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Der Kreis: Zeitschrift für künstlerische Kultur ; Organ der Hamburger Bühne — 8.1931

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Nr. 12 (Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43624#0772
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dessen Haus und Herz alle Wesen beieinander sind, daheim sind,
der Tier, Frucht und Sonne umfängt, weil ihm nichts gehört. Die
Dreiheit wirkt in uns allen, sie erfüllt den heutigen Tag, sie steckt
in dem Kampf, in der Not des Jetzt ebenso wie in dem Wandel der
Zeiten, den wir Geschichte nennen. Wir haben in den drei Bildern
die traumhafte und sehr wirkliche Urzelle, Urgestalt alles dessen, was
auf verschlungenen Wegen in endlosen Formen ausgeht, sich ver-
schlingt, bekämpft, vernichtet und vollendet. Sollten wir ver-
zweifeln über den ,,Unsinn“ zeitlichen Geschehens, so trösten uns
die Bilder, denn sie geben uns Ahnung und Versicherung, das tief
innen in der Wirrnis des tausendfach verknoteten Knäuels der Sinn
des Gesetzes, des Lebens, der Ordnung des Schöpfers wirkt,
Beheim-Schwarzbachs Buch nun hebt ebenso Bilder aus dem
Chaos des scheinbar formlosen Heute, Sie stehen weit zurück, um
sie dämmert der Dom der Zeit, Aber sie sind gegenwärtig wie die
Bilder Dürers, Wie bei Dürer ist es die Drei im Menschen, die doch
wieder eine Eins wird: Die Kraft der männlichen Tat, die Gewalt
des Geistes über die dunklen Mächte, die Gnade des Heiligen,
Die drei Brüder, die hier die Prismenbrechung zeigen, leben, so
will es Beheim-Schwarzbach und die Kunst, in dem, was man als
Vergangenheit zu bezeichnen sich angewöhnt hat. Er hat dem einen
den Namen und etwas vom äußeren Schicksal des Niedersachsen-
herzogs Wittekind gegeben, dessen Bruder Draake mit mongo-
lischem Einklang zum Magier gemacht, den dritten aber, Daniel,
zum Bruder Serafitus, zum ersten wirklichen Christen auf der
dunkeln, von Winden und Geistern bewegten niederdeutschen
Heide, Denn der Schauplatz findet sich in der Lüneburger Heide,
aber es ist fast ebenso töricht, damit gewisse naturalistische Vorstel-
lungen zu verbinden wie mit dem Begriff Vergangenheit oder Ge-
schichte schul-erkenntnismäßige Vorstellungen, Mit dieser Art
rückt Beheim das Geschehen soweit zurück, daß es Bild wird, aber
er holt es doch wieder so nah heran, entkleidet es von dem Zu-
fälligen, Nur-Vergänglichen, daß alles in einem großen Bildsinn
gegenwärtig und „Dichtung“ ist. Man muß so etwas heute er-
wähnen, da den Scheuklappen der heutigen Begriffsstutzigkeit das
Selbstverständliche abhandengekommen ist: Es kann immer noch
vorkommen, daß ein gesinnungstüchtiger Moderner meint: Dichter,
dichte mir die Jetztzeit! Was das ist, weiß er nicht, daß Beheim es
außerdem auch macht, merkt er nicht. Er glaubt, das müsse so sein,
jede Zeit zeige sich selbst. Was sie ja auch tut, aber in folgender
Art: Goethe schreibt den „Faust“, den „Götz“, die „Iphigenie“, den
„Tasso“, Lauter Gegenwart, aber ich weiß nicht, ob Faust mit
Goethe in Leipzig studierte und ob Götz damals die Polizisten ohr-
feigte, Ich glaube auch, daß Archilles schon einige hundert Jahre
tot war, als Homer ihn bedichtete, so tot, wie die Leiche des Pa-
troklos, um die die Griechen kämpften. Als Aischylos den Prome-
theus schuf, war dessen Leben längst zum Geier und als Lionardo

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