nehmend von Körper- und Gewandschmuck, sondern auch eines Großteils der Bevölkerung
in Gmünd, zum Beispiel in der Rolle des Zulieferers oder des Vertreibers, zeigte in Krisen-
zeiten, daß gerade der Handel mit sogenannten Luxusgütern - zu denen auch in großen
Mengen hergestellte, häufig billige Silber- und Messingprodukte zu zählen sind - in beson-
derem Maße Konjunkturschwankungen unterworfen war. Da das Goldschmiedehandwerk
hoffnungslos überbelegt war und seine Angehörigen nur in Zeiten inneren und äußeren Frie-
dens ausreichend ernähren konnte, brachte ein Absatzrückgang immer auch Arbeitslosigkeit
vieler Goldschmiede mit sich. Die Monopolisierung des Vertriebs, der in den Händen weni-
ger Kauf- und Handelsleute lag, und die mit ihr einhergegangene Unselbständigkeit der
Goldschmiede und deren Abhängigkeit vom Kauf- oder Handelsmann waren weitere Grün-
de für die problematische ökonomische Situation dieses Handwerkszweiges. Das Gold-
schmiedemittel erkannte zwar die Bedrohlichkeit des Zustandes, es hielt jedoch an den ver-
alteten und erstanden Ordnungen fest und versuchte eher durch die Einschränkung der Auf-
nahme von Lehrjungen und Gesellen und durch die Behinderung der Zuwanderung fremder
Goldschmiede, die alten Strukturen zu retten, anstatt sie zu reformieren. Ebenso verhinderte
beziehungsweise erschwerte die ablehnende Haltung des „Mittels“ die Etablierung techni-
scher Innovationen: Schwäbisch Gmünd verlor den Anschluß an die ausländische und vor
allem inländische Konkurrenz in Hanau und Pforzheim.
In Hanau entwickelte sich seit der Gründung einer „Zeichenakademie“ im Jahre 1772 durch
den Erbprinzen Wilhelm von Hessen-Darmstadt, an der auch das Entwerfen von Schmuck
gelehrt wurde, eine hochstehende Industrie zur Herstellung künstlerischen Schmucks. Ab
1800 wurde arbeitsteilig gefertigt, und 1810 gab es in Hanau bereits zehn Bijouteriefabri-
ken, deren Erzeugnisse im Wert von mehreren Millionen Gulden jährlich vorzugsweise ex-
portiert wurden. Durch die Nähe zu den großen internationalen Bädern im Taunus, unter an-
derem Bad Homburg vor der Höhe und Bad Nauheim, wurde in besonderem Maße der euro-
päische Hochadel nach Hanau gezogen. Zwar fertigten die Hanauer Goldschmiede Schmuck
in allen Preisklassen, doch das Markenzeichen der Produktion war handwerklich montierter
Schmuck. Allein für die vorbereitenden Arbeiten, wie zur Herstellung von Blech und Draht
oder zum Polieren des fertigen Schmuckstücks, verwendete man frühzeitig mechanische
Einrichtungen, während die eigentliche Fertigung handwerklich betrieben wurde: Es gab in
Hanau kaum Massenproduktion, Hanau war vielmehr die Stadt des „feinen Juwelier-
schmucks“ und schloß sich, was die Kundschaft anbelangte, eher an die Traditionen von
Augsburg an.668
Den Grundstein für die Pforzheimer Schmuckindustrie legte der vom Merkantilismus ge-
prägte Markgraf Karl Friedrich von Baden. 1767 wurde im Landeswaisenhaus zu Pforzheim
eine Taschenuhrenfabrik gegründet, in der in erster Linie Kinder des Waisenhauses ausge-
bildet und beschäftigt werden sollten. Um geeignete Ausbilder für das Vorhaben zu bekom-
men, warb man durch lukrative Angebote Unternehmer aus der Schweiz, aus Frankreich und
668 Die Innovationsfreude der Stadt läßt sich auch daran ablesen, daß nach 1685, nach der Aufhebung des Edikts
von Nantes, französische Glaubensflüchtlinge in Hanau angesiedelt wurden. Viele von ihnen waren erfahrene
Goldschmiede, die hier ihr Handwerk weiterbetrieben und somit den Grundstock der späteren Schmuckindu-
strie legten. Auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts betrieb man in Hanau die systematische Ansiedlung frem-
der Goldschmiede, während in Hanau ausgebildete Facharbeiter sich seit den zwanziger Jahren des 19. Jahr-
hunderts in Berlin, Stuttgart und Wien niederließen. Besonders die Stuttgarter Schmuckherstellung lag aus-
schließlich in den Händen ehemaliger Hanauer Goldschmiede.
Vgl. Brigitte MARQUARDT: Schmuck - Klassizismus und Biedermeier 1780 bis 1850 - Deutschland, Öster-
reich, Schweiz. München 1983, S. 19.
Hans Werner HEGEMANN: Hanauer Gold- und Silberschmiedekunst seit 1800. Hanau 1962.
