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Einleitung und Forschungsbericht1

»Unsere Zeit, in allem was ihr eigenthümlich ist und ihr Wesen ausmacht, stößt die Kunst
von sich, und auch die Kunst ihrerseits bietet nichts oder wenig für die Zeitbedürfnisse.«2
Anton Springer, einer der herausragenden Kunstkritiker und -historiker des mittleren
19. Jahrhunderts, konkretisierte diese pessimistische Einstellung im Jahr 1852 durch den
höhnischen Verweis speziell auf die Malerei mit historischen Themen. Sie nämlich zeich-
ne sich durch besondere Schwäche aus und gehe auf Krücken.3 Zum einen sei die histo-
risch-gesellschaftliche Situation schwierig, zum anderen habe die Kunst, vor allem die
Kunst mit geschichtlichen Inhalten, der spröde gewordenen Gegenwart bisher keinerlei
beflügelndes, sinnstiftendes Angebot gemacht, das deren Bedürfnissen entsprochen hätte.
Im Falle des ehemaligen Revolutionärs Springer wird man eine gerade auf Seiten der
früheren Fortschrittsprotagonisten eingetretene postrevolutionäre Enttäuschung konsta-
tieren müssen, die in diese Feststellung einfloß. Denn die Geschichtsmalerei war im Vor-
märz zum Herold eines freiheitlich-nationalen Aufschwungs hochstilisiert worden, der
nach der unbefriedigend verlaufenen Revolution ein so klägliches Ende fand.

Vorliegende Studie möchte Adolph Menzels Friedrich-Bilder aus den späten 1840er
und den 1850er Jahren als Antwort auf die bei Springer formulierte Zeitdiagnose auswei-
sen, in ihnen den Versuch eines Angebots an die Gegenwart erkennen, das dieser zur
Selbstfindung dienlich sein sollte. Denn mit Friedrich II. wählte Menzel eine preußische
Herrscherfigur, die im Bewußtsein der Zeitgenossen scheinbar auf viele Fragen der
Gegenwart eine Antwort geben konnte. Er widmete sich damit intensiv einem künstle-
rischen Genre, das zwar im Biedermeier und Vormärz einige Vorbilder hatte, sich aber im
Vergleich zu den traditionellen, kaum aktuellen Themen der klassischen und romanti-
schen Malerei einer noch immer nur begrenzten Vorliebe erfreute. Darüber hinaus stellte
er die historische Figur des preußischen Königs der Aufklärung auf eine Weise dar, die
entschieden mit der vorherrschenden romantisch-nazarenischen Stillage brach und eine
spezifische, in Deutschland bis dahin ganz unerhörte Modernität einführte.

In einem zweiten Schritt gilt es dann, den prekären Charakter dieses Sinnstiftungsver-
suches zu beleuchten, der sich aus der hochindividuellen Bearbeitung des Stoffes durch
den Maler ergab. Dabei wird zu fragen sein, inwieweit das moderne Geschichts-, im
Gegensatz zum geläufigen Historienbild, solche Versuche überhaupt noch tragen konnte.
Gerade im Hinblick auf Menzel lautet die entscheidende Frage, ob der partikulare
Protagonist, um den es hier mit großer Ausschließlichkeit immer wieder ging, auf ein All-
gemeines zu verweisen in der Lage war, so wie es der universale Protagonist der klassi-
schen Historienmalerei noch konnte.

Mit den meisten seiner deutschen Malerkollegen teilt Adolph Menzel das Schicksal, in
der Perspektive der internationalen Kunstgeschichtsschreibung eine eher marginale Exi-
 
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