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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 61.1910-1911

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Westheim, Paul: Dänische Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7091#0279
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Dänische Kunst.

5^5. 5<H.

5^3 u. 544. (Dänische Ausstellung.) Lilbcrarbeiten (Tintenzeug, Schalen, Zuckerstreuer);
nach Entwürfen von Th. Bindesböll (s^r) und Georg Iensen (5w) ausgeführt von A. Michelfen, Kopenhagen
(5<*3) und Zeusen (5^). (Va d. wirk!. Größe.) Phot. Boedecker.

Es lag wohl eher an der Absicht, ein umfassen-
deres Bild zu geben, also weniger zu sichten und
auch Werte zweiten oder gar dritten Ranges passieren
zu lassen. Die Brüsseler Arbeiten wurden ergänzt
durch Möbel, Textilien, buchgewerbliche Erzeugnisse,
die zusammen einen größeren Überblick bieten sollten.
Auf allen Gebieten zeigt sich ein Mille zum Fort-
schritt, uns erscheint mancherlei noch nicht als Kunst
des 20. Jahrhunderts, wenn wir auch init Behagen
eine Abkehr von: ckix-liuitieme feststellen.

Ein Moment muß uns besonders stutzig machen:
Die Dänen leiden nicht an der unseligen
Zersplitterung in eine Kunst der Akade-
mien und eine der modernen Geister. Der
Gegensatz zwischen einem Ideal, das in der Ver-
gangenheit liegt, und einem Ideal, das nach Zukunft
hungert, besteht hier nicht. Wenigstens nicht grund-
sätzlich. Wie überall in der Welt gibt es zwischen
den einzelnen Künstlerpersönlichkeiten Qualitäts-
unterschiede; der eine ist kraftvoller, der andere
schwächlicher, der eine rückständiger, der andere agiler.
Es mag Gruppen und Grüppchen geben, aber im
Grunde genommen sind diese Differenzen individuell,
nicht sozial; durch das gesamte Schaffen geht ein
gemeinsamer Zug, der vor allem dem Kleinhandwerk
zugute kommt, der ihm größere Selbständigkeit und
freiere Regsamkeit vcrstattet.

Die entscheidende Führerpersönlichkeit war
Thorwald Bindesböll P8H6— lß08). Otto Eck-
mann soll ihn bewundert, ihn als Lehrmeister
geschätzt haben. In diesen beiden Naturen gibt es
in der Tat manch verwandten Zug. Auch Bindesböll

war ein Aufrüttler und Anreger, einer, der alte
Tafeln zerbrach um neue Pfade zu finden. Wie
Eckmann glaubte er an eine Reorganisation des
Kunsthandwerks durch eine neue Ornamentik. Die
Natur erschien auch ihm als ausgezeichnete Lehr-
meisterin, wenngleich er von der Stilisierung der
Naturformen nicht viel gehalten haben mag. Jeden-
falls machte er gern Entdeckcrfahrten in die strenge
Formenwelt des Barock und noch mehr begeisterte
er sich an altchinesischen Flächenkünsten. Mancherlei,
was er so gefunden hat, greift er mit kluger Hand
auf, um diese Anregungen sehr charaktervoll und
persönlich zu verwerten. Da er weniger faustisch
als Eckmann auf das gänzlich Neue ausgeht, kommt
er eher und schneller zu einer Abklärung. Jenes
schuppenförmig übereinandergeschobene, fischblasen-
artige Ornament entsteht, das er nun auf Möbeln,
Porzellanstücken, Bucheinbänden und Metallarbeiten
anbringt. Mit größten: Glück ist das geschehen bei
den Silbergeräten, die durch diesen Reliefdekor eine
kapriziöse Schönheit erhielten. Man muß zugestehen,
daß er damit aus dem Metall heraus einen wirklich
brauchbaren Stil entwickelt hat. Es gibt da nicht
die toten, glatten Flächen der Wiener Tektoniker, die
dem Silber das Aussehen gestanzten Bleches geben
und es ist andererseits auch nicht eine Auflösung
aller Form, wie wir sie so häufig bei dem wuchern-
den Gerank vieler Naturalisten antreffen. Das
Tektonische und das Dekorative ist in diesen Bindes-
böllfchen Silberarbeiten mit einem so feinen Instinkt
gegeneinander abgewogen, daß hier tatsächlich vor-
bildliche Werte entstanden. Bei den buchgewerb-

Kunst und Handwerk. 6t. Jahrg. Heft 8.

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