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Kohn, Pinchas Jacob
Rabbinischer Humor aus alter und neuer Zeit: eine Sammlung von Anekdoten und "Guten Wörtchen" — Berlin: Lamm, 1915

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https://doi.org/10.11588/diglit.42085#0042
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— 38 —

Gebote seines Gottes beachtet,“ sagte der Rabbi. „Wie-
viel Beamte und Wächter stellt der Staat an, um den
Schmuggel verbotener Waren zu verhindern, und doch
wird er hintergangen und gelingt es, durch List und
Schlauheit die Wachsamkeit der Aufseher zu umgehen.
Unser Gott hat keine Wächter. Sein blosses Wort: lau
jeroeh lecho chomez (es soll kein Gesäuertes in deinem
Hause gesehen werden) genügt vollkommen, aus jedem
jüdischen Hause jede Spur des verbotenen Chomez ver-
schwinden zu lassen.“
* * *

Als man einst Rabbi Akiba Eger von einem Bachur
erzählte, dass er den ganzen Tag lerne und kaum zu
essen habe und dass sein ganzes Abendbrot in einem
Stück Zwiebel bestehe, das er, nachdem er auch noch
bis dahin fleissig studiert, erst gegen Mitternacht ver-
zehre, um dann, nachdem er das Nachtgebet verrichtet,
sein ärmliches Lager aufzusuchen, sagte er: „Ihr wollt
wohl mein Mitleid für den Bachur wachrufen? Ich fin-
de aber, dass er dessen garnicht bedarf. Wenn Ihr mir
von ihm erzählt hättet, dass er den ganzen Tag müssig
gehe und nur seinen leiblichen Genüssen fröhne, den
Abend totschlage, und nachdem er sich an einem herr-
lichen Abendessen gesätigt, ohne Nachtgebet schlafen
gehe, dann hätte ich ihn bemitleiden müssen.“
* * *
Die Schüler Mendelsohns • folgten nicht alle dem Meis-
ter in seiner Treue zum überlieferten Zeremonialgesetz.
Viele von ihnen hatten sich zu Freidenkern schlimmster
Art entwickelt und mit den Gesetzen und Bräuchen des
Judentums völlig gebrochen. Als einst ein beim Berliner
Rabbiner Rabbi Hirsch Levin zu Besuch weilender Kol-
lege diesen fragte, wie es komme, dass es in Berlin so
viele Apikorssim (Freidenker) gebe, antwortete dieser:
„Unsere Berliner Juden sind tagsüber sehr von ihren Ge-
schäften in Anspruch genommen und kommen erst am
Abend dazu, sich mit der Wissenschaft zu beschäftigen.
 
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