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IV. Die Legende von den drei Lebenden und den drei Toten.
St-Nicolas-en-Havre zu Möns. Ich gebe die Beschreibung von Braun, da mir
eine Abbildung nicht zur Verfügung steht1:
„Zu Osnabrück sind die Besätze eines Pluviale, zu Möns diejenigen einer
Kasel und eines Pluviale mit Totentanzszenen bestickt. Ehedem waren das
auch die Stäbe der zu den beiden letztgenannten Gewändern gehörenden und
noch vorhandenen Dalmatiken, doch wurden von denselben leider in späterer
Zeit die Darstellungen entfernt.
Auf dem einen der beiden Längsstreifen des Osnabrücker Pluviale, von
denen jeder aus drei von einer Borte umsäumten und in ihrem oberen Teile
mit einer Arabeske gefüllten Feldern besteht, holt der Tod die geistlichen
Würdenträger zu seinem grausigen Tanz. Im obersten Felde führt er den
mit der Tiara gekrönten Papst, im mittleren einen Kardinal, im unteren einen
Bischof von dannen. Auf dem andern Stab ladet der Knochenmann die welt-
lichen Großen zu seinem Plagen ein, den Kaiser mit der Erdkugel, einen
König mit dem Zepter und einen Edelmann mit einem Falken.
Genau die Legende gibt der Schild des Pluviale wieder. In der Mitte
erhebt sich ein Kreuz; rechts davon gewahren wir drei Edelleute hoch zu
Roß. Sie sind, wie der Falke auf der Hand eines der Reiter bekundet, aus-
gezogen, um die Lust der Jagd zu genießen. Mit Schrecken schauen sie auf
drei gespenstige Gestalten, die auf der andern Seite des Kreuzes ihnen in
den Weg getreten sind. Es sind drei Gerippe, von denen eines eine Sense
trägt, das zweite die Hände nach den Reitern ausstreckt, das dritte eine
Lanze auf die Gesellen schleudert.
Vollständiger als auf dem Osnabrücker Pluvialbesatz ist die Reihe der
Darstellungen auf der Kasel und dem Pluviale von St-Nicolas zu Möns. Die
Kasel hat auf dem Rücken ein Kreuz, auf der Vorderseite einen bloßen Stab.
Bedauerlicherweise ist ersteres in seinem unteren Teile erheblich verstümmelt.
Auch die Stäbe und der Schild des Pluviale sind nicht unversehrt geblieben.
Jene wurden — wie es scheint, bei einer Restauration des Gewandes — ver-
kürzt, dieser hat sich einen Ausschnitt gefallen lassen müssen. . . .
Was die Darstellung der Kaselbesätze anlangt, so enthält das Kreuz in
den Querbalken und in dem oberen Teil des Längenbalkens den Weltenrichter,
der die Toten aus den Gräbern ruft. Rechts und links knien fürbittend Maria
und Johannes. Zu den Füßen.des auf dem Erdball thronenden Gottmenschen
steigen zwei Tote aus ihrer Gruft. Den Rest des Längenbalkens nehmen
zwei Totentanzszenen ein, Tod und Papst und Tod und Kardinal. Auf dem
Stabe der Brustseite des Gewandes befinden sich zwei weitere, oben Tod und
Erzbischof, darunter Tod und Bischof. Zu beachten ist, daß auf dem Meß-
gewand nur solche Szenen des Totentanzes angebracht sind, in denen geist-
liche Personen zum Todesreigen abgeholt werden.
Die Darstellung auf dem Schilde des Pluviale entspricht dem Bild im
oberen Teile des Meßgewandkreuzes. Sehen wir dort die Auferweckung der
Toten zum Gericht, so gewahren wir hier als Gegenstück dazu die Wieder-
erweckung des Lazarus.
