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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 11 (November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0679
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Begriffen mit einer verzehrenden, fanatischen Logizität bewegen,
die wie ein Jonglieren mit glitzernden Kugeln anmutet: Bewegung,
so scheint es, nur um der Bewegung willen. Die Regel dieses Spiels
ist immer dieselbe: zwei Begriffe werden in eins gesetzt, um dann
wieder bereichert durch die gehabte Einheit auf höherer Ebene aus-
einanderzufallen zu erneuter Gegensätzlichkeit, die wieder nach
Einheit verlangt. Weil nun aber die Begriffe doch nicht abstrakte
Bildungen sind, sondern ihrem Wesen nach zugleich das „Leben“
umfassen, gewissermaßen das Leben unter dem Gesichtspunkt der
Idee sind, werden sie nicht wie tote Werkzeuge von dem Verstand
an die sinnlichen Erscheinungen herangebracht, um sie zu etwas
ganz anderem zu machen, sondern sind die Dinge selbst. Die Dinge
verwandeln sich in Begriffe, um aus dem Raume, in dem sie sich hart
stoßen, in ein Reich der Vereinheitlichung versetzt zu werden, wo
die Widersprüche aufhören; die Begriffe verwandeln sich dann
wieder in Dinge, damit die gewonnene Versöhnung nun lebendig
nutzbar gemacht werden kann. Diese Prozesse gehen nicht in der
Zeit vor sich, sondern in einer Unendlichkeit, die nicht ein Fort-
gang ins Infinite, in die endlose Wiederholung ist, sondern ein Kreis
von solchen Begriffskreisen, bei dem jeder Punkt einen Anfang und
ein Ende zugleich bedeutet: „Was im Reiche des Toten Widerspruch
ist, ist es nicht im Reiche des Lebens“ — und das Reich des Toten
ist nicht der das Leben umfassende Begriff, sondern die abstrakte
Werkzeugkategorie, die niemals die ewige Einheit mit dem Ding
kennen wird.
Die Menschen der Sachlichkeit, die bald von gestern sein wird,
haben das Ringen der impressionistischen Künstler und Dichter um
die „Wirklichkeit“ wahrscheinlich vergessen. Jene Künstler wollten
schaffen unter Ausschaltung aller subjektiven Beeinflussungen, die
man für Verfälschung der Natur hielt; sie wollten mit einem Mindest-
maß von subjektivistischer Sinnlichkeit nun doch die Leistungsfähig-
keit ihrer Sinne bis zum äußersten ausnutzen; sie erlebten als
Schaffende die ganze Tragik der Subjekt-Objekt-Einstellung des
Erkennenden,
Ein Gott vermags. Wie aber, sag nur, soll
ein Mann ihm folgen durch schmale Leier?
Sein Sinn ist Zwiespalt, An der Kreuzung zweier
Herzwege steht kein Tempel für Apoll,
Gesang, wie du ihn lehrst, ist nicht Begehr,
nicht Werbung um ein endlich noch Erreichtes;
Gesang ist Dasein. Für den Gott ein Leichtes.
Wann aber sind wir? Und wann wendet er
an unser Sein die Erde und die Sterne?
Dies i s t ' s nicht, Jüngling, daß du liebst, wenn auch
die Stimme dann den Mund dir aufstößt, — lerne
vergessen, daß du aufsangst. Das verrinnt.
In Wahrheit singen, ist ein andrer Hauch.
Ein Hauch um nichts. Ein Wahn im Gott, Ein Wind.

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