Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Krenn, Margit; Winterer, Christoph
Mit Pinsel und Federkiel: Geschichte der mittelalterlichen Buchmalerei — Darmstadt: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), 2009

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.71566#0083
License: Creative Commons - Attribution - NonCommercial
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Außerdem war die Region ein europäisches
Zentrum der Goldschmiede- und Emailkunst sowie
des Bronzegusses. Allen voran haben die beiden
Metallkünstler Reiner und Godefried von Huy
Werke von großer Wirkung hinterlassen. Reiner
von Huy hat 1107 bis 1108 an seinem Meisterwerk,
dem Taufbecken aus Saint-Lambert in Lüttich
(heute in Saint-Barthelemy) auf der Grundlage re-
gionaler karolingischer, vielleicht daneben auch
spätantiker oder byzantinischer Vorbilder eine
Auffassung des menschlichen Körpers geboten, die
sich in den linear gezogenen Faltenschemata nach-
folgender romanischer Kunstwerke als Stilidiom
tradiert. (Annahmen, das Taufbecken stamme nicht
aus der maasländischen Tradition, sind dabei nicht
zu begründen.) Dieses zeigt etwa der Stil im Sakra-
mentar von Maria Laach (vgl. Abb.46). Statt geo-
metrischer Stilisierung wie bei der Maiestas Domini
aus Lüttich (vgl. Abb.48) sollen hier mit den offe-
nen Spannfalten in Doppellinien an den Ober-
schenkeln und den immer nach unten weisenden
Faltenwinkeln die Körper unter den Gewändern
und gleichzeitig das Gewicht der Kleider erkennbar
werden.
Reformorden und regionale Schulen
In den Klöstern hat man in den Zeiten der Kirchen-
reform versucht, unter Berufung auf das monasti-
sche Ideal und die Urkirche dem Verfall der Diszi-
plin und der Frömmigkeit entgegenzuwirken und
eine Erneuerung der „vita religiosa" auf der Basis ei-
ner strengeren Auslegung der Benediktregel durch-
zusetzen. Prägend war lange Zeit das schon 910
gegründete Reformkloster Cluny mit seinem erst-
mals zentralisierten Klosterverband und ab dem
frühen 12.Jahrhundert der Zisterzienserorden so-
wie die regulierten Gemeinschaften der Augustiner-
Chorherren, zu denen auch die Prämonstratenser
gehörten. Die zunehmende Zahl der neu illumi-
nierten Handschriften hängt schließliclr mit der
Zahl der neu gegründeten Reformklöster zusam-
men, die sich, von verschiedenen Zentren ausge-
hend, alsbald über ganz Europa verbreiteten und
einen enormen Bedarf an liturgischen und bibli-
schen Texten hatten.
Durch die Struktur der Reformorden, die sich
in zahlreichen Filiationen ihrer Gründungsorden
verästelten, und auch, weil Äbte und Mönche ge-
zielt in Neugründungen und in zu reformierende
ältere Klöster entsandt wurden, konnte sich ein
Austausch von Büchern und Künstlern entwickeln.
Deswegen lassen sich Stilverwandtschaften oftmals


muttuep

taffi

OTrifefet

^w

gif rero{

^annopu
wo tyrtte

dtor fä
I0mm ^ '_


na wdedicm$ dominus ^ cd^wfy
femfätyw+tw ^ificaittn et@mfa@^b


Prophet Esra zu Beginn des gleichnamigen Buchs
„In anno primo cyri regis". Vetus Testamentum, We-
dinghausen, 1220. Hs48 Bd. 1, fol. 223r (53 x 36 cm).

weniger durch geografische Nähe erklären als durch
Ordenzugehörigkeiten; sie sind ebenso bedingt
durch politische Allianzen sowie Handelsbezie-
hungen und gehen nicht selten mit der Mobilität
der Maler einher. Besonders eng waren die Verbin-
dungen zwischen dem Bistum Lüttich, das zur Kir-
chenprovinz Köln gehörte, und dem Rheinland.
Klöster wie Stablo (Stavelot) und Gembloux besa-
ßen rege Kontakte zu Klöstern und Bischöfen in
Deutschland und selbst zu deutschen Königen. Ro-
ger von Helmarshausen (um 1070 - nach 1125) kam
beispielsweise aus dem Maasgebiet über Sankt
Pantaleon in Köln nach Helmarshausen. Der Bene-
diktiner und Theologe Rupert von Deutz (ca.
1080-1129/30) war als Kind in das Kloster Saint-

83 3. Aufschwung und
Vielfalt romani-
scher Buchkunst
 
Annotationen