Die Stäbe des Pluviale bestehen gerade wie beim Osnabrücker Chorkappen-
besatz aus je drei übereinander angebrachten Feldern. Es haben auf ihnen
die weltlichen Herren ihren Platz erhalten. Die Reihenfolge der Szenen be-
ginnt an der linken Seite mit Tod und Kaiser; darunter folgt Tod und König,
1 Stimmen aus Maria-Laach LX (1901) IIS ff.
IV. Die Legende von den drei Lebenden und den drei Toten.
St-Nicolas-en-Havre zu Möns. Ich gebe die Beschreibung von Braun, da mir
eine Abbildung nicht zur Verfügung steht1:
„Zu Osnabrück sind die Besätze eines Pluviale, zu Möns diejenigen einer
Kasel und eines Pluviale mit Totentanzszenen bestickt. Ehedem waren das
auch die Stäbe der zu den beiden letztgenannten Gewändern gehörenden und
noch vorhandenen Dalmatiken, doch wurden von denselben leider in späterer
Zeit die Darstellungen entfernt.
Auf dem einen der beiden Längsstreifen des Osnabrücker Pluviale, von
denen jeder aus drei von einer Borte umsäumten und in ihrem oberen Teile
mit einer Arabeske gefüllten Feldern besteht, holt der Tod die geistlichen
Würdenträger zu seinem grausigen Tanz. Im obersten Felde führt er den
mit der Tiara gekrönten Papst, im mittleren einen Kardinal, im unteren einen
Bischof von dannen. Auf dem andern Stab ladet der Knochenmann die welt-
lichen Großen zu seinem Plagen ein, den Kaiser mit der Erdkugel, einen
König mit dem Zepter und einen Edelmann mit einem Falken.
Genau die Legende gibt der Schild des Pluviale wieder. In der Mitte
erhebt sich ein Kreuz; rechts davon gewahren wir drei Edelleute hoch zu
Roß. Sie sind, wie der Falke auf der Hand eines der Reiter bekundet, aus-
gezogen, um die Lust der Jagd zu genießen. Mit Schrecken schauen sie auf
drei gespenstige Gestalten, die auf der andern Seite des Kreuzes ihnen in
den Weg getreten sind. Es sind drei Gerippe, von denen eines eine Sense
trägt, das zweite die Hände nach den Reitern ausstreckt, das dritte eine
Lanze auf die Gesellen schleudert.
Vollständiger als auf dem Osnabrücker Pluvialbesatz ist die Reihe der
Darstellungen auf der Kasel und dem Pluviale von St-Nicolas zu Möns. Die
Kasel hat auf dem Rücken ein Kreuz, auf der Vorderseite einen bloßen Stab.
Bedauerlicherweise ist ersteres in seinem unteren Teile erheblich verstümmelt.
Auch die Stäbe und der Schild des Pluviale sind nicht unversehrt geblieben.
Jene wurden — wie es scheint, bei einer Restauration des Gewandes — ver-
kürzt, dieser hat sich einen Ausschnitt gefallen lassen müssen. . . .
Was die Darstellung der Kaselbesätze anlangt, so enthält das Kreuz in
den Querbalken und in dem oberen Teil des Längenbalkens den Weltenrichter,
der die Toten aus den Gräbern ruft. Rechts und links knien fürbittend Maria
und Johannes. Zu den Füßen.des auf dem Erdball thronenden Gottmenschen
steigen zwei Tote aus ihrer Gruft. Den Rest des Längenbalkens nehmen
zwei Totentanzszenen ein, Tod und Papst und Tod und Kardinal. Auf dem
Stabe der Brustseite des Gewandes befinden sich zwei weitere, oben Tod und
Erzbischof, darunter Tod und Bischof. Zu beachten ist, daß auf dem Meß-
gewand nur solche Szenen des Totentanzes angebracht sind, in denen geist-
liche Personen zum Todesreigen abgeholt werden.
Die Darstellung auf dem Schilde des Pluviale entspricht dem Bild im
oberen Teile des Meßgewandkreuzes. Sehen wir dort die Auferweckung der
Toten zum Gericht, so gewahren wir hier als Gegenstück dazu die Wieder-
erweckung des Lazarus.
Die Stäbe des Pluviale bestehen gerade wie beim Osnabrücker Chorkappen-
besatz aus je drei übereinander angebrachten Feldern. Es haben auf ihnen
die weltlichen Herren ihren Platz erhalten. Die Reihenfolge der Szenen be-
ginnt an der linken Seite mit Tod und Kaiser; darunter folgt Tod und König,
1 Stimmen aus Maria-Laach LX (1901) IIS ff.