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III. Exkurs über die .Takobsiegende.

Vor kurzem gingen sechs Holztafeln, ca 1 m hoch und 0,6 m breit, aus
dem Besitz eines Privatmannes in die städtische Altertumssammlung
zu Freiburg über, die unsere Pilgerlegende zum Gegenstande ihrer Dar-
stellung haben. Wie der Geschenkgeber mitteilte, sollen die Tafeln aus einer
jetzt abgebrochenen Kapelle in oder bei Überlingen a. S. stammen.

Die Gemälde zeigen folgende Szenen:

1. Die drei niederdeutschen Pilger werden von dem Wirte
begrüßt.

2. Der Wirt steckt, während die Pilger schlafen, den Becher
in den Reisesack derselben.

3. Der Wirt holt die Pilger, die auf der Weiterreise be-
griffen sind, ein und findet den Becher.

4. Der Sohn wird an den Galgen gehängt.

5. Die Eltern stehen vor dem Richter und bringen die Nachricht
von ihrem am Galgen lebend hängenden Sohn; zum Beweise, daß sie die
Wahrheit sagen, fliegen die gebratenen Hühner in die Höhe.

6. Der Wirt wird aufgeknüpft; auf dem Querbalken des Galgens
sitzt der Teufel und zieht die Seele aus dem Munde des Bösewichts, während
im Vordergrund der Henker seinen Lohn von zwei Beamten empfängt.

Unter der 5. Tafel hat der Künstler sich genannt mit der Notiz: 1539.
Anton Schmid, Mahler.

Allem Vermuten nach ist zwischen Nr 4 und 5 eine Tafel verloren
gegangen, denn zum Verständnis des Ganzen gehört notwendig das Ein-
treffen der Pilger am Grabe des Apostels in Santiago. Sollte der Zyklus
aber auch fragmentarisch sein, so ist er für die Ikonographie der Jakobs-
bilder doch von Wichtigkeit, schon wegen ihrer Herkunft und ihrer genauen
Datierung.

Kunstwerke sind die Freiburger Tafeln zwar nicht und ihr Verfertiger
ist ein schlichter, handwerklicher Schilderer, der sich zwar bemüht, richtig
zu zeichnen, der es aber doch nur zu ganz hausbackenen Gestalten in ele-
mentarstem Kolorit bringt. Die Gebäude, die die Szenerien abschließen, sind
durchaus schematisch gehalten.

Ich erinnere hier ferner an die oben beschriebene abgekürzte Jakobs-
legende in Wollmatingen 1.

Es wurde oben darauf aufmerksam gemacht, daß sich zu Tavel bei
Fribourg (Schweiz) bis in unsere Zeit die mittelalterliche Jakobsbruderschaft
erhalten hat und daß man von dort aus noch im 19. Jahrhundert Pilgerfahrten
nach Santiago arrangierte. Hier wurde wohl auch zum letztenmal unsere
Pilgerlegende an der dortigen Jakobskirche von einem Maler Jakob Stoll
im Jahre 1769 in folgender Weise bildlich dargestellt:

1. Die beiden Pilger liegen in einem Bett; der Wirt mit seiner
Tochter, vom Teufel begleitet, steckt den Becher in den Sack der Reisenden;
darunter folgende Verse:

Zwen bilger, vatter im söhn sein,
By einem würth sie kerten yn;
Der wirth, verfürt von hölisclie drack,
Verbürgt sein bächer ins bilger sack.

1 S. 16.
 
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