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Kohn, Pinchas Jacob
Rabbinischer Humor aus alter und neuer Zeit: eine Sammlung von Anekdoten und "Guten Wörtchen" — Berlin: Lamm, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.42085#0038
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— 34 —

es haschem elokecho tiro (den Ewigen deinen Gott sollst
du ehrfürchten), zog er sich von seinen Erklärungen
zurück (da er es nicht wagte, irgend ein Wesen Gott an
Ehrfurcht gleichzustellen), bis Rabbi Akiba kam, der die
Erklärung gab, dass mit dem „es“ die Thoragelehrten
gemeint seien, die man gleich Gott ehrfürchten müsse.
Warum — so wird gefragt — hat nicht auch Simon-
hoamsuni diese Erklärung gefunden? Und die Antwort
lautet: Bekanntlich unterscheidet man zwischen ordinier-
ten Rabbinern, die den Titel „Rabbi“ führen und nicht or-
dinierten, die diesen Titel nicht haben. Simon-hoamsuni
hatte die Ordination noch nicht erlangt, er wagte darum
nicht, das „es“ auf den Thoragelehrten zu beziehen, weil
er dadurch sehr leicht hätte in den Verdacht kommen
können, pro domo zu sprechen. Denn wird das eine
„es“, welches mit Gott in Verbindung steht, auf den Ge-
lehrten angewandt, so käme man leicht auf den Gedan-
ken, es auch bei einem andern Verse, in dem es heisst:
lau senassu es haschem (Ihr sollt den Ewigen nicht prü-
fen) zu tun, und man hätte gesagt, Simon, der die zu
seiner Ordination nötige Prüfung fürchtete, habe im eige-
nen Interesse gesprochen. Rabbi Akiba, der bereits or-
diniert war, hatte die Unterschiebung solcher Motive
nicht zu fürchten und konnte ruhig die Erklärung des
„es“ wagen. „So darf auch ich sagen,“ führte der Rab-
biner aus. „Hättet ihr mich vor meiner Anstellung einer
Prüfung unterziehen wollen, so wäret ihr im Rechte ge-
wesen; nach der Anstellung bin ich aber bereits ein Rab-
bi und brauche mich keinem Examen zu unterziehen.“ —

Der Krakauer Rabbiner, Rabbi Heschil, ein Lehrer
des berühmten „Schach“, scheint als Kind ein richtiger
Gassenjunge gewesen zu sein. Seine Eltern wohnten in
Lublin, wo sein Vater Rabbiner war. Als einst einige
Dorfleute mit ihren Eseln in die Stadt kamen, um bei
seinem Vater einen „Din Thora“ (Rechtsstreit) austragen
zu lassen, schwang er sich auf einen der im Hofe an-
gebundenen weissen Esel, um zum Gaudium der Leute
einen Spazierritt durch die Stadt zu machen. Als ihn
seine Mutter mit heftigen Vorwürfen empfing und ihm
vorhielt, wie sich ein solches Vorgehen mit dem Anse-
 
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