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3. Die Darstellung der Legende in der bildenden Kunst des Mittelalters. 43

zweite schlingt ein rotes Tuch um die Mittes des Leibes, der dritte ist als
nacktes Skelett gezeichnet.

Ein solches Bild mag dem unbekannten französischen Bearbeiter vor-
gelegen haben, der in Manuskript 198 Fonds Notre-Dame der Nationalbibliothek
zu Paris die Reden sowohl der Lebenden wie der Toten Frauen in den Mund
legte und die Legende überschrieb: Dit des trois mortes et des trois vives1.

Außerdem weiß ich zu dieser Rubrik nur noch die kolorierten Zeich-
nungen in dem oben beschriebenen Wolfenbüttler Codex anzuführen, der nicht
nur einen originellen und höchst eigenartigen Text aufweist, sondern auch in
seinen Illustrationen bisher ohne Vorbild ist. Da der Zeichner auf eine künst-
lerische Komposition verzichtet und die einzelnen Gestalten naiv neben ihre
Bollen stellt, ist das ikonographische Interesse dieser Bilder gering, aber viel-
leicht darf man gerade aus dieser einfachen Behandlung des Gegenstandes
auf ein beträchliches Alter der Vorlage schließen.

II. Die Legende als Illustration in kirchlichen Büchern.

Mit dem Aufkommen der Totentänze und ihrer Verbreitung in den Drucken
vom Ende des 15. Jahrhunderts an verschwand das Interesse an unserer
Legende als Ganzes, und sie wird fast nur entweder in abgekürzter Form
verbreitet in der Weise, daß man auf den Spruchbändern einer jeden der
Gestalten je zwei Verse anbrachte, die den Inhalt ihrer Ansprache wieder-
geben, oder es wird auf den Text ganz verzichtet. In dieser Form wird die
Legende abgebildet:

1. in liturgischen Handschriften und Inkunabeln.

a) Dahin gehören zunächst Psalterien, so im Britischen Museum
Arund el Manuskript Nr 83, fol. 128 aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts
und der Psalter des Herzogs von Anjou in Paris Eibl. Nationale lat.
Nr 18014 aus dem Jahre 1390. In beiden stehen die drei Toten den drei
Lebenden gegenüber. Im Londoner Codex ist die eine der gekrönten lebenden
Figuren als Frau charakterisiert, und im Pariser Psalter trägt ein König die
Gesichtszüge des Herzogs von Anjou 2.

b) Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verlegten sich eine Reihe
von französischen Buchdruckern auf die Herstellung von glänzend ausgestatteten
Gebetbüchern (Heures), meist das Officium beatae Mariae Virginis und das
Totenofficium enthaltend; als Illustration zu letzterem ist häufig die Bilder-
serie der Danse macabre und unsere Legende beigegeben3. Ikonographisch
sind diese Darstellungen jedoch nicht wichtig, weil gewöhnlich das oben be-
sprochene Bild aus der Grande danse macabre wiederholt wird. In fast allen
europäischen Bibliotheken finden sich solche Gebetbücher mit Bildern unserer
Legende. Sie einzeln aufzuzählen, ist hier nicht meine Aufgabe; es genügt,
auf einige Exemplare mit ikonographicchen Besonderheiten hinzuweisen. So
besitzt die k. k. Hofbibliothek in Wien ein Totenoffizium (Cod. 19841 saec. XV)
mit einer Miniatur in der merkwürdigen Auffassung, daß die drei Toten nicht
am Boden stehen, sondern mit Wurfspießen bewaffnet in der Luft schweben4.

1 Ich entnehme die Notiz Kastner, Les
Danses des Morts 11.

- Nachträglich werde ich auf das sehr be-
lebte Bild im Psalterium der Königin Bonne,
Gemahlin Jean II (f 1349) , aufmerksam.
Wo die Handschrift sich heute befindet, ist
mir unbekannt. Vgl. Vitzthum, Reperto-

rium für Kunstwissenschaften XXVIII (1905)
218.

3 Vgl. Brunet, Nouvelles recherches biblio-
graphiques III, Paris 1839, und die Ergän-
zungen von Massmann a. a. 0. 110 ff; ferner
Soleil, Les Heures gothiques, Rouen 1882.

* Vgl. v. Perger a. a. O.
 
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