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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 4 (April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0231
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DER KREIS
Zeitschrift für künstlerische Kultur
VIIL Jahrgang

Viertes Heft April 1931

Zwei Generationen
Von Christian Jenssen
Es gibt Menschen und Generationen, die wachsen mit einem Ideal
auf, halten während ihres ganzen Lebens daran fest und nehmen
es mit ins Grab, Andere Menschen und Generationen zertrümmern
das Ideal, mit dem sie und sobald sie aufgewachsen sind, und ihr
weiteres Leben kreist um ein leeres, reines Zentrum, in das sie ein
neues Ideal zu pflanzen sich mühen.
Das ist der Wellenkreis des Geschehens in der Menschenwelt —
nicht vollständig (denn es gibt sehr eigenwillige Zwischenstadien)
und in dieser einfachen Zuspitzung auch nicht in jeder Hinsicht
gültig; denn die Generationen und die Jahreszeiten der Ideale
durchdringen und überwachsen sich weitgehend, und es gibt immer
einzelne Menschen, die über den Wellenberg ihrer Generation und
des ihnen anerzogenen Ideals hinwegdenken und -fühlen, ohne damit
zugleich die Notwendigkeit zu revolutionären Taten zu sehen. Die
Anschauung nach Generationen hat also immer einige Vorbehalte,
Die „Generation“ als Forderung oder Entschuldigung, als Fest-
stellung einer gemeinsamen Grundstimmung oder als revolutionäres
Fanal, erfährt eben auch nur zeitwellenweise besondere Beachtung,
die bis zur Schlagwort-Wirkung geht, vornehmlich jeweils im
zweiten der oben umrissenen Stadien,
Aber die großen Zeitwellen, innerhalb derer selbst es wieder ein
anhaltendes Auf und Ab gibt, sind natürlich nicht wegzuleugnen —
als innerlich brandende Bestätigung des Vergehens wie des Wzerdens
—, wenn sie auch viel unsichtbarer, tiefer und irrationaler sind, als
man gewöhnlich annimmt. Mit Worten wie „Generation“, aber
auch wie „Evolution“ und „Revolution“ (Worten, die also nur Hilfs-
mittel sind) ziehen wir sie ins Sichtbare, Geordnete, Und in dem
jeweiligen Ideal — daß dies Wort gegenwärtig ein wenig abgeleiert
wirkt und unbeliebt ist, sollte uns nicht stören — versuchen wir
den Sinn der einzelnen Zeitwelle zu erkennen und wirklich zu
machen.
Die Generation, die im Krieg, in seinen Vorwehen (Expressionis-
mus) und Nachwehen (gesellschaftliche und staatliche Umwand-

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