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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 11 (November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0677
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DER KREIS
Zeitschrift für künstlerische Kultur
VIII. Jahrgang

Elftes Heft

November 1931

Hegel und wir
Von Ernst Vowinckel
Am 14, November 1831 ist der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich
Hegel in Berlin an der Cholera gestorben. Die philosophischen
Kreise in allen Kulturvölkern rüsten sich, den hundertjährigen
Todestag Hegels feierlich zu begehen. Das Verzeichnis der deutschen
Hegel-Literatur von 1828—1928 umfaßt in den Erfurter „Litera-
rischen Berichten auf dem Gebiete der Philosophie“ 23 Spalten:
die Zahl der Darstellungen des Systems und einzelner Teile oder
Probleme desselben wird von 1929—1931 nicht klein sein. Es liegt
im Wesen unserer Gegenwart, daß die Bedeutung der einzelnen
Persönlichkeit von der Weite und Tiefe des Eindrucks abhängig
gemacht wird, den sie auf das Ganze der öffentlichen Meinung aus-
übt, Im ersten Drittel des verflossenen Jahrhunderts hatte Hegel
tatsächlich einen hervorragenden Platz in dem inne, was man
damals öffentliche Meinung nennen konnte. Was gilt uns heute in
der Umklammerung der politischen, sozialen, wirtschaftlichen Nöte
ein Philosoph, noch dazu ein Weltweiser von vor hundert Jahren?
Wir sind von Sachen umstellt, von Sachen erdrückt: so sollen denn
Sachen kommen, um uns zu befreien! Ja, die sogenannten Männer
der Tat: das sind die Werkzeuge der Sachen; für solche möchten
wir uns noch interessieren. Was gehen uns Ideen an? Was gar
Ideale?
„Die Philosophie treibt sich nicht im Leeren und Jenseitigen
herum; sie hat es immer mit Konkretem und schlechthin Gegen-
wärtigem zu tun,“ So lautet einer der berühmten programmatischen
Aussprüche Hegels, Das sollte auch uns zusagen, Suchen wir des-
halb unser Konkretes und unser Gegenwärtiges auf, um viel-
leicht doch dann das Bedürfnis nach „Philosophie“ zu entdecken.
Mit dem einfach Gegebenen gibt sich auch heute kein wünschender
und wollender Mensch zufrieden: und Wünschende und Wollende
sind wir doch alle, sofern nicht Resignation und Fatalismus uns
ergriffen haben. Aber Denkende? Man kann doch kein Objekt
wünschen, kein Ziel wollen, ohne es zu „denken“, sich eine Vor-
stellung davon zu machen. Jede Erfassung sachlicher Zusammen-
hänge tritt über die bare Gegebenheit hinaus, über die Beschreibung

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