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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0131
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Meister sich meistens allein um die Produktion kümmerte, übernahm die Ehefrau die Kon-
taktaufnahme mit Handelsleuten; sie sorgte für das Eintreiben ausstehender Gelder bezie-
hungsweise für die Begleichung von Schulden.636 637 Durch ihr selbständiges Handeln - falls es
ihr der Ehemann zugestand - wurde die Goldschmiedin häufig als die Verantwortliche auf
dem wirtschaftlichen Sektor einer Goldschmiedewerkstatt angesehen, obwohl sie - juri-
stisch gesehen - damals als nicht geschäftsfähig galt. In Streitfällen, die Schuldforderungen
betrafen, war es gar nicht so selten, daß die Goldschmiedin entweder als Klägerin oder als
Beklagte auftrat. Zum Beispiel verklagte die Ehefrau des Goldschmieds Johann Mayenhöfer
den Glasschneider Michael Vötter, er habe empfangene Ware nicht bezahlt. Deshalb forder-
te sie von ihm 15 fl und die Rückgabe von sechs Paar Pendeloquen.™ Auffallend ist bei die-
sen Streitsachen, daß der Name der Frau nur in Ausnahmefällen genannt wurde, meist war
sie nur ,die Frau des Goldschmieds N. N.’. Eine solche Ausnahme war die Goldschmiedin
Maria Grienenwaldin, die die Goldschmiedswitwe Katharina Eiselerin wegen Judenzinses
belangte, das heißt wegen übertriebener Schuldforderung, die den Grienenwalds aus der Be-
nutzung der Esse in Eiselerins Werkstatt entstanden waren.638 Das Urteil lautete, daß die
Grienenwaldin pro Lot Feinsilber, das ihr Mann auf der Esse der Eiselerin herausgeschmol-
zen hatte, der Witwe 2 x bezahlen mußte.639 Die Goldschmiedin Botzenhardtin handelte mit

636 Daneben tätigte sie auch Botengänge, wie zum Beispiel die Frau des Goldschmieds Joseph Straubenmiller,
die die fertigen Dosen in die Schau zur Überprüfung und anschließend zum Versehen mit der Stadtbeschau-
marke zum Bürgermeister gebracht hatte. Wenn man diesen Fall betrachtet, könnte man den Eindruck einer
,männerlosen“ Gesellschaft bekommen, denn die Probe machte nicht der eigentlich dafür Zuständige, sondern
dessen Tochter (Sta Gd, RP 1747, 28. November 1747, S. 209 bis 213 und GRP 1748, 9. Januar 1748, S. 3 bis
4).
637 (Sta Gd) RP 1764 bis 652, 29. Februar 1764, S. 38.
Weitere Beispiele: (Sta Gd) RP 1698 bis 95, 10. März 1695, S. 110 a bis 111 a. Goldschmied Melchior Fi-
scher und Weib sind auf Geschäftsreise’.
(Sta Gd) RP 1689 bis 95, 16. Juni 1695, S. 122 a bis 123 a. In einer Auflistung von Goldschmieden, die ge-
ringhaltiges Silber produziert oder vertrieben haben, oder ihre Waren nicht zur Schau gebracht haben, werden
auch fünf Frauen genannt (Susanna Herzogin, Magdalena Seyboldtin, Katharina Bildsteinin, Salome Zellerin,
eine von ihnen wird als Hans Michel Mayhofers Wittib bezeichnet), wobei nicht klar hervorgeht, ob es Werk-
statt betreibende Witwen sind, Goldschmiedinnen, die stellvertretend für ihre Männer Rechenschaft ablegen
müssen oder evtl. Händlerinnen.
(Sta Gd) GRP 1748, 17. Januar 1749, S. 18. Der Messingschmied Christian Lutz und der Schreiner Michael
Roth verklagen den Goldschmied Joseph Bulling wegen nicht bezahlter Ware (Medaillen und Holzkreuze, die
der Goldschmied mit Fassungen versah). Bulling hielt sich aus dem Prozeß heraus, und seine Frau erschien
vor Gericht und protestierte gegen die Höhe der Schuldforderung. Der Rat verurteilte die Bullingin, sie solle
die Creditoren bezahlen.
(Sta Gd) RP 1756 bis 572, 18. Januar 1757, S. 5. Der Goldschmied Balthas Holbein treibt zusammen mit sei-
ner Frau Schulden in Breslau ein.
(Sta Gd) RP 1766 bis 68, 4. September 1766, S. 113; 25. September 1766, o. S.; 23. Oktober 1766, o. S. Die
Goldschmiedin Magdalena Holbeinin fordert von dem Goldschmied Jakob Weitmann 1200 fl. Weitmann will
die Klägerin mit Silber befriedigen, was die Holbeinin aber ablehnt; sie besteht auf Bargeld.
(Sta Gd) 1766 bis 68, 18. November 1766, o. S. Die Goldschmiede Joseph Forstner, Johann Seybold und Jo-
hann Georg Debler verklagen ihren Kollegen Michael Mayerhöfer wegen Nichtbezahlens von Schulden. May-
erhöfers Ehefrau erscheint vor dem Rat und erklärt, sie könne die Schulden nicht bezahlen. Sie müsse warten,
bis Michael Vötter seine Schulden bei ihr beglichen habe, dann zahle sie von Herzen gerne.
638 Die Werkstatt des Goldschmieds Franz Grienenwald scheint zu klein für eine Esse gewesen zu sein, deshalb
benutzte er die in der Werkstatt der Eiselerin zum Herausschmelzen des Feinsilbers aus dem Gekrätz (Metall-
abfall).
639 (Sta Gd) RP 1764 bis 652, 14. Juli 1764, S. 126.
(Sta Gd) RP 1764 bis 654, 2. Oktober 1765, S. 161. Die Ehefrau des Goldschmieds Bernhard Rauscher klagt
gegen die Goldschmiedswitwe Barbara Rauscherin wegen 3 Lot 1 Quint „Probsilbers“, das der verstorbene
Ehemann bei Bernhard Rauscher für 4 fl gekauft und nicht bezahlt hatte. Die Witwe muß für diese Schuld auf-
kommen und monatlich 20 x abbezahlen.

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