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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 5 (Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0303
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Kraft des Gelingens, Seine Bildwerke werden einst zur Fassade un-
lösbar hinzugehören wie zu allen Zeiten Kunstwerke verschiedener
Epochen sich zu neuer Einheit verbunden haben, waren sie nur in
Form und Gesinnung einander ebenbürtig.
Endlich hat man, auch von Hamburgischer Seite unterstützt, den
Finanzierungsplan bemängelt: daß nämlich der Verkauf eines Dop-
pelstücks jeweils eine Lübecker Fassadenfigur bezahlt macht. Die
Einwände erfolgten zum Schutz der Einmaligkeit des Kunstwerks,
Bedenkt man indessen den hohen Standort an der Kirchenfront, so
wird man dankbar die Möglichkeit begrüßen, ein zweites Exemplar
an zugänglicherer Stelle zu bewundern. Und liegt nicht mehrfache
Ausformung im Wesen des keramischen Materials? Vor allem aber:
soll an theoretischen Erwägungen, die in reicheren Zeiten ihr Recht
zurückerlangen mögen, die Verwirklichung einer großen Idee end-
gültig scheitern?
Es hat wenig Wert, die gegnerischen Argumente mit Worten zu
entkräften. Die Werke selbst sprechen eine gewaltigere Sprache
und die Zeit wird besser für sie arbeiten als alle Verteidigungsreden,
Nur darüber sollen sich die Angreifer klar sein: hier ist eine Ge-
legenheit gegeben, unwiderruflich einen der Rechtfertigungsversuche
unserer Zeit vor der Geschichte schon im Entstehen zu vernichten.
Hört der Kampf nicht auf, so sinkt entmutigt des Künstlers Arm
und bricht der jetzt noch helfende Schutz der staatlichen Behörden
in sich zusammen. Ob das Werk so rein und groß vollendet werden
wird wie es geplant ist, das hängt nicht zuletzt auch davon ab, ob
wir für den Künsler das Schwerste und Notwendigste vollbringen
können: warten und vertrauen.
Ich finde freie Bahn
Von Ernst Barlach
V orbemerkung; Das Zeitalter wird unbildlich. Wollte man es sinnlich
haben, sehen und hören; es wäre ein Klumpen, Stank und Lärm, Man trauert,
mag man politisch denken wie man will, mit einer vielleicht falschen Sentimen-
talität, weil die letzten Könige verschwinden. Sie ergaben etwas Bildhaftes,
Persönliches für einen Staat und ein Volk, Nun aber dröhnt statt der Gestalt
eines Menschen Gestaltlosigkeit,
Aber ein Bild ist uns noch geblieben, und ich meine, wir können Land
und Menschen, ihr Schicksal und ihr Wesen doch noch in diesem Menschen-
bild sehen. Er ist kein König und trägt keinen bunten Rock und keine
Sterne, sondern es ist ein kleiner, alternder, grauer Mann, Ernst Barlach,
Er wohnt in der großen Stille unter dem grauen Himmel, in einen Winkel
des Kiefernwaldes bei der mecklenburgischen Landstadt Güstrow verkrochen.
Aber sein Haus, um das die schwermütigen Kiefern im Wind sausen, er-
scheint mir mit seinem Bewohner wie der Aufgang, oder der Sinn und die
Mitte der Welt, Wie der Kern, aus dem ihre Bewegung kommt, und dieser
Kern bleibt doch lautlos in der Ruhe des Rätsels der Mitte oder des Urquells
am Anfang. Er weiß alles Tiefste, und es ist, als seien die Urbilder von allem,
was in der Welt geschieht, bei ihm, aber weit entrückt von den Täuschungen

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