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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0132
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dem Handelsmann Johann Herzer den Macherlohn für ihren Ehemann aus.640 In Notzeiten,
in denen viele Goldschmiede ihre Heimatstadt verließen (vgl. Kapitel D. 5.3. Die Josephini-
schen Reformen und ihre Folgen), mußten die daheimgebliebenen (und später nachfolgen-
den) oder -gelassenen Ehefrauen die finanziellen Dinge regeln. Zum Beispiel die Frau des
nach Wien verzogenen Goldschmieds Dominikus Schlecht, die in Gmünd für seine zurück-
gelassenen Schulden von 135 fl aufkommen mußte,641 oder die des Goldschmieds Michael
Seyfert, der ebenfalls nach Wien ausgewandert war und dessen Frau nun den Nachlaß in
Gmünd ordnen mußte, bevor sie ihrem Mann folgen konnte.642 Da der Beruf des Gold-
schmieds in Gmünd durch verschiedene Faktoren (Produktion von ,Massen-Luxusgütern’
mit all seinen Nachteilen, Abhängigkeit vom Handelsmann, etc.) sehr konjunkturabhängig
war, und viele Meister ihren Familien kein ausreichendes Auskommen schaffen konnten, sa-
hen sich viele Ehefrauen gezwungen, ihrerseits die Initiative zu ergreifen. Die Frau des
Goldschmieds Michael Weithmann betrieb das Peruquenmachen als weitere Einkommens-
quelle, und dagegen beschwerten sich die beiden professionellen Perückenmacher, zumal
die Frau auch einen gesellen darzue eingestellt habe. Die Beklagte erwiderte, sie habe pe-
ruquen gemacht, ehe und bevor einer von ihnen beeden hereingekommen, und solches in
ermangelung anderer Nahrung tun mußten. Zudem sei einer der beiden Kläger selbst Gesel-
le bei ihr gewesen. Der Rat bestimmte aber, daß die Frau das Perückenmachen einzustellen
habe.643 644 Anders erging es der Augsburgerin und vermutlichen Goldchmiedstochter Maria
Barbara Walburga Zecklin, die 1784 den studierten und arbeitslosen Goldschmiedssohn
Georg Franz Holbein - dieser gedachte, ungelernt mit Hilfe eines Gesellen eine Gold-
schmiedewerkstatt zu betreiben - heiraten wollte (vgl. Anmerkung 619). Obwohl der Rat sie
vor diesem Schritt warnte, meinte die resolute Frau, daß die künftige Familie mit ihrer
Handarbeit, nämlich Sticken, Wircken, und Wurstmachen, auch'danebens treibender Gold-
schmiedtsProfession, zue einem ehrlichen Fortkommen genügliche Aussicht findet
Goldschmiedswitwe
Nach dem Tode ihres Ehemannes war es den Goldschmiedinnen erlaubt, die Werkstatt mit
einem oder mehreren Gesellen weiterzubetreiben, ohne sich wieder zu verheiraten. Erstmals
erwähnt wurden die Goldschmiedswitwen in der Zunftordnung von 1739, wo es in Punkt 9
hieß, daß sich ettliche alte Meister: und wittfrawen der auflaag und jährlich zweymahligen
Zusambenkunft (. . .) gewaigert haben. So hat aber Ein Ehrbahres Handtwerckh guthlich
beschlossen, daß diese nicht an den Zusammenkünften teilnehmen müßten.645 Die Witwen

640 (Sta Gd ) RP 1764 bis 65, 2. Oktober 1764, S. 99 bis 100.
(Sta Gd) RP 1785, 17. Februar 1785, S. 7 a bis 8. Die Frau des Goldschmieds Jakob Mayerhöfer verklagt den
Handelsmann Anton Hosp von Dermns in Tirol wegen falscher Abrechnung des Arbeitslohnes.
641 (Sta Gd) RP 1766 bis 684, 29. April 1767, S. 54.
642 (Sta Gd) GRP 1785, 13. Juli 1785, S. 246 und 28. September 1785, S. 291.
Viele Goldschmiede scheinen ihre Heimatstadt ,bei Nacht und Nebel' verlassen zu haben, und oft geriet die
zurückgelassene Frau mit ihren Kindern in große existentielle Not.
(Sta Gd) GRP 1781, 21. Juli 1781, S. 231. Die Frau des nach Wien ausgewanderten Goldschmieds Andreas
Bauer erhält in Beherzigung ihrer nahrungslosen Umständen wöchentlich 15 x und zwei Laib Brot aus der
Armenkasse. Ähnlich erging es auch der Frau des Goldschmieds Michael Herzer, die ebenfalls mit ihren Kin-
dern in Gmünd zurückgelassen wurde (Sta Gd. RP 1785, 14. April 1785, S. 21 bis 21 a).
643 (Sta Gd) RP 1737 bis 38, 12. September 1737, S. 26.
644 (Sta Gd) RP 1784, 26. August 1784, S. 43 bis 44 und 2. September 1784, S. 46 a.
645 (Sta Gd) Goldschmiedeordnung vom 28. Juli 1739, Punkt 9. Diese Anordnung wurde in der Goldschmiede-
ordnung vom 27. Februar 1798 erneuert (Sta Gd, Goldschmiedeordnung vom 27. Februar 1798, Punkt 42).

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