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in Gmünd, zum Beispiel in der Rolle des Zulieferers oder des Vertreibers, zeigte in Krisen-
zeiten, daß gerade der Handel mit sogenannten Luxusgütern - zu denen auch in großen
Mengen hergestellte, häufig billige Silber- und Messingprodukte zu zählen sind - in beson-
derem Maße Konjunkturschwankungen unterworfen war. Da das Goldschmiedehandwerk
hoffnungslos überbelegt war und seine Angehörigen nur in Zeiten inneren und äußeren Frie-
dens ausreichend ernähren konnte, brachte ein Absatzrückgang immer auch Arbeitslosigkeit
vieler Goldschmiede mit sich. Die Monopolisierung des Vertriebs, der in den Händen weni-
ger Kauf- und Handelsleute lag, und die mit ihr einhergegangene Unselbständigkeit der
Goldschmiede und deren Abhängigkeit vom Kauf- oder Handelsmann waren weitere Grün-
de für die problematische ökonomische Situation dieses Handwerkszweiges. Das Gold-
schmiedemittel erkannte zwar die Bedrohlichkeit des Zustandes, es hielt jedoch an den ver-
alteten und erstanden Ordnungen fest und versuchte eher durch die Einschränkung der Auf-
nahme von Lehrjungen und Gesellen und durch die Behinderung der Zuwanderung fremder
Goldschmiede, die alten Strukturen zu retten, anstatt sie zu reformieren. Ebenso verhinderte
beziehungsweise erschwerte die ablehnende Haltung des „Mittels“ die Etablierung techni-
scher Innovationen: Schwäbisch Gmünd verlor den Anschluß an die ausländische und vor
allem inländische Konkurrenz in Hanau und Pforzheim.
In Hanau entwickelte sich seit der Gründung einer „Zeichenakademie“ im Jahre 1772 durch
den Erbprinzen Wilhelm von Hessen-Darmstadt, an der auch das Entwerfen von Schmuck
gelehrt wurde, eine hochstehende Industrie zur Herstellung künstlerischen Schmucks. Ab
1800 wurde arbeitsteilig gefertigt, und 1810 gab es in Hanau bereits zehn Bijouteriefabri-
ken, deren Erzeugnisse im Wert von mehreren Millionen Gulden jährlich vorzugsweise ex-
portiert wurden. Durch die Nähe zu den großen internationalen Bädern im Taunus, unter an-
derem Bad Homburg vor der Höhe und Bad Nauheim, wurde in besonderem Maße der euro-
päische Hochadel nach Hanau gezogen. Zwar fertigten die Hanauer Goldschmiede Schmuck
in allen Preisklassen, doch das Markenzeichen der Produktion war handwerklich montierter
Schmuck. Allein für die vorbereitenden Arbeiten, wie zur Herstellung von Blech und Draht
oder zum Polieren des fertigen Schmuckstücks, verwendete man frühzeitig mechanische
Einrichtungen, während die eigentliche Fertigung handwerklich betrieben wurde: Es gab in
Hanau kaum Massenproduktion, Hanau war vielmehr die Stadt des „feinen Juwelier-
schmucks“ und schloß sich, was die Kundschaft anbelangte, eher an die Traditionen von
Augsburg an.668
Den Grundstein für die Pforzheimer Schmuckindustrie legte der vom Merkantilismus ge-
prägte Markgraf Karl Friedrich von Baden. 1767 wurde im Landeswaisenhaus zu Pforzheim
eine Taschenuhrenfabrik gegründet, in der in erster Linie Kinder des Waisenhauses ausge-
bildet und beschäftigt werden sollten. Um geeignete Ausbilder für das Vorhaben zu bekom-
men, warb man durch lukrative Angebote Unternehmer aus der Schweiz, aus Frankreich und
668 Die Innovationsfreude der Stadt läßt sich auch daran ablesen, daß nach 1685, nach der Aufhebung des Edikts
von Nantes, französische Glaubensflüchtlinge in Hanau angesiedelt wurden. Viele von ihnen waren erfahrene
Goldschmiede, die hier ihr Handwerk weiterbetrieben und somit den Grundstock der späteren Schmuckindu-
strie legten. Auch zu Beginn des 19. Jahrhunderts betrieb man in Hanau die systematische Ansiedlung frem-
der Goldschmiede, während in Hanau ausgebildete Facharbeiter sich seit den zwanziger Jahren des 19. Jahr-
hunderts in Berlin, Stuttgart und Wien niederließen. Besonders die Stuttgarter Schmuckherstellung lag aus-
schließlich in den Händen ehemaliger Hanauer Goldschmiede.
Vgl. Brigitte MARQUARDT: Schmuck - Klassizismus und Biedermeier 1780 bis 1850 - Deutschland, Öster-
reich, Schweiz. München 1983, S. 19.
Hans Werner HEGEMANN: Hanauer Gold- und Silberschmiedekunst seit 1800. Hanau 1962.
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