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Kohn, Pinchas Jacob
Rabbinischer Humor aus alter und neuer Zeit: eine Sammlung von Anekdoten und "Guten Wörtchen" — Berlin: Lamm, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.42085#0025
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— 21 —

machen und in uns beten, so dass auch wir ihm wieder
wieder die Freiheit geben müssten? Um dem vorzubeu-
gen, versuchen wir, ihn durch den Branntwein trunken
zu machen, damit er, der Anordnung der Weisen gemäss,
die dem Betrunkenen das Beten verbieten, nicht beten
dürfe. Da wir jedoch nicht wissen, welche Lage der
Fisch in unserem Magen einnehmen wird, so trinken wir
vor seinem Genüsse etwas Branntwein, damit er, fällt
er mit dem Kopfe nach unten, in den Branntwein tauche,
und wir trinken nochmals nach dem Genüsse, für den
Fall, dass, wenn er mit dem Kopfe nach oben liege, er
ebenfalls Branntwein zu schlucken bekomme.
♦ ♦ ♦
Ein Rabbi reiste einst in Begleitung seiner Gattin.
„Sieh doch, welch herrliches Wetter wir haben“, sagte
er, zum klaren Himmel emporzeigend; „kein Wölkchen
ist zu sehen“. „Darüber solltest Du Dich aber zu al-
lerletzt freuen,“ erwiderte diese. „Wenn die Frommen
reisen, dann regnet es, sagt ein altes jüdisches Sprich-
wort; das schöne Wetter stellt Dir also ein sehr schlech-
tes Zeugnis aus“. „Du bist im Irrtum“, entgegnete der
schlagfertige Rabbi, „denn Du kennst nicht die Begrün-
dung dieses Sprichwortes. Dass es regnet, wenn die
Frommen reisen, geschieht darum, weil Gott nicht will,
dass die Frommen schon in dieser Welt eine reine Freu-
de geniessen, der Regen trübt die Freude, die ihnen eine
Lustreise bereiten könnte. Wenn der Fromme allein reist,
muss also der Regen die Freude beeinträchtigen, reist er
aber in Begleitung seiner Frau, da besorgt diese das
Geschäft, der Regen ist also überflüssig.“

Der Szatmarer Rabbiner hatte durch die steten Strei-
tigkeiten seiner aus zwei Parteien — Chassidim und
Misnagdim — bestehenden Gemeinde viel zu leiden. Auch
sonst gefiel ihm vieles nicht im alltäglichen Umgang sei-
ner Gemeindemitglieder. In einer Predigt sagte er ein-
mal folgendes: „In den Sprüchen der Väter heisst es:
Durch drei Dinge hat die Welt Bestand, durch Ernes
 
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