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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 11 (November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0682
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zehren können, wenn sein Herz auch zu groß und gelassen ist, um
auszurufen „und wie es auch war, es war doch so schön!“
Wer sich der Wirklichkeit beugt und doch in ihr ein Mehr von
Wirklichkeit schon auftauchen sieht, auftauchen als Aufgabe seiner
selbst, der ein Teil und ein Schöpfer von Wirklichkeit ist, der wird
durch die gesetzliche Anlage, der er nun tatsächlich wie einer Idee
vertrauen darf, zu eigenem Tun gestärkt: er erblickt ja im Sinn
den neuen Sinn, die neue Absicht, für die er verantwortlich ist
Hegel hat gewiß keinen Quietismus und Fatalismus gewollt: die Ab-
sicht der ewigen Idee wird eher durch die freie Energie des Selbst-
bewußtseins als durch die ihr eigene Form der Bewegung erreicht.
Uns aber widerstrebt es, die forteilende Welle durch die Kraft
unserer Arme lediglich zu demonstrieren. Die Haltung, die wir nach
dem verängstigten „Treffen“ der Zirkel und Kurven und Farb-
schattierungen einer in Punkte aufgelösten gleichgültigen Welt, nach
dem vorwitzigen, wahnsinngleichen „Ausdrücken“ von eingebilde-
ten, explosiven Seelen-Zündstoffen, nach der ermüdeten, neue Kräfte
sammelnden und kommenlassenden „neuen Sachlichkeit“ einzu-
nehmen beginnen, wird dankbar des hegelischen Denkens, das den
Glauben einer heroischen Seele denkt, sich erinnern, aber das Den-
ken nun nicht als vollendet und „stillgelegt“ nach-denken, sondern
aus dem Nichts der Gebundenheit echte, freie Tat herausholen, —
Machen wir uns die Sachlage doch unerbittlich klar! Wer seine
Handlungen, zu denen jeder bewußte (und unbewußte?) Pulsschlag,
jede hinhuschende Phantasievorstellung ebenso gehört wie der
Rhythmus des Gangs, das Zucken der Hände, ihre Schrift auf dem
Papier, das Spiel der Gesichtsmuskeln, die Arbeit des Berufs, die
zusammenhängende schöpferische Leistung, scharf prüft, wird in ihrem
entstehenden und sich vollendenden Ergebnis die beiden Ströme
aus Gehalten und Inhalten entdecken, die der gesetzlich-gesetzlosen
Außenwelt und der in ihrer Gesetzlichkeit deutlicheren Innenwelt
entspringen. Für den von der vollendenden Tat Rückwärtsblickenden
sind die Reste an „Freiheit“ gering: vielleicht beruht ihr Erscheinen
nur auf einem Noch-nicht-Wissen, Und doch: vor jeder Entschei-
dung, vor jedem Entschieden-Werden liegt ein überwältigend ge-
fühlter Augenblick, der nichts enthält als die schlichte Offenbarung
„hier ist ein Mehr als alle Gegebenheit — hier ist die „Gabe“ einer
„transzendenten“ Freiheit des Wesens, der jedesmal neu gesetzten
Ex-sistenz,“ Man hat das so ausgedrückt: aus dem Nichts steht die
Tat auf, die Tat, die allein die „freie“ zu heißen verdient. Gilt dieses
„Nichts“ als der fruchtbare Augenblick, der auf die Befruchtung
harrt, so kann man zustimmen. Wenn, wie es Schiller ausdrückt,
alles Samen und alles Frucht ist, so ist die Willensfreiheit der Über-
gang von einem Zustand des Wachstums zum andern. So ist die
„Idee“ in der im Augenblick unendlichen Zeit geborgen; so ist das
„Ideal“ nicht in die schlechte Unendlichkeit hinausgeworfen, son-

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