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64 V -Der Totentanz und die Legende der drei Lebenden und der drei Toten.

tanzes das Tanzmotiv aus dem deutschen Sprichwort „nach jemandes Pfeife
tanzen" erklären wollte, mit der ganzen richtigen Motivierung, daß dieser
Ausdruck erst dem Gemälde entlehnt sei.

Doch legt Fiorillo auf diese grundsätzlichen Erörterungen kein großes
Gewicht; seine Absicht geht dahin, die mannigfaltigen Totentanzdarstellungen
genau zu unterscheiden, sie in chronologischer Ordnung vorzuführen und fest-
zustellen, inwieweit Holbein als Maler von Totentanzbildern in Betracht kommt.

. B. DIE TOTENTÄNZE IN DER FRANZÖSISCHEN UND ENGLISCHEN LITERATUR.

Die erste selbständige Schrift über Totentänze verdanken wir dem Fran-
zosen Gabriel Peignot1, der gleich in den ersten Sätzen hervorhebt, daß
er über sein Thema, abgesehen von zwei kleinen Abhandlungen über Toten-
tanzdrucke, keine Literatur vorgefunden habe. Peignot muß ein komischer
Herr gewesen sein. Nachdem er auf LVI Seiten über den Totentanz über-
haupt und die Totentanzdrucke im besondern gehandelt hat, sieht er zu seinem
Schmerze, daß sein Büchlein doch zu klein ausgefallen sei, und kündet in
einem Avertissement dem Leser an, daß er nun noch einen Aufsatz über den
Ursprung und die Geschichte der Kartenspiele beifügen wolle. Doch statt
dessen folgt zunächst auf 74 Seiten eine Abhandlung über den Totentanz von
Basel und jenen von Holbein, die man voneinander unterscheiden müsse, und
auf Seite 77—194 eine ermüdende Behandlung der Dance macabre, der Dance
des aveugles etc. Jetzt erst wird die in Aussicht gestellte Geschichte der
Kartenspiele angefügt. Viele Kapitel hätte Peignot sich sparen können, wenn
er den grundlegenden Aufsatz des verständigen Fiorillo gekannt hätte. Wie
dieser geht auch Peignot von den antiken Todesdarstellungen aus und schildert
zunächst die bekannte Szene im „Gastmahl des Trimalchio" von Petronius
(Satir. 34), wo erzählt wird2, daß nach einem üppigen Mahle ein Sklave
ein silbernes Skelett brachte, das er nach Art einer Gliederpuppe den Gästen
vorführte, wozu Trimalchio die Worte deklamierte:

Heu! heu! nos miseros quam totus homuncio nil est!
Quam fragilis tenero flamme vita cadit!
Sic erimus cuncti, postquam nos auferet orcus.
Ergo vivamus, dum licet esse bene.

Nachdem er sodann noch auf einen von Gori veröffentlichten geschnittenen
Stein hingewiesen, auf dem ein Skelett vor einem Flöte spielenden Landmann
tanzt, glaubt er unter Hinweis auf die tanzenden Skelette von Cumae fest-
stellen zu können, daß den Alten die Idee des Totentanzes nicht unbekannt
gewesen sei.

Im christlichen Mittelalter, als die ursprüngliche Reinheit der Sitten be-
denklich nachgelassen habe, sei man auf die Idee gekommen, dem Volke, um
es zu sittlichem Ernste zurückzuführen, den Tod in sinnlich wahrnehmbaren
Bildern vorzuführen, und unter dem Eindruck der großen Sterben im 14. Jahr-
hundert seien alsdann die Totentänze entstanden.

Darnach möchte man vermuten, daß Peignot den Aufsatz von Fiorillo, der
ja den gleichen Gedanken ausspricht, gekannt hat, obwohl er ihn nicht nennt.

1 Recherches liistoriques Sur les danses des - Eine ähnliche Sitte erwähnt Herodot

morts et Sur l'origine ä jouer, Dijon 1826. II, 78.
 
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