf Leinwand oder Freskoputz sah man
nurmehr eine sekundäre, ausschließlich der möglichst transparenten Uberführung der
Idee in die Erscheinung dienende Exekution, und man neigte dazu, den Eindruck des-
sen, was später mit dem saloppen Begriff der künstlerischen Mache belegt wurde, weitest-
gehend zu verschleiern. Cornelius etwa überließ die Ausführung dementsprechend ge-
wöhnlich seinen Schülern, er und seine Adepten sahen in den Kartons das Ziel ihres
künstlerischen Schaffens und stellten diese entsprechend aus. Kaum etwas anderes hat bei
der von einem deutlich veränderten Kunstbegriff geprägten Nachwelt ein derartiges
Befremden ausgelöst wie eben diese Tatsache, die sich jedoch im wesentlichen aus den
idealistischen Vorgaben erklärte.

Anders als die ldassizistisch orientierten Maler sammelte Menzel seine ersten künstleri-
schen Erfahrungen, sieht man einmal von den graphischen Gelegenheitsarbeiten und ei-
nigen wenigen Versuchen in der Ölmalerei ab, mit den großen Illustrationszyklen zum
Kugler und zu den Werken Friedrichs des Großen. Das vor allem in letzterem Projekt seit
der Mitte der 1840er Jahre entwickelte Verfahren aber behielt er für einen Großteil seiner
späteren Malpraxis in einem wichtigen Punkt bei. Schon hier nämlich verzichtete er
gewöhnlich auf die zeichnerische Präparierung der Bildkomposition und trug seinen
Entwurf direkt auf den anschließend von den Stechern zu bearbeitenden Holzstock auf.
Zwar studierte er natürlich extensiv die Hinterlassenschaften des friderizianischen Zeit-
alters, und Zeugnisse dieses Studiums, die seinen historistisch inspirierten Kunstbegriff
belegen, befinden sich heute in großer Zahl in der Zeichnungssammlung der Berliner
Nationalgalerie. Da er die bildmäßige Zusammenstellung aber in der Regel erst dort
durchführte, wo er sich der eigentlichen Kompositionsidee zuwandte, verschob er den
schöpferischen Akzent gegenüber der akademischen Vorgehensweise nach hinten, in den
Bereich des künstlerischen Endprodukts.7 Erreicht war damit nicht mehr und nicht
weniger als der tendenzielle Zusammenfall von Bildentwurf und Bilddurchführung, von
Idee und Praxis. Anders formuliert: Die Idee erreichte ihre Gestalt erst im Moment der
endgültigen materialen Konkretion.
 
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