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3. Die Darstellung der Legende in der bildenden Kunst des Mittelalters. 45

Besondere Hervorhebung verdient noch das französische Gebetbuch Codex
Harl. Nr 2917 im Britischen Museum saec. XV, worin eine Miniatur auf
Bl. 119 a die drei Lebenden als Papst, Kaiser und König charakterisiert1.

c) In andern liturgischen Handschriften und Drucken scheint unsere
Legende nur selten verwendet worden zu sein. Ich kann nur auf ein Gra-
duale aus dem Jahre 1490 und auf ein Cancionale aus Kuttenberg, beide in
Wien, hinweisen 2. — Es ist aber wohl kein Zweifel, daß bei systematischer
Durchsuchung der Bibliotheken sich noch viele Belege von der Verwendung
unserer Legende nachweisen lassen; wohl auch für folgende Rubrik:

2. Handschriften zur privaten Erbauung.

Es scheint, daß man die drei Lebenden und die drei Toten auch als Illu-
stration zum Speculum humanae salvationis und verwandten Texten be-
nutzte; ich kann wenigstens zwei Münchener Handschriften namhaft machen, wo
dies zutrifft. In der Handschrift Cgm 3974, fol. 59 stellt der Zeichner dreimal
in ganz gleicher Weise auf grüner Rasenfläche je einen toten König einem
lebenden gegenüber und umhüllt sie mit grotesken Spruchbändern (Tafel Elb).
Auf die Texte, die man auf ihnen liest, ist offenbar das Hauptgewicht gelegt:

Die lebenden Könige sprechen:

1. Ach got durch deyn wunder manigfalt
Wy seynd dy drey so yemerlich gestalt.

2. Wurden sy ye leuten geleich?
Das dunket mich gar wunderlich.

3. Süllen wir alle werden so,

So wurden wir nymer pillich fro.

Die toten Könige antworten:

1. So wir ez hewt, so seyt ir es morgen;
Ich maj'n euch all drey da voren.

2. Dez ir seyd, das woren wir,
Das wir seynd, das werdent ir.

3. Auch mag euch wol wunder han,
Wye wir so iemerlich seyn getan 3.

Auf einem Berliner Holzschnitt aus der ehemals Naglerschen Sammlung
kehren diese Verse nach Massmanni in fast identischer Fassung wieder; in
ähnlicher Form werden sie uns noch begegnen.

Die andere Münchener Handschrift Gm 14 053, saec. XV—XVI, aus St Em-
meram stammend, bringt fol. 143v—145v (neue Paginierung) die Legende in
totentanzartiger Ausgestaltung auf folgenden vier Holzschnitten:

a) Ein Eremit liegt tot am Boden; seine Seele hat ein vor ihm stehender
Engel in Empfang genommen (Bild 10).

b) Ein König, Reichsapfel und Scepter tragend, steht neben einem toten
König (vana potentia mundi) (Bild 11).

c) Ein Toter disputiert mit einem Rechtsgelehrten (vana scientia mundi)
(Bild 12).

d) Eine Königin, sich im Spiegel beschauend, wird von einem gekrönten
Toten angefaßt, der in seiner linken Hand ebenfalls einen Spiegel hält und den
linken Fuß tanzend erhebt (vana pulchritudo mundi) (Bild 13).

III. Darstellungen der Legende ohne Beziehung zu einem
bestimmten Text.

Auf einen holländischen Kupferstich saec. XV., früher im Besitze von
Dr F. Lippmann, jetzt in demjenigen eines Herrn Mitchel in London, machte

1 Vgl. Dobbert, Repertorium IV 11.

2 Vgl. Hg, Mitteilungen der k. k. Central-
Commission zur Erhaltung der Baudenkniale
XVII, LXXXIV, und v. i'erger, Berichte
und Mitteilungen 134.

3 So hat Mass mann, Serapeum VIII 136,
den Text entziffert; auf meinen Pausen
kommt dieser nicht ganz deutlich zum Aus-
druck.

4 Serapeum VIII 137.
 
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