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I. EINLEITUNG.

DIE STELLUNG DER OBERRHEINISCHEN LANDE IN DER
GESCHICHTE DER MALEREI DES XV. JAHRHUNDERTS.

\ (H^as 15. Jahrhundert ist für alle Kulturländer das goldene Zeitalter in
» der Entwicklung der Malerei und der graphischen Künste überhaupt.
Uberall begegnet man um die Mitte dieses Säkulums den Versuchen, die alten
seelenlosen Typen mit wahrem Leben zu erfüllen, ohne daß man vielfach die
treibenden Kräfte zu erkennen im stände ist, die diesen Frühling auf dem
Gebiete der christlichen Kunst hervorzuzaubern vermochten in einer Zeit, die
politisch und religiös dem Zerfall entgegenging.

Auffallend war bis dahin die Malerei hinter ihren Schwesterkünsten
zurückgeblieben; denn während das 12. und 13. Jahrhundert die Wunder-
bauten des Übergangsstils und der Gotik schaffen und auch auf dem Gebiete
•der Plastik Werke von klassischer Schönheit hervorbringen, fristet die Malerei
geradezu ein kümmerliches Dasein. Man versteht diese auffallende Tatsache
sofort, wenn man sich erinnert, daß der spätromanische Kirchenbau mit seiner
reichen Innenarchitektur und noch mehr die gotische Kathedrale mit ihren
breiten und hohen Fenstern, die fast alle Wandflächen ausfüllen, für große
Bilderserien keinen Baum übrig ließen.

Einen besondern Zweig d.er Malerei hat die Gotik allerdings mächtig
gefördert, die Glasmalerei, die aber bei ihrem mehr handwerklichen Betrieb
■einen tiefgehenden Einfluß auf die Entwicklung der zeichnerischen Künste
nicht ausgeübt hat.

Man würde jedoch sehr irren in der Annahme, daß in der gotischen
Periode die Wandmalerei keine Gelegenheit hatte, sich zu betätigen, viel-
mehr ist es eine Tatsache, daß alle kleineren Gotteshäuser wie überhaupt
alle mit verputzten Innenflächen stets dekorativen, vielfach auch monumen-
talen Wandschmuck aufwiesen. Aber es sind fast ausnahmslos Dorfkirchen
oder Gotteshäuser in kleineren Landstädten, die hier in Betracht kommen,
und die Ausmalung rührt von dörflichen Handwerkern her. Wenn uns trotz-
dem aus der Zeit von 1250 bis 1450 verhältnismäßig wenig Wandgemälde er-
halten sind, so liegt das einmal an der Natur des leicht abbröckelnden Unter-
grundes, der sie trug, dann aber auch an der Notwendigkeit, die im Laufe
der Jahrhunderte bestaubten und beschmutzten Kirchenwände zu reinigen.
Man hat sich vielfach daran gewöhnt, das 17. und 18. Jahrhundert des Van-
dalismus zu beschuldigen, weil sie die bildergeschmückten Wände der gotischen
Kirchen übertünchten. Es ist dieses Verfahren in vielen Fällen aber nicht
■der Geringschätzung der alten Gemälde zuzuschreiben, die allerdings vielfach

Künstle, Drei Lebende und drei Tote. 1
 
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