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Krause-Schmidt, Heike
"... ihr Brodt mit kleiner Silber-Arbeit erwerben": die Geschichte des Gmünder Goldschmiedegewerbes von den Anfängen bis zum Beginn der Industrialisierung, unter besonderer Berücksichtigung der Filigranproduktion — Schwäbisch Gmünd: Einhorn-Verlag, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.52957#0135
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recht, als Auswärtiger,655 und Werkstatt zu kommen, und die Väter der Auserwählten keinen
männlichen Erben besaßen. Zusätzlich erkannten viele aber deren besonderen Wert als er-
fahrene und doch billige Arbeitskräfte in einer Goldschmiede. In einer Zeit, als die Tren-
nung des häuslichen Bereichs vom gewerblichen noch nicht vollzogen war, und als die Spe-
zialisierung auf Massenproduktion viele, möglichst unentgeltlich tätige Hände forderte, war
es üblich, daß die Kinder, Söhne wie Töchter, schon von frühester Jugend an im väterlichen
Betrieb mithalfen. Während die Söhne dann aber offiziell den Beruf erlernen konnten und
ins Handwerk aufgenommen wurden, blieben die Töchter billige Handlanger mit jahrelan-
ger Berufserfahrung, entweder in der väterlichen Werkstatt oder als Magd in der Werkstatt
eines Kollegen.656
In einem undatierten Dekret aus der Zeit vor 1700, betreffend das Verbott deren Leedigen
Töchteren kein Aigen Geschäfft, noch Kost zu haben, war es grundsätzlich allen unverheira-
teten Töchtern, die Ihren Filteren zue gehorsamben noch unterworffen waren, nicht erlaubt,
für sich selbst zue schaffen, oder zue arbeithen (...), welches dermahlen in allzue grossem
schwang gehet (. . .) und die Filteren Ihnen selber hierzue VerhüUflich und geneigt seyndt,
um somit auf eigenen Füßen zu stehen und unabhängig von Eltern oder Dienstherren zu
sein.657
Mit Hinweis auf ein Dekret vom 20. Mai 1756 bestimmte der Rat 1762 auf Antrag des
Goldschmiedehandwerks, daß künftig keine baurenmagd noch Bürgerstochter „am Brett“
arbeiten dürfe.658 „Am Brett arbeiten“ bedeutete, kreativ und ausführend tätig zu sein, wäh-
rend vorbereitende Arbeiten, wie zum Beispiel walzen, krazen, schleifen, schauren (?), vor
dem gießen den sand außstiren (den Sand säubern), einkreiden (Markierungen an Objekte
anbringen, die zusammengefügt werden), aufkitten, gold anreiben (mit Polierstab polieren)

655 (Sta Gd) Nebenrezeß vom 12. April 1724, Punkt 17, und Vereinigungsrezeß von 1753/58, Punkt HO.
656 Die Arbeit am Brett für Mägde war jedoch in reichsstädtischer Zeit generell verboten.
(Sta Gd) RP 1750, 19. Juli 1750, S. 171. Das Goldschmiedemittel klagt gegen den Goldschmied Anton Weit-
mann, weil er eine Magd und seine Base an das Brett setzte. Der Rat untersagt dieses Verhalten.
(Sta Gd) Extr. RP 1750, 13. Oktober 1750, S. 197 und RP 1750, 13. Oktober 1750, S. 230. Die beiden Acht-
meister klagen gegen den Goldschmied Dominikus Schlecht, weil seine Magd am Brett wie eine Geselle ar-
beitet. Schlecht wird darauf zu 3 fl 15 x verurteilt, und die Magd muß ihren Dienst quittieren, wobei ihr verbo-
ten wird, jemals wieder sich von einem Goldschmied anstellen zu lassen, sonst müsse sie die Stadt verlassen.
657 (Sta Gd) JEGER: Periphrasia 1707, S. 988 bis 989. Undatiertes Verbott deren Leedigen Töchteren kein Aigen
Geschäfft, noch Kost zu haben.
In der Zeit um 1700 findet man hin und wieder den Hinweis auf Goldschmiedstöchter, die auswärts die Waren
des Vaters vertrieben, so wie zum Beispiel die Tochter des Goldschmieds Hans Mayer, die in Mariazell Ge-
schäfte tätigte (Sta Gd, RP 1702 bis 07, 27. März 1702, S. 39 bis 40).
658 (Sta Gd) RP 1761 bis 633, 7. Oktober 1762, S. 102 bis 105. Ratsdekret vom 7. Oktober 1762, Punkt 6. Bei Zu-
widerhandlung wurde die „Bauernmagd“ aus der Stadt verwiesen, die Bürgerstochter mußte ihren Dienst quit-
tieren, der Meister, der die Frau arbeiten ließ, erhielt eine Geldstrafe von 3 fl 15 x, und der Geselle, der nebst
der Magd arbeitete, mußte dafür 1 fl 30 x bezahlen. Die Geldstrafen gingen zu zwei Drittel an die Stadtkasse
und zu einem Drittel ans Handwerk.

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