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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Editor]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 56.1905-1906

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Heilmeyer, Alexander: Neuere Münchener Grabmäler, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10293#0113
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Neuere Münchener Grabmäler.

;86. Jos. Röpf (Gußstein); Grabmal Troglauer.

den Lehrer Stamber (Abb. (93) versucht, den
Stein etwas mehr lebendiger zu gestalten. Der
ganze Block ist in eine bildliche Erscheinung aus-
gelöst. Wieder etwas Ähnliches versuchte auch
3°1ef Haßnacht (Abb. (95), wenn sich auch hier noch
zage und ängstlich die Bildnerei in bescheidenen
Grenzen hält. Etwas weiter geht schon Paul Wenz
in dem Grabmal des Ingenieurs Mellinger (Abb.
(90), wo die Lösung der das Belief umgebenden
Partien einen entwickelteren Formensinn zeigt. Auch
die Grabstätte der Familie Schwaiger ziert ein von
Wittmann entworfenes und von Boit ausge-
führtes Denkmal, (Abb. (9(), das sich der bisherigen
Schablone entzieht und neue gefällige Formen an-
nimmt. Neues will auch Gasteiger in seinem

Arrangement (Abb. (92). Pier sind verschiedene
Materialien verwendet und gerade dadurch der Reiz
des Eindruckes wesentlich gesteigert. Die gute Wir-
kung eines von Wrba für die Familie Bertsch
geschaffenen Denkmals (Abb. (96) beruht zum größten
Teil auf diesen Faktoren.

Bei den meisten dieser Arbeiten ist Muschelkalk
verwendet, ein Material, das man jetzt häufig an
unseren Bauten sieht. Er ist wetterbeständig und
bietet der bildnerischen Tätigkeit keine besonderen
Schwierigkeiten. Zudem ist die Struktur und Färbung
von einer angenehmen Wirkung. Wir haben hier
zweifellos einen Stein, der sich zur Ausführung von
Grabmalen trefflich eignet. Auch Tuff- und Aalk-
steine, Granite rc. sind haltbar, während Sandsteine,
Marmor bei unserem Alima nicht zu empfehlen sind.
Ein Material, das sich auf unseren Friedhöfen all-
mählich eingebürgert hat, gegen das aber der gute
Geschmack ankämpfen soll, so oft Gelegenheit dazu
geboten wird, ist der Syenit (schwedischer Granit).
Die Industrie, die sich mit der Perstellung dieser
Steine befaßt, hat sich des ganzen Gebietes bemäch-
tigt und verbreitet sich wie eine Seuche über alle
Friedhöfe. Überall sehen wir diese nüchternen,
schwarzen Blöcke in Gestalt von recht- und vier-
eckigen Steinen, Obelisken, Pyramiden, Säulen auf-
ragen, meist mit einer glänzenden Politur versehen.
Doch das ist noch nicht das Schlimmste, die wahre
Geschmacklosigkeit äußert sich erst in der Zusammen-
stellung von schwarzpoliertem Sockel und weißem
Marmorkreuz oder weißem Sockel und schwarzem
Syenitkreuz oder einer schwarzpolierten Säule ■—- das
reinste Ofenrohr.

Wie heimlich mutet dagegen die auf unseren
Münchener Friedhöfen häufig vorkommende Form
des Marterls und der Totenleuchte an (Abb. (97).
Man könnte noch viel mehr auf alte, bodenständige
Formen zurückgehen, ohne sich direkt ihrer Formen-
sprache zu bedienen. Die aus unseren Friedhöfen
am häufigsten vorkommende Form von Grabmälern
ist die des Areuzes. Das Areuz ist das Wahr-
zeichen des konfessionellen Airchhofs. Die bis zu
einem gewissen Grade einheitliche Wirkung alter
Airchhöfe beruht nicht zum wenigsten auf der Gleich-
artigkeit und dabei doch Mannigfaltigkeit der Formen.
Die älteste Form des Areuzes auf Friedhöfen müssen
wir in den sog. Steinen mit eingehauenem Areuz-
zeichen suchen. Wann die ersten pochkreuze auf-
kamen, ist eine Frage der christlichen Aunstarchä-
ologie. Das pochkreuz mit seinem langen Stamm
und Querholz kann man sich in Stein ausgeführt
kaum denken. Seine ganze Form weist auf polz
hin. Der frei abstehende Querbalken setzt der Aus-
 
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