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Vorbemerkung

Auf einem Pastellkreiden- und Deckfarbenblatt aus dem Jahr 1853 zeigt Adolph
Menzel Friedrich IL stehend in einem Raum mit Rokoko-Vertäfelung und -kamin,
der wohl zu einem der königlich-preußischen Schlösser gehören soll, an deren Entwurf
der König teilweise selbst beteiligt war (Tafel 1). Neben Friedrich befindet sich ein zierli-
cher Schreibtisch, auf dem der König gerade seinen Hut ablegt, auf dem Boden verteilt
einige Papiere, die den Eindruck von Arbeitsatmosphäre aufkommen lassen, vielleicht
auch von ein wenig zerstreuter Unordnung.

Die Figur des Königs dominiert den Bildraum eindeutig, sie erreicht fast die Höhe des
Gesamtblattes und ist farblich differenziert in blauen, roten, gelben und schwarzen
Tönen gefaßt, während der Umraum in braunrötlicher Monochromie zurücktritt. Die
Dominanz scheint verstärkt durch Haltung und Gestik der Figur: Der rechts aus dem
Bild heraus in die Ferne gerichtete Blick und die lässig in die Rocktasche gesteckte Hand
sind aus der Herrscherikonographie bekannt und verleihen der Figur eine fast herrische
Unnahbarkeit.

Ein Bild also aus der langen Reihe der Herrscherporträts, die immer auch Herr-
scherapotheosen sind. Und doch will dem aufmerksamen Betrachter diese Beschreibung
nicht recht einleuchten. Denn die Person, so wie Menzel sie darstellt, wirkt anders als all
die anderen Magnaten, wie man sie vor allem aus Bildern der Barockzeit zu kennen
meint.

Die dargestellte Figur läßt trotz ihrer Stellung im Raum jene auratische Monumenta-
lität vermissen, die den Betrachter auf Distanz hält und ihm Ehrfurcht einflößt.
Standmotiv und Bewegungsmomente haben nichts den Umraum Regierendes, eher
scheint Friedrich umgekehrt von diesem bestimmt. Die Stellung ist nicht Ausdruck einer
selbstgewählten Pose, nicht Kondensat einer auf Repräsentation angelegten Rolle, son-
dern Ergebnis des kontingenten Augenblicks. Der Betrachter nimmt der Figur nicht ab,
daß sie sich aus eigenem Antrieb nach außen kehrt, vielmehr hält er die Pose für von
außen aufgezwungen, von einem Ereignis etwa, das außerhalb des Bildfeldes gerade statt-
findet. Tatsächlich bezieht der Künstler seine Figur hier auf die in einem Pendant darge-
stellte Schwester Friedrichs, Amalie von Preußen. Der Eindruck wird verstärkt durch die
vorsichtige, fast linkische Art, in der die Figur in Szene gesetzt ist: Von der einen Hand
etwa hat Helmut Börsch-Supan völlig zurecht behauptet, sie stecke »in einer für ein
barockes Herrscherbild unmöglichen Haltung in der Westentasche«, auch die Aktion des
anderen Arms wirkt merkwürdig zurückhaltend, keineswegs energisch.1 Überall domi-
niert Reaktion, wird das auf den ersten Blick durchaus hoheitliche Arrangement in der
Durchführung subtil demontiert.

Umgekehrt rückt der König dem Betrachter just wegen seiner leichten Unbeholfenheit
näher. Gerade weil die Pose von der Authentizität der Situation außer Kraft gesetzt zu
 
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