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Schlußwort

Adolph Menzels Friedrich-Bilder wurden in dieser Studie als herausragende Vertreter
einer spätzeitlichen Historienbildkonzeption vorgestellt, die ich in Anlehnung an einen
im 19. Jahrhundert geläufigen Ausdruck mit dem Begriff der >Geschichtsmalerei< belegt
habe. Spätzeitlich, weil das Konzept sich im Hinblick auf seine ikonographische Her-
kunft einerseits als der traditionellen Herrscherapotheose zugehörig präsentierte, der
Künstler aber andererseits in jedem einzelnen Fall bildnerische Strategien einführte, die
diese Tradition aufbrachen, problematisierten, verunklärten oder gar überwanden. Er-
gebnis war vor allem in den späten Bildern der Serie eine bis dahin ganz ungewöhnliche,
tiefgründige Psychologisierung der Protagonisten und speziell auch der Königsfigur
selbst. Geistes- und sozialgeschichtliche Voraussetzung hierfür scheint die Zersetzung des
monarchischen Gedankens zu sein, wie sie sich in der historischen Persönlichkeit Fried-
richs IL, insbesondere aber in der Deutung der Herrscherfigur im 19. Jahrhundert dar-
stellte. Im Kapitel über die Rezeption der Jahrhundertmitte lag deshalb ein besonderer
Akzent auf der mannigfaltigen Humanisierung dieser Figur.

Den kunstgeschichtlichen Ausgangspunkt der Friedrich-Bilder markiert mit der cha-
rakteristischen Verbindung von Subjektivitäts- und Realitätsprinzip Hegels Romantik-
Konzeption, auf die die realistische Theorie des fortgeschrittenen Jahrhunderts mit dem
Postulat einer Versinnlichung und Verlebendigung der Bildsprache reagierte, selbst wenn
sie sich anti-hegelianisch gab. Menzel war diesem ästhetischen Credo verpflichtet und
setzte es in eine radikale Versachlichung des künstlerischen Diskurses um, in den gemalten
Ausdruck des vom Künstler selbst postulierten Hinneigens der Moderne zum Verstandes-
prinzip. Der zeitgenössische Kunstbegriff allerdings schreckte vor den Konsequenzen
seiner eigenen inhärenten Logik zurück und milderte diese im Rückgriff auf die klassische
Geist-Ästhetik in sekundärer Idealisierung ab, um damit den Weg einer nationalen Staats-
kunst zu ebnen und sie zu begleiten. Menzel scheint diesen trügerischen Weg auf den
ersten Blick ebenfalls beschritten zu haben, die hohen staatlichen Ehrungen des alternden
Künstlers wirken, als würden sie dies bestätigen. Die in der Literatur freilich bislang nur
angedeutete Dichotomisierung der Künstlerpersönlichkeit in eine äußere und innere, eine
private und öffentliche, belegt aber eher das Gegenteil, um so mehr, als er in den Fried-
rich-Bildern an vielen Stellen private Dimensionen in das einstmals öffentliche Genus
einfließen ließ. Im übrigen verzichtete Menzel in einem Moment auf das Genre der
großformatigen Geschichtsmalerei, wo es von vielen seiner Kollegen als deutsch- und
preußischnationales Propagandainstrument erst entdeckt wurde. Parallel zur französi-
schen Avantgarde begann Menzel, die Vergegenwärtigung von Vergangenheit durch die
reine Gegenwärtigkeit beobachteter und gestalteter Geschehensabläufe zu ersetzen und
die Lebendigkeit der Projektion mit der Lebendigkeit der unmittelbaren Erfahrung zu
vertauschen. Damit läutete er das Ende einer Geschichtsbildproduktion ein, die dann im
20. Jahrhundert eine kaum mehr marginale Rolle innehatte.
 
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