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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0137
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ihren Dienst beim Goldschmied Martin Blattner unter der Prämisse an, einen Wochenlohn
von 1 fl zu verdienen. Nach Aussage der Barbara Schleicherin habe der Goldschmied außer
dem Verdienst, welchen sie (die Schleicherin) ihme durch ihre Arbeit verschafft, keine an-
dere Arbeit gehabt. Doch aufgrund der damals herrschenden schlechten wirtschaftlichen Si-
tuation in Gmünd, blieb Blattner der Frau ihren Lohn schuldig. Nach Hinweis in dem diesen
Fall behandelnden Gerichtsprotokoll scheint die Frau vor allem Teile für Rosenkränze ge-
fertigt zu haben, und weil der Meister über kein Bargeld verfügte, forderte die Frau ihre Pro-
dukte als Ersatz. Der Rat gab der Barbara Schleicherin Recht und verhalf ihr dazu.
Wie wichtig die Frauenarbeit in den Goldschmiedewerkstätten war, beweisen zwei Eintra-
gungen in Dominikus Deblers „Chronica“. 1813 notierte er: Die Frauenzimmer haben es
hier auch sehr weit getrieben mit Nähen, Sticken, Stricken, Zeichnen und anderen weibli-
chen Arbeiten.665 Was sich hier nicht auf besagte Artikel legt, das arbeitet an dem Brett der
Goldarbeiter, und machen es den Mannsbildern, wo nicht zuvor, doch gleich;666 667 und 1814:
Was Goldschmiedstöchter sind, arbeiten am Brett ihrer Eltern und auch bei andern um
Lohn; haben dann freie Kost und wöchentlich 1 fl 30 x und manchmal noch mehr.66'1
2.2.6. Die soziale und wirtschaftliche Stellung der Goldschmiede
innerhalb der städtischen Gesellschaft
Wie es schon in den vorangegangenen Kapiteln angeklungen ist, gehörten die Goldschmiede
keiner homogenen gesellschaftlichen oder sozialen Schicht an, sondern die Berufsgruppe
unterlag einer feinen Differenzierung, wobei der soziale Status vom wirtschaftlichen abhän-
gig war. Auch familiäre Einbindungen und die dazu gehörende Heiratspolitik spielten eine
nicht unerhebliche Rolle. Die Bandbreite in reichsstädtischer Zeit reichte vom Goldschmied,
der eine politische Karriere als Ratsherr, Bürgermeister oder Stättmeister machte, oder vom
Goldschmied, der innerhalb des Handwerks als Oberacht- oder Achtmeister eine privilegier-
te Stellung einnahm, bis zum Goldschmied, der durch seinen Beruf kein Auskommen hatte
und auf städtisches oder kirchliches Almosen angewiesen war. Zwischen diesen Antipoden
bewegte sich die restliche Meisterschaft.

3. Der Weg in die Industrialisierung
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts machten diverse zusammentreffende Faktoren die Proble-
me der Gmünder ,Mono‘-Wirtschaft offenbar. Neben den überregionalen, europäischen Er-
eignissen und Krisen führten vor allem Schwierigkeiten, die aus der Binnenstruktur des
Goldschmiedegewerbes resultierten, zum Zusammenbruch der alten reichsstädtischen und
zünftigen Ordnungen. Die überwiegende Spezialisierung nicht nur der Goldschmiede auf
die massenhafte Herstellung von Devotionalien und seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zu-

665 Die Herstellung von Baumwoll- und Perlstrickarbeiten, vor allem durch Frauen, waren das zweite wirtschaft-
liche Stadtbein der Stadt bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein.
666 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 7, S. 139 bis 140.
667 (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica. Bd. 7, S. 160.

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