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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0136
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und stein punctiren (?), den Frauen erlaubt waren.659 Am 4. März 1766 erneuerte der Rat das
Verbot für Dienstmägde, „am Brett“ zu arbeiten.660 Dieses generelle Verbot wurde in der
Goldschmiedeordnung von 1776 abgeschwächt. Zwar gedachte der Rat mit dem Artikel 8,
dem eingerissenen Missbrauch, die Mägdt ein oder mehrere wochen auch Tage fast, wie
die Gesellen ein zu stellen, und arbeithen zu lassen, schrankhen zu sezen, doch erlaubte
man den goldtschmidts töchterin bey einem anderen Professions genossen (. . . ) zue arbeit-
hen zugleich wurde aber verflieget (...), das denen selben nicht mehrer lohn als an-
deren Mägdten gegeben werden, und sie nicht nach gefallen aus dem dienst tretten dörffen,
sonderen auch disfalls gleich anderen mägdten gehalten werden sollen. Der überwiegende
Teil der Meisterschaft war mit dieser Bestimmung, daß Goldschmiedstöchter nach Belieben
„am Brett“ arbeiten durften, nicht einverstanden, und deshalb wurde die Bestimmung dahin
gehend geändert, daß den Goldtschmidts töchterin auser Ihrer Eiteren häuser zu arbeithen
eben sowohl als allen übrigen Mägdten schärfest verbotten werden solle.661 Auch in der
Goldschmiedeordnung von 1798 hielt man im wesentlichen an dieser Verordnung fest: In
den Punkten 39 bis 41 wurde festgelegt, daß sich kein Meister unterstehen solle, bey 10
Reichsthaler Straf eine Magd ans Brett zu setzen, und arbeiten zu lassen. Dagegen wäre
zugestatten, daß jede Meisters Tochter, jedoch nur bey ihren Aeltern, so lange selbe bey
Leben sind, auf der Profession zu arbeiten. Im Fall aber ihre Aeltern versterben sollten, so
wäre solchen verwaißten Meisterstöchern (sic!) nicht zu verwehren, bey einem ihrer Ver-
wandten auf ihre Profession zu arbeiten; jedoch soll eine solche Meisterstochter nie einen
Wochenlohn, sondern ein beliebiger Jahreslohn gereicht werden; alle übrige Läden aber
sollen derselben ausdrücklich verbothen seyn.662
Der Fall der Barbara Schleicherin (vgl. S. 267) zeigte, daß manchmal die Werkstatt von der
Magd allein betrieben wurde, und daß mancher Meister den Mägden einen weitaus höheren
Lohn als den einer ,normalen’ Magd bezahlte.663 Durchschnittlich verdiente eine Magd ge-
gen Ende des 18. Jahrhunderts zwischen 15 und 20 fl im Jahr.664 Die Schleicherin trat 1797

659 (Sta Gd) RP 1761 bis 633, 7. Oktober 1762, S. 102 bis 105, Punkt 7. „Schauren“ (?), „vor dem Gießen den
Sand ausstieren“ (den Sand säubern), „einkreiden“ (Objekte vor dem Zusammenlöten entweder markieren
oder polieren), „Gold anreiben“ (polieren), „aufkitten“ (Werkstück befestigen). Nach freundlicher Auskunft
von Herrn Peter Heinrich, Württembergisches Landesmuseum Stuttgart (vgl. auch Kapitel C. 3.4. Handwerks-
gerät und Tätigkeiten in einer Goldschmiedewerkstatt, Kapitel C. 1.1. Technische Grundbegriffe und techni-
sche Entwicklungen bis zum Beginn der Industrialisierung).
(Sta Gd) RP 1761 bis 633, 30. September 1762, S. 96. Die Vorsteher des Goldschmiedehandwerks beschwe-
ren sich beim Rat über die Goldschmiede, die ihre Mägde zum Goldtschmidts Arbeiten wider die Articul an
das Brett hinsetzen. Einer der betreffenden Goldschmiede, Joseph Seyboldt meint, daß seine Magd, Maria
Friedelin, nicht arbeite, sondern schleife und verrichte nur dergleichen Geringigkeiten. Die Zuwiderhandeln-
den Goldschmiede werden zu je 1 fl verurteilt.
(Sta Gd) RP 1761 bis 633, 5. Oktober 1762, S. 101 bis 102. Die drei Goldschmiedstöchter Anna Maria Günd-
lin, Theresia Deblerin und Lucia Mayerin, die alle als Mägde bei Goldschmieden beschäftigt sind, bitten den
Rat um Erlaubnis, bei ihren Arbeitgebern geringfügig arbeiten zu dürfen. Der Rat erlaubt ihnen die Arbeiten
auszuführen, die in dem Dekret von 1756 aufgeführt worden sind: walzen, kratzen, schleifen und schauren,
vom gießen der sand ausstühren, eingeräten (wohl einkreiden), aufkitten, gold anreiben, Stein punktieren.
Daraufhin wurde diesbezüglich erneut ein Dekret am 7. Oktober 1766 erlassen.
(Sta Gd) RP 1766 bis 683, 26. März 1767, S. 31 bis 32. Das Goldschmiedemittel beklagt sich beim Rat über
den Meister Jakob Bulling, der seine Magd Veronika Bullingin unerlaubt am Brett arbeiten ließe. Der Rat er-
mahnt, daß die Frau nur die oben erwähnten Arbeiten ausführen dürfe.
660 (Sta Gd) RP 1766 bis 68, 4. März 1766, S. 36. Dekret identisch mit (Sta LB) Bestand 178 Bü 124 (S. 842),
6. März 1766.
661 (Sta Gd) Goldschmiedeordnung vom 17. Oktober 1776, Punkt 8.
662 (Sta Gd) Goldschmiedeordnung vom 27. Februar 1798, Punkte 39 bis 41.
663 (Sta Gd) GBO D: Zivilsachen 1800 bis 1803. Klage der Barbara Schleicherin gegen ihren Arbeitgeber Gold-
schmied Martin Blattner vom 13. November 1800.
664 (Sta Gd) GBO D: Zivilsachen 1800 bis 1803, und (Sta Gd) D. DEBLER: Chronica, Bd. 6/2, S. 561.

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