päische und amerikanische Privatbesitz hat sich in selbstloser Weise
für Monate von seinen Schätzen getrennt; selbst der verwöhnteste
und gebildetste Beschauer, Sammler, Forscher sieht Unbekanntes,
erkennt Zusammenhänge, die ihm verschlossen waren, und ist dank
dem vielen Neuen, das er sieht, in steter Spannung,
☆
Das ergreifend großartige Schauspiel der einheitlichen Entwick-
lung italienischer Malerei vom 13, bis ins 16, Jahrhundert läßt sich
an Altarbildern, Predellen, Bildnissen und mythologischen Kom-
positionen in der Ausstellung ablesen. Die feierliche Ferne der Gott-
welt, symbolisiert durch den Goldgrund, der Entwirklichung und
Entwerdung ist, am Beginn, die Eroberung der Menschenwelt am
Schluß — dies die beiden Pole, Über der thronenden Madonna aus
Turin, die Cimabue zugeschrieben wurde und der linearen Strenge
und Anaturalistik, in die Giunta Pisanos Kreuzigung gebannt ist,
liegt die starre Großartigkeit von Byzanz, Italienische Kunst
schöpft am gleichen Quell wie russische Ikonenmalerei, Bleiben
aber russische Ikonen auf Jahrhunderte hinaus im byzantinischen
Bann, so erweitert italienische Malerei das Reich des Sichtbaren
von Generation zu Generation, Die Gestalten erstarken zu körper-
licher Schwere, der Himmel weicht der Erde, Studium von Ana-
tomie setzt ein, Verkürzung wird ein Wert an sich. Dem Licht wird
der Schatten zugesellt, die Zusammenballung der Farben wird
tiefer, reicher. Durch Perspektive auf mathematischer Grundlage
wird die Fläche verräumlicht. An Stelle von Goldgrund treten Land-
schaft und Innenraum, aber noch setzt keine der Wirklichkeit
entsprechende Relation zwischen Figur und Raum ein, weil die Dar-
stellung des Menschen das zentrale Thema italienischer Malerei ist;
Innenraum und Landschaft, so reizvoll sie an sich sind, haben nur
akzessorische Bedeutung, Beim Wandel der Formensprache werden
gelegentlich Anleihen bei der Antike gemacht, aber sie wirkt mehr
als Idee denn als Erscheinung,
Auf dem Boden der Kirche erwächst diese Kunst, Maria als
Gottesträgerin, das Idyll des Marienlebens, das Drama der Passion,
das Leben der Heiligen und Märtyrer in der bunten und vielge-
staltigen Art, wie es die Legende formt, diese Stoffwelt, unerschöpf-
lich in ihrer Fülle, regt den Künstler zum Schaffen an. An Glaubens-
tatsachen, Heilswahrheiten, am Mysterium des Gottesdienstes vor
dem Altar, an Geschichten des Alten und Neuen Testamentes ent-
zündet sich die Phantasie des Künstlers der Renaissance im gleichen
Maße, wie die Berührung mit der ewig neuen Natur den Künstler
unserer Zeit befruchtet und Visionen in ihm auslöst.
Und wie der damals allen vertraute Bildstoff immer wieder neu
abgewandelt wird, wie jeder Künstler ihm seine eigentümliche Form
aufprägt, wie als in die Renaissance ein heidnisch-weltlicher Zug
kommt und die Freude am Bildnis überwiegt, der Stifter sich in alle
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für Monate von seinen Schätzen getrennt; selbst der verwöhnteste
und gebildetste Beschauer, Sammler, Forscher sieht Unbekanntes,
erkennt Zusammenhänge, die ihm verschlossen waren, und ist dank
dem vielen Neuen, das er sieht, in steter Spannung,
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Das ergreifend großartige Schauspiel der einheitlichen Entwick-
lung italienischer Malerei vom 13, bis ins 16, Jahrhundert läßt sich
an Altarbildern, Predellen, Bildnissen und mythologischen Kom-
positionen in der Ausstellung ablesen. Die feierliche Ferne der Gott-
welt, symbolisiert durch den Goldgrund, der Entwirklichung und
Entwerdung ist, am Beginn, die Eroberung der Menschenwelt am
Schluß — dies die beiden Pole, Über der thronenden Madonna aus
Turin, die Cimabue zugeschrieben wurde und der linearen Strenge
und Anaturalistik, in die Giunta Pisanos Kreuzigung gebannt ist,
liegt die starre Großartigkeit von Byzanz, Italienische Kunst
schöpft am gleichen Quell wie russische Ikonenmalerei, Bleiben
aber russische Ikonen auf Jahrhunderte hinaus im byzantinischen
Bann, so erweitert italienische Malerei das Reich des Sichtbaren
von Generation zu Generation, Die Gestalten erstarken zu körper-
licher Schwere, der Himmel weicht der Erde, Studium von Ana-
tomie setzt ein, Verkürzung wird ein Wert an sich. Dem Licht wird
der Schatten zugesellt, die Zusammenballung der Farben wird
tiefer, reicher. Durch Perspektive auf mathematischer Grundlage
wird die Fläche verräumlicht. An Stelle von Goldgrund treten Land-
schaft und Innenraum, aber noch setzt keine der Wirklichkeit
entsprechende Relation zwischen Figur und Raum ein, weil die Dar-
stellung des Menschen das zentrale Thema italienischer Malerei ist;
Innenraum und Landschaft, so reizvoll sie an sich sind, haben nur
akzessorische Bedeutung, Beim Wandel der Formensprache werden
gelegentlich Anleihen bei der Antike gemacht, aber sie wirkt mehr
als Idee denn als Erscheinung,
Auf dem Boden der Kirche erwächst diese Kunst, Maria als
Gottesträgerin, das Idyll des Marienlebens, das Drama der Passion,
das Leben der Heiligen und Märtyrer in der bunten und vielge-
staltigen Art, wie es die Legende formt, diese Stoffwelt, unerschöpf-
lich in ihrer Fülle, regt den Künstler zum Schaffen an. An Glaubens-
tatsachen, Heilswahrheiten, am Mysterium des Gottesdienstes vor
dem Altar, an Geschichten des Alten und Neuen Testamentes ent-
zündet sich die Phantasie des Künstlers der Renaissance im gleichen
Maße, wie die Berührung mit der ewig neuen Natur den Künstler
unserer Zeit befruchtet und Visionen in ihm auslöst.
Und wie der damals allen vertraute Bildstoff immer wieder neu
abgewandelt wird, wie jeder Künstler ihm seine eigentümliche Form
aufprägt, wie als in die Renaissance ein heidnisch-weltlicher Zug
kommt und die Freude am Bildnis überwiegt, der Stifter sich in alle